Ein Haushalt für die Geschichtsbücher

Der Breitbandausbau mit einer Investition von 3,8 Millionen Euro sorgt für einen Rekordwert im Gesamtetat der Gemeinde Großerlach. Dank guter Einnahmen ist keine Kreditaufnahme nötig. Im Gegenteil, die Verschuldung sinkt und liegt nur noch knapp über der Millionenmarke.

Der Breitbandausbau (hier ein Verteilerkasten) treibt den Etat in der Gemeinde Großerlach in die Höhe. Symbolfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Der Breitbandausbau (hier ein Verteilerkasten) treibt den Etat in der Gemeinde Großerlach in die Höhe. Symbolfoto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Großerlach. Einstimmig haben die Gemeinderäte den Großerlacher Haushalt für das Jahr 2022 beschlossen. Und der hat es in sich, mit 11,4 Millionen Euro ist er so groß wie noch nie in der Geschichte Großerlachs. Bürgermeister Christoph Jäger zeigte sich überzeugt, dass der Rekordhaushalt auch in näherer Zukunft nicht nochmals übertroffen wird. Denn ein wesentlicher Grund für das riesige Volumen ist der Breitbandausbau, der alleine für Ausgaben in Höhe von 3,8 Millionen Euro verantwortlich ist, wobei die Gemeinde nur einen Eigenanteil von 500000 Euro tragen muss.

Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass das Zahlenwerk sehr freundlich ausfällt. So etwa die Gewerbesteuer. Im Vorjahr bereits hatte die Gemeinde 200000 Euro an Einnahmen dafür angesetzt, es wurden am Ende 400000 Euro. Nun hat Kämmerin Saskia Pulver den Ansatz gleich auf 350000 Euro erhöht und alleine schon mit den Vorauszahlungen sei der Betrag erreicht worden. Die Finanzierung der zahlreichen und kostspieligen Investitionen funktioniere zudem auch deshalb, weil es viele Zuschüsse gibt und die Gemeinde im vergangenen Jahr etliche Bauplätze im Baugebiet Schwalbenflug IV verkaufen konnte.

Bürgermeister Jäger nannte die Zahlen „sehr gut“, warnte aber gleichzeitig, „zu euphorischem Leichtsinn soll uns das nicht verleiten“. Zumal er die Unwägbarkeiten erwähnte, die es vor allem bei den Förderungen gebe. Konkret erwähnte er die Zuschüsse für den Erhalt der Sirenenanlagen. Er erinnerte, dass es vor Jahren hieß, die Sirenen sollen abgebaut werden. Und nach der Katastrophe des vergangenen Sommers im Ahrtal wurden die Kommunen ermuntert, die Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen. Versprochen wurden Zuschüsse, die jüngst aber erbärmlich ausfielen. „Wenn wir mit 1000 Euro abgespeist werden, so wie es zuletzt in anderen Kommunen der Fall war, dann müssen wir uns fragen, ob wir das Projekt überhaupt stemmen können.“ Derzeit werden den Kosten für die Installation der Sirenen von 56500 Euro im Etat Zuschüsse von 54200 Euro gegengerechnet.

Gemeinderat beschließt trotz Rekordetat noch weitere Projekte

Ungeachtet der Warnung, nicht leichtsinnig zu werden, ermutigte Jäger die Räte sogar zu einer weiteren, außerplanmäßigen Investition, die in seinen Augen vernünftig und dringend ist: eine Teilsanierung der Grundschule. Aus diesem Grund hatte er diesen Tagesordnungspunkt vorgezogen, damit, sollten sich die Räte für das Projekt aussprechen, der Posten noch in den Haushalt aufgenommen werden könnte. Es ging um die Verbesserung der Beschattungsmöglichkeiten der Fenster. Dies sei wichtig, da im Zuge der Digitalisierung immer mehr digitale Präsentationsmedien eingesetzt werden, die bislang bei Sonnenschein nur eingeschränkt oder gar nicht genutzt werden können. Jäger erklärte, dass die Schulverantwortlichen „sich gar nicht so richtig getraut hätten, die Forderung zu stellen“. Er aber vertrat die Position, dass die Verbesserung im Zuge des Medienentwicklungsplans nötig sei. Und da für den Einbau der Jalousien ein Gerüst aufgestellt werden muss, sollten bei dieser Gelegenheit auch die Fenster der Südseite gestrichen werden.

Diese Kosten von 120000 Euro waren im Etat bereits enthalten. Zuletzt jedoch wurde die Überlegung laut, ob man nicht auch die Außenfassaden dämmen und alle Seiten streichen solle. Die Experten haben auch dies geprüft und kamen laut Jäger zum Schluss, dass eine Dämmung angesichts der großen Fensterfronten unnötig sei, wohl aber die Sanierung aller Fenster und das Streichen aller Fassaden der Grundschule. Die Rechnung würde auf 190000 Euro steigen. Nach Abzug der Zuschüsse würden 114000 Euro an der Gemeinde hängen bleiben, das wären 44000 Euro mehr als bislang eingerechnet. Jägers Empfehlung: „Wir machen’s.“ Da das Dach erst vor wenigen Jahren saniert worden ist, wäre dann die gesamte Außenhaut wieder neu.

Die Räte stimmten geschlossen zu. So meinte etwa Fabian Noller, dass die Mehrkosten zwar erheblich wären, „aber dann ist das ganze Gebäude von außen fertig und wir haben wieder ein paar Jahre Ruhe“. Und Markus Zick meinte: „Billiger wird es in der Zukunft auch nicht.“ Zudem habe die Gemeinde jetzt die Gelegenheit dazu. So sah es auch Rainer Dietrich: „Wenn die Handwerker schon da sind und das Gerüst steht, dann sollen sie alles machen.“

Als danach der Haushalt zur Diskussion stand, wunderte es angesichts der vorgestellten Zahlen wenig, dass alle Gemeinderäte zustimmten. So sagte Markus Zick: „Wir sind bei den Einnahmen stärker geworden.“ Rainer Dietrich war vor allem von der Entwicklung der Einkommensteuer begeistert. Weiter lobte er die Entwicklung der Gewerbesteuer, „das tut unserer Kasse gut“. Er dankte allen örtlichen Unternehmern und sagte zum Abschluss: „Ich erinnere mich noch an Zeiten, da hatten wir 41000 Mark als Gewerbesteuereinnahmen.“

„Der höhere Ansatz bei der Gewerbesteuer ist realistisch“

Hans Wohlfarth gab zu bedenken: „In einem Punkt kann ich den Optimismus der Verwaltung nicht teilen, das sind die Gewerbesteuereinnahmen.“ Er verwies auf die Probleme bei den Lieferketten und andere Schwierigkeiten, mit denen die Unternehmen zu kämpfen haben. Doch Pulver ließ sich nicht verunsichern: „Die Berechnungen sind realistisch.“ Eckart Friz schloss sich dem Lob an, „der Haushalt kann sich absolut sehen lassen, ein solch positives Ergebnis ist nicht selbstverständlich“. Er ergänzte, dass das Lob auch gelte, obwohl die Liquidität etwas dahingeschmolzen sei. Das stimmt, aber der Rückgang ist nur marginal. Selbst mit dem zusätzlichen Schulprojekt beträgt die Deckungslücke bei den Investitionen nur 307500 Euro. Dadurch schmilzt das Gemeindesäckel in der Tat, aber die Rücklagen belaufen sich immer noch auf satte 2,6 Millionen Euro. Gleichzeitig sind keine neuen Kredite nötig. Kämmerin Pulver rechnete vor, dass aufgrund der üblichen Tilgung der Schuldenstand zum Jahresende auf 1,03 Millionen Euro sinken wird. Und da bis ins Jahr 2025 keine weiteren Darlehen vorgesehen sind, könnte die Verschuldung sogar bis Mitte des Jahrzehnts auf 600000 Euro zurück gehen.

Bei dem riesigen Zahlenwerk ging Bürgermeister Jäger nur auf einzelne Positionen ein. Traditionell thematisiert wurde die Kreisumlage. Während aber früher die Verantwortlichen im Landratsamt oft weniger gut wegkamen, lobte Jäger nun, dass in Waiblingen offensichtlich ein Umdenkungsprozess stattgefunden habe. Trotzdem müsse die Gemeinde immer noch über eine Million Euro und damit jeden vierten Euro aus der Summe der Schlüsselzuweisungen und Steuereinnahmen ins Landratsamt überweisen. Jäger verteidigte auch den Anstieg bei den Personalkosten um 62700 Euro auf 1,8 Millionen Euro. Dies sei dem Bereich der Kinderbetreuung zuzuschreiben, dort wurden etwa 2,3 weitere Stellen für den neuen Waldkindergarten geschaffen. Jägers Fazit: „Wir investieren in die Schule, in Kindergärten und Bildung. Das sind Investitionen in die Zukunft. Und wir leben nicht von der Substanz.“

Im Haushalt 2022 stecken über drei Millionen Euro mehr als in den Jahren zuvor. Trotz riesiger Investitionen sinkt die Verschuldung.

Im Haushalt 2022 stecken über drei Millionen Euro mehr als in den Jahren zuvor. Trotz riesiger Investitionen sinkt die Verschuldung.

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Erstellt:
22. Januar 2022, 06:00 Uhr

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