Erste Hilfe am Vierbeiner: „Ein Hund ist wie ein kleines Kind“

Erste Hilfe am Menschen ist den meisten Leuten geläufig, Erste Hilfe am Hund hingegen nicht. Tina Aspacher-Kern vom Deutschen Roten Kreuz Backnang hat diese Woche mehrere Kurse gegeben, in denen sie Hundebesitzern beibringt, wie sie im Alltag und Ernstfall richtig agieren.

Nachdem Referentin Tina Aspacher-Kern (rechts) erklärt hat, wie es geht, üben sich die Kursbesucher in der Herzmassage. Fotos: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Nachdem Referentin Tina Aspacher-Kern (rechts) erklärt hat, wie es geht, üben sich die Kursbesucher in der Herzmassage. Fotos: Jörg Fiedler

Von Anja La Roche

Backnang. Quasi ihr ganzes Leben schon ist sie von Hunden umgeben, erzählt Carola Kübler. Sie kennt sich also aus mit den Tieren. Aber ein Erste-Hilfe-Kurs für Hunde, das hat der 56-Jährigen aus Allmersbach im Tal noch gefehlt. Denn die neugierigen Vierbeiner geraten allzu schnell mal in eine Misere oder erkranken. „Es kommt öfters vor, dass sie in Scherben treten“, bedenkt Kübler. „Die liegen ja überall herum.“ Um für solche – und schlimmere – Momente vorbereitet zu sein, nimmt sie an dem etwas anderen Kurs vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Backnang teil.

Mit ihr sitzen auch vier andere Hundebesitzer im Schulungsraum. Ihre Schützlinge mussten sie allerdings zu Hause lassen, damit die Referentin Tina Aspacher-Kern in Ruhe ihr Wissen vermitteln kann. Stattdessen finden die Teilnehmer einen Dummyhund und vier Stoffhunde vor. An diesen können sie später einige Handgriffe der Ersthilfe ausprobieren. Zuerst beginnt Aspacher-Kern den Kurs allerdings mit einer Theorieeinheit. Das Verhalten des Hundes, erklärt sie den Teilnehmern, sollte vital und agil sein. „Man macht sich oft erst einmal lustig, wenn der Hund einen Tick entwickelt.“ Dabei kann sonderbares Verhalten ein Zeichen dafür sein, dass das Tier Schmerzen hat. Eine Kursteilnehmerin erzählt etwa, dass ihr Hund sich beim Laufen plötzlich immer wieder überschlagen habe. Später sei herausgekommen, dass er das als kurze Schmerzpause beim Laufen genutzt hat. „Im Zweifel“, sagt die Referentin, „den Tierarzt fragen.“

Es ist wichtig, den eigenen Hund regelmäßig zu untersuchen

Neben dem Verhalten, das der Halter beim eigenen Hund vermutlich am besten kennt, gibt es auch andere Merkmale, die ein gesunder Hund haben sollte, wie zum Beispiel rosafarbene Schleimhäute. Das sollte man regelmäßig kontrollieren, um die Gesundheit des Vierbeiners im Blick zu behalten und um das Tier an die Berührungen zu gewöhnen. Auch an weitere Handgriffe sollte man seinen Hund gewöhnen, sodass im Notfall ohne Probleme agiert werden kann (siehe Infokasten).

Ganz wichtig ist Tina Aspacher-Kern, dass man vorausschauend mit seinem Hund durch den Alltag geht. „Hunde haben ihre Triebe.“ So sollten sie lieber nicht frei herumlaufen. Eine lange Leine sei die bessere Wahl, ganz besonders im Wald. Sie empfiehlt den Hundebesitzern zudem eine gute Haftschutzversicherung für den Hund, falls dieser einmal etwas kaputt macht. Wenn man in den Urlaub fährt, sei es von Vorteil, sich vorher über die Tücken, aber auch die Möglichkeiten des Zielorts zu informieren. Passendes Zeckenspray, Hundeschuhe, eine Kühlmatte, ein Erste-Hilfe-Set, ein Ventilator – zu gute Vorbereitung gibt es selbstverständlich nicht.

Zur Prophylaxe gehört es auch, eine Schnur dabei zu haben

Erst kürzlich ist Aspacher-Kern aus dem eigenen Urlaub zurückgekehrt, wie sie erzählt. Ihre Molly hatte sich kurz zuvor das Kreuzband gerissen. Für Tagesausflüge schob sie die Hündin daher in einem Hundekinderwagen vor sich her, in welchem eine Kühlmatte von unten für Abkühlung sorgte. Für den Strand hätten kleine Schühchen Mollys Pfoten vor Seeigeln geschützt.

Zur Prophylaxe gehört es laut der Referentin auch, eine Schnur dabei zu haben, die sich als Schnauzenband anlegen lässt. Denn auch der eigene Hund kann unter Schmerzen ein Abwehrverhalten entwickeln und zuschnappen. Und möchte man einem verletzten Hund helfen, steht die eigene Sicherheit im Vordergrund. Aspacher-Kern demonstriert an einem Stoffhund, wie man die Schnur ums Maul legt: von unten drumlegen, oben zuknoten, den Knoten nach unten drehen und die Schnurenden hinten im Nacken zusammenbinden.

Auch im Auto sollte ein Hund immer gesichert sein. Sonst könne das bei einem Unfall gefährlich für die Rettungshelfer werden, erklärt die Expertin. Auf ausreichend Abkühlung bei hohen Temperaturen müsse ebenfalls geachtet werden, auf herumliegende Giftköder auch, und, und, und. „Kleine, aber auch größere Hunde sind wie kleine Kinder“, bringt es Tina Aspacher-Kern auf den Punkt.

Nach der Theorieeinheit dürfen die Kursbesucher am Dummy üben

Für Carola Kübler war es besonders wichtig zu erfahren, wie sie ihren Hund im Ernstfall richtig tragen kann. „Nicht, dass etwas an der Wirbelsäule kaputt ist.“ Eine weitere Teilnehmerin sieht das genauso: „Man muss aufpassen, dass man nicht zu nah an den Hals kommt.“ Heike Liberini und ihre Tochter Maren Liberini aus Backnang freuen sich nach der Theorie besonders auf den Praxisteil. Sie wollen am Dummy und an den Stoffpuppen für den Ernstfall üben.

Als der zweite Kursabschnitt nach einer zehnminütigen Pause beginnt, geht es auch sogleich ans Eingemachte. Die Referentin erklärt, wie eine Herz-Lungen-Massage bei Hunden funktioniert. Die Beine des liegenden Tieres sollten zum eigenen Körper zeigen, der Kopf muss aus eigener Perspektive links und das Hinterteil rechts positioniert sein. Denn nur dann liegt diejenige Körperseite oben, in welcher sich das Hundeherz befindet. Aspacher-Kern legt mit der Herzmassage los. „Es bringt nix, wenn ich bei Helene Fischers ,Atemlos‘ anfange und mit der Mondscheinsonate aufhöre“, sagt sie. Damit meint sie, dass man bloß nicht langsamer im Takt werden darf. Nach 20-mal Drücken folgt zweimal Beatmen, und zwar durch die Nase des Tiers.

Schließlich dürfen die Kursbesucher noch lernen, wie man einen Verband an den Pfoten anlegt. Das Geheimnis: jede Menge Tape über die Mullbinde wickeln, sonst streifen die Schützlinge sie wieder ab. „Ich empfehle, immer Tape zur Hand zu haben“, sagt Aspacher-Kern und freut sich über das sehr ruhige und dadurch einfach zu behandelnde Stofftier, welchem sie einen Druckverband anlegt. Das Erlernte können die Hundehalter gleich darauf an den Übungsobjekten ausprobieren.

Beim Verbinden von Wunden fixiert Tape die Mullbinde zusätzlich.

© Jörg Fiedler

Beim Verbinden von Wunden fixiert Tape die Mullbinde zusätzlich.

Gewöhnungsübungen und notwendige Untersuchungen

Allgemeines Laut dem DRK Baden-Württemberg sollten Hunde möglichst früh an Handgriffe gewöhnt werden, die man bei Routineuntersuchungen sowie für Notfälle benötigt. Dabei gilt immer, die eigene Sicherheit zu beachten und falls nötig schnell den Tierarzt aufzusuchen.

Abtasten Der ganze Körper des Tiers sollte routinemäßig abgetastet werden. Dabei sollten die Hände stets den Kontakt zum Hundekörper halten.

Untersuchen Nase, Augen, Ohren, Pfoten sowie das Maul und die Maulschleimhäute sollte man genauer anschauen und dabei auf Auffälligkeiten achten.

Puls messen Den Puls misst man am besten unter dem Hüftgelenk an der Oberschenkelarterie. Je nach Körpergröße sollten es 60 bis 120 Schläge pro Minute sein.

Temperatur Die Körpertemperatur wird im After gemessen. Sie sollte 38 bis 39 Grad Celsius betragen.

Atmung Bei der Atmung sollte man auf Geräusche und Bewegungen achten. 10 bis 30 Atemzüge pro Minute sind normal.

Maulkorb Da Hunde in Stresssituationen auch mal zubeißen, sollte man sie ans Anlegen eines Schnauzenbands oder Maulkorbs gewöhnen.

Weiteres Auch ans Tragen, ans Fixieren für Untersuchungen sowie das Rascheln von Wärmedecken können sich Hunde gewöhnen.

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Erstellt:
26. August 2022, 11:30 Uhr

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