Ein Herz für Insekten: In diesen Wiesen summt und brummt es

Artenschutz vor der Haustür Die Blühflächeninitiative Backnang wandelt intensiv genutzte Ackerflächen in Wiesen um, die Insekten als Nahrungsquelle und Refugium dienen. In Form einer Patenschaft kann man das Projekt unterstützen.

Tanja Fichtl (links) und Jutta Pütz engagieren sich in der Blühinitiative Backnang. Ihnen ist wichtig, dass die heimischen Pflanzen möglichst lange stehen bleiben. In diesem Jahr sind leider viele Pflanzen vertrocknet. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Tanja Fichtl (links) und Jutta Pütz engagieren sich in der Blühinitiative Backnang. Ihnen ist wichtig, dass die heimischen Pflanzen möglichst lange stehen bleiben. In diesem Jahr sind leider viele Pflanzen vertrocknet. Foto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Backnang. Bunte Wiesen voller hübscher Blumen – so stellt man sich doch eine gelungene Blühfläche vor. Oder nicht? Fragt man die Mitglieder der Blühinitiative Backnang, so stehen ganz andere Kriterien im Vordergrund: „Wir achten auf heimisches, standortgerechtes und naturraumgerechtes Saatgut“, erklärt Jutta Pütz. Die Burgstettenerin ist Hobbyimkerin und zudem zweite Vorsitzende. Der gemeinnützige Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, Insekten Nahrung, Rückzugsräume und Überwinterungsmöglichkeiten in Form von Blühflächen zu schaffen – ein Generationsprojekt, wie sie sagen. Finanziert durch Patenschaften werden hierfür intensiv genutzte Ackerflächen umgewandelt. Diese stellt der Backnanger Landwirt und Vorsitzende des Vereins Jürgen Benignus zur Verfügung. Mit den Patenschaften wird ein Teil seiner Auslagen finanziert, doch Benignus macht auch klar: „Da steckt viel Idealismus mit drin.“ Es sei ihm ein persönliches Anliegen, sich für den Artenschutz einzusetzen und somit auch mit Vorurteilen mancher Naturschützer gegenüber Landwirten aufzuräumen.

Rückzugsort für Vögel und Niederwild

Einige Vereinsmitglieder sind auch in der Imkerei tätig wie beispielsweise Tanja Fichtl aus Weissach im Tal, die ebenfalls von Anfang an mit dabei war. Für sie ist es elementar wichtig, dass ihre Bienen auch genügend Nahrung finden. Doch das ist nicht der einzige Grund für ihr Engagement. „Wir müssen das Bewusstsein in die Bevölkerung tragen, wie wichtig der Artenschutz ist“, sagt Fichtl. Und dass jeder und jede dabei mithelfen kann. Wer einen eigenen Garten hat, könne dort zumindest einen Teil mit entsprechendem Saatgut einsäen. Alle anderen könnten dafür eine Patenschaft übernehmen. 8,4 Hektar Flächen hat der Verein bereits in Blühflächen verwandelt – fast so viel wie der Landkreis an Blühflächen auf Straßennebenflächen angelegt hat, hebt Benignus stolz hervor. Allerdings müsse das Projekt noch deutlich bekannter werden.

Auf einer Wildblumenwiese sollten heimische Blumen und Kräuter gesät werden. Je weniger gemäht wird, desto besser für die Insekten. Foto: Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald

Auf einer Wildblumenwiese sollten heimische Blumen und Kräuter gesät werden. Je weniger gemäht wird, desto besser für die Insekten. Foto: Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald

Der Verein hat deshalb beispielsweise angeregt, ob nicht die Stadt Backnang eine Patenschaft übernehmen könnte. Die Flächen, machen die Vereinsmitglieder klar, bieten viel mehr als nur Nahrung für Bienen, Schmetterlinge, Hummeln und Käfer. Sie seien auch die Kinderstube der Insekten, erklärt Jutta Pütz. Zudem würden die Altpflanzenbestände stehen gelassen, damit die Insekten dort überwintern können – egal ob als Ei, Larve oder adultes Tier. „Insekten sitzen im Winter nicht in Bienenhotels“, erklärt Jürgen Benignus. Aber nicht nur den Insekten bieten die Flächen Schutz: Auch Vögel und Niederwild verstecken sich darin. Tanja Fichtl hat schon Rehe aus einer Wiese springen sehen und bei Jürgen Benignus hat im vergangenen Herbst ein Jäger angerufen und darum gebeten, eine andere Fläche nicht zu mähen, da sich auch dort Rehe aufhielten. Und auch Hasen sehe man in den Wiesen regelmäßig. Wo genau die Patinnen und Paten „ihre“ Blühflächen finden können, wird fein säuberlich auf einer Karte eingetragen und auf der Website des Vereins zur Verfügung gestellt. Dabei ist auch farblich angegeben, welches Saatgut dort verwendet wurde.

Viele Pflanzen sind vertrocknet

Aktuell sehen die meisten Wiesen allerdings vor allem braun aus: Durch die lange Dürreperiode im Sommer sind viele der Pflanzen vertrocknet. „In diesem Jahr hatten es die Pflanzen schwer“, bemerkt Jürgen Benignus. Zum Teil müsse neu gesät werden, damit es auch im kommenden Jahr wieder blüht.

Einen Besuch in einer artenreichen Wiese können die Vereinsmitglieder nur empfehlen. Sie berichten von einer entspannenden Wirkung, wenn man in einer Blühfläche steht. „Man hört einen Brummton, das konnte ich anfangs gar nicht glauben“, sagt Jutta Pütz. Die Erbstettenerin macht auch Privatpersonen Mut, die womöglich aufgrund ihrer ungemähten Blühwiesen schräge Blicke der Nachbarn ernten. Ein anderes Vereinsmitglied habe diesbezüglich den Spruch geprägt: „Wenn der Nachbar sich über den unordentlichen Garten beschwert, dann hat man für die Insekten alles richtig gemacht.“

Patenschaft Wer eine Blühflächenpatenschaft übernehmen möchte, hat verschiedene Flächengrößen zur Auswahl: 50, 100 oder 1000 Quadratmeter. Paten bekommen neben ihrer Urkunde auch Honig, Großsponsoren werden darüber hinaus mit Namen und Logo auf der Website mit aufgeführt. Mehr Informationen zum Projekt gibt es online unter: http://bluehflaechen-backnang.de
Bunt heißt nicht gleich artenreich

Saatgut Wer eine artenreiche Wiese anlegen möchte , die Insekten auch wirklich dienlich ist, sollte sich von der Vorstellung verabschieden, knallbunte Flächen zu bekommen. „Die Samentütchen, die man oft in Supermärkten geschenkt bekommt, haben alle den gleichen Effekt: Die Pflanzen blühen anfangs schön, aber im zweiten Jahr kommt nichts mehr davon“, erklärt Jürgen Benignus. „Gutes Saatgut ist nicht günstig“, macht der Landwirt klar. Dafür habe man aber auch mehrere Jahre etwas davon. Der Saatguthersteller gebe meistens auch wertvolle Tipps. Im Grundsatz solle man echte, möglichst standortheimische Wildblumen und -kräuter nutzen. Manche Insekten seien auf bestimmte Pflanzen angewiesen, dazu müsse man sich schlaumachen. Inspiration könne man sich auch holen, indem man mit offenen Augen durch Wiesen geht und schaut, an welchen Pflanzen Insekten zu finden sind.

Pflege Wie die Wiesen gemäht werden, sei jedes Jahr unterschiedlich, berichtet Jutta Pütz. Grundsätzlich werde empfohlen, im Mai oder Juni die erste und Ende September die zweite Mahd vorzunehmen – das reduziert Gräser und fördert Blühpflanzen. Die Mähempfehlung variiere aber auch je nach Pflanzenarten und Wetterverhältnissen. In diesem Jahr habe er manche Wiesen gar nicht gemäht, berichtet Jürgen Benignus. Es sei einfach zu trocken gewesen, das hätten manche Pflanzen nicht überlebt. Grundsätzlich gelte: Lieber nicht zu oft mähen. Die Blumen und Kräuter sollten zur Blüte kommen. Bei Wiesen in Hausnähe empfiehlt Jutta Pütz, in Abschnitten mit zeitlichem Abstand vorzugehen, sodass die Insekten nicht auf einmal ihrer Nahrung und Behausung beraubt sind, sondern ausweichen können.

Tipps Weitere Informationen zu Wildblumenwiesen gibt es beispielsweise unter: https://naturgarten.org/wissen/die-blumenwiese

Zum Artikel

Erstellt:
17. September 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Kaffeebohnen in Backnang von der Rösterei nebenan

Cindy Schubert betreibt das Café Explorer in Backnang. Dort lässt sich nicht nur wunderbar speisen, sondern auch Kaffee kaufen, geröstet von ihrem Mann Christoph Schubert. Die Rösterei in Winnenden-Höfen ist eine von rund 1300 in Deutschland.

Die Mitarbeiter der Stadt sind im Dauereinsatz, um rund um die Container wenigstens das Gröbste aufzuräumen.Archivfoto: Edgar Layher
Top

Stadt & Kreis

Mehr Container in Backnang für Altglas und Papier

Die Zahl der Recyclingcontainer steigt im Backnanger Stadtgebiet auf insgesamt 210. Neue Standorte gibt es im Aurelis-Areal, an der Oberen Bahnhofstraße oder an der Manfred-von-Ardenne-Allee. Gleichzeitig fallen aber intensiv genutzte Standorte weg, etwa beim Wasserturm.