Ein Instagram-Account für Direktvermarkter

Immer mehr Obst-, Gemüse- und Weinbauern sowie Schnapsbrenner und Reiterhofbetreiber präsentieren sich und ihre Waren auf sozialen Medien. Am Beispiel von Instagram zeigt das Landwirtschaftsamt Backnang in einem vierteiligen interaktiven Online-Seminar, wie das in der Praxis geht.

Landwirtschaftsmeister Stefan Heller aus Backnang-Steinbach setzt beim Vermarkten seiner Produkte auch auf Instagram. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Landwirtschaftsmeister Stefan Heller aus Backnang-Steinbach setzt beim Vermarkten seiner Produkte auch auf Instagram. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Rems-Murr. „Ich möchte meinen Auftritt attraktiv gestalten“, „mehr über die rechtlichen Hintergründe erfahren“, „wir wollen mehr Follower“, „was ich poste, sieht immer so laienhaft aus“, „wie kann ich überhaupt einen Account erstellen?“ – So verschieden die zehn Teilnehmerinnen des Seminars sind, so klar können sie ihre Wünsche und Erwartungen an den Kurs benennen. Es sind tatsächlich ausschließlich Frauen, die sich zum Online-Seminar „Social Media in der Praxis am Beispiel Instagram“ angemeldet haben, das das Landwirtschaftsamt Backnang angeboten hat.

„Kaum ausgeschrieben war das Seminar auch schon ausgebucht“, sagt Annette Sammet-Volzer bei der Begrüßung der Teilnehmerinnen kurz nach 18.30 Uhr. „Das zeigt uns, dass das Thema wirklich interessant ist für Direktvermarkter“, so die Fachbereichsleiterin Ernährung und Hauswirtschaft beim Landwirtschaftsamt weiter. „Ihr werdet fast die ganze Zeit mit dem Smartphone arbeiten“, kündigt dann Miriam Hanselmann vom Seminaranbieter Klickeasy an. Die Wirtschaftsinformatikerin leitet den Kurs, der an vier Abenden jeweils drei bis dreieinhalb Stunden lang stattfindet.

„Vier Abende für Instagram hört sich lang an. Aber die Erfahrung zeigt, dass man tatsächlich so lange braucht“, weiß Hanselmann aus Erfahrung. Die 28-Jährige ist auch gleich beim Du, ohne ein Veto aus dem Kreis der Teilnehmerinnen zu ernten, denn so würde man seine Kunden auch auf den sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Co. ansprechen. Selbst Banken seien zu dieser Ansprache übergegangen. Bei der Homepage sei das noch anders, da sei man meist noch beim Sie.

Bei der kurzen Vorstellungsrunde wird deutlich, dass die Teilnehmerinnen aus den verschiedensten landwirtschaftlichen Bereichen kommen. Da ist beispielsweise Anja Medinger, deren Familie in Kernen im Remstal einen Obst- und Weinbaubetrieb führt und die ihre Produkte auch auf dem Waiblinger Wochenmarkt anbietet. Was Instagram betrifft ist sie noch ziemlich am Anfang. „Ich hab gehört, dass dort Gewinnspiele schiefgelaufen sind. Ich will solche unschönen Geschichten vermeiden.“

Die nächste Teilnehmerin glaubt, die „Seniorin in der Runde“ zu sein. Lisa Escher hat mit ihrer Familie ein Weingut mit Besenwirtschaft in Schwaikheim. „Ich hab den Kurs gebucht, weil ich dachte, das wär bestimmt interessant für meine Söhne. Aber... nun ja, jetzt darf ichs machen. Ich kenne mich in dieser Geschichte nicht so gut aus. Ich kann nur kontrollieren, was gepostet wird.“ – „Aber das ist doch perfekt“, dann sei sie doch genau richtig hier, meint die Referentin. „Wir sind eigentlich schon ganz gut am Start, haben 3000 oder 4000 Follower“, fährt Escher fort. Die Person, die sich bislang darum gekümmert habe, könne jetzt nicht mehr, und jetzt, nach einiger Zeit Stillstand, müsse man das Ganze wieder etwas aktivieren. „Vielleicht kann ich da ja auch was dazu tun.“

Und da ist Denisa Köngeter, die mit ihrer Familie in Alfdorf-Brech einen Pferde- und Bauernhof inklusive Hofladen betreibt und Planwagenfahrten anbietet. „Mein Mann hat den Betrieb übernommen. Wir wollen jetzt weitermachen und da gehört Insta einfach dazu.“ Miriam Hanselmann ist nach der Vorstellungsrunde begeistert: „Ihr alle habt so viel, was man anschauen und anfassen kann. Ihr habt tolle Produkte, ihr habt Hofläden, mit denen ihr die Leute mitnehmen könnt. Das ist ultratoll, auf Social Media unterwegs zu sein. Das ist noch viel viel einfacher als im Dienstleistungsbereich.“

Hanselmann nennt die gängigsten Social-Media-Plattformen wie Twitter und TikTok, sagt, dass die eigene Homepage aber das Wichtigste sei, „die Visitenkarte im Internet“, geht auf wichtige Internetdienste von Verbänden und anderen Anbietern ein, bei denen die Direktvermarkter gelistet sein sollten, wie www.natur-von-hier.de, streift das Thema Einträge und Bewertungen, gibt ihren Zuhörerinnen Aufgaben („Beschreibe in einem Satz Dein Unternehmen“), erklärt, wie jeder seine Zielgruppe analysieren könne und thematisiert die rechtlichen Hintergründe. Der erste Abend des vierteiligen Seminars vergeht wie im Flug. Es ist bereits 21.45 Uhr, als die Referentin am Schluss die Teilnehmerinnen zur kleinen Blitzlicht-Feedback-Runde auffordert. „Ich habs mir irgendwie schwierig vorgestellt, sich abends noch so zu motivieren, aber es war jetzt wirklich sehr kurzweilig. Es waren jetzt Grundlagen, aber ich finde es wichtig, wenn man die Schritt für Schritt durchgeht“, sagt Anja Medinger.

„Für mich wars sehr gut, weil ich mich bisher nur mit meinem privaten Account beschäftigt hatte. Ich glaube, bei uns im Unternehmen gibts da noch einiges zu tun“, meint Denisa Köngeter. „Superinteressant“, fasst Lisa Escher den ersten Abend in einem Wort zusammen. „Ich konnte alles gut nachverfolgen und werde morgen meinen Söhnen berichten, was ich heute Abend schon alles mitnehmen konnte.“

Auch ohne Seminar wagen sich Direktvermarkter an Facebook und Instagram heran

Ein Seminar ist sicher eine gute und kompakte Einführung, um in die sozialen Medien einzusteigen. Es gibt aber auch Direktvermarkter im Raum Backnang, die „irgendwie ins Thema hineingewachsen sind, ‚learning by doing‘ sozusagen“, wie Stefan Heller sagt. Mitten in Backnang-Steinbach stehen mehrere Lebensmittelautomaten. Ihren ersten hat die Landwirtsfamilie vor etwa sechs Jahren aufgestellt. Dem war die Überlegung vorausgegangen, wie man die Eier ihrer mobilen Hühnerställe vermarkten kann. Mittlerweile sind auch Nudeln und Suppenhühner, Dosenwurst und Grillfleisch sowie Eis und kleine Kuchen im Glas rund um die Uhr erhältlich.

„Kurz nachdem unser erster Eierautomat stand, haben wir uns überlegt, wie wir den bekannt machen und Kunden werben könnten“, erzählt Stefan Heller. „Freunde haben mich dann auf die Idee gebracht: Mach doch auf Facebook eine Seite“, so der 30-jährige Landwirtschaftsmeister zu den Social-Media-Anfängen. „Am Anfang hab ich die Bilder geschossen, jetzt machts meine Freundin“, sagt Heller. Gepostet wurde nicht jeden Tag, auch nicht jede Woche, „wies halt so gepasst hat“, wenn es beispielsweise neue Produkte gab. Instagram kam dann vor rund zwei Jahren dazu, „weil wir auch die Jüngeren ansprechen wollten“, denn bei Facebook seien ja eher die Älteren. Eine Freundin hatte damals Instagram, die übernahm auch die Posts, also das Einstellen der Bild- und Textbeiträge. Stefan Heller hat bislang noch keinen eigenen Account bei Instagram, denkt aber darüber nach.

Auch bei der Landwirtsfamilie Manfred und Heike Friz in Kirchberg an der Murr-Zwingelhausen ists der Junior Micha Friz, der sich zusammen mit seinem „Kumpel“ Philipp Schwaderer um den Aufbau der sozialen Medien kümmert. Beide sind 24 Jahre alt. „Viele der Kunden sind halt auch bei Facebook und Insta unterwegs“, sagt Schwaderer. Gepostet werde nicht täglich, eher monatlich, wenn beispielsweise Kartoffeln gesteckt werden oder wenns was Neues im Automaten oder Hofladen gibt. „Aber das Ganze ist zeitintensiver, als man sich das vorstellt“, zieht der Industriemechaniker ein Fazit.

Oben auf dem Reichenberg ist seit 1957 die Brennerei Friz beheimatet, die der jetzige Inhaber Jürgen Friz 1996 von seinem Vater übernahm und die seitdem Schnäpse und Liköre gewerblich anbietet. Vor genau zehn Jahren hat dessen Sohn Daniel im Alter von 21 Jahren eine Seite bei Facebook eingerichtet. Mittlerweile kümmert sich Jonas Friz, der vier Jahre jüngere Bruder von Daniel, um alles, was im Familienbetrieb mit Onlinemarketing zu tun hat. „Im Dezember 2020 kam auch Instagram dazu, weil diese Plattform besonders bei den jungen Nutzern sehr verbreitet ist“, sagt der gelernte Mechatroniker. Ziel sei es ursprünglich gewesen, einmal pro Woche eine Story zu posten. „Aber als kleiner Familienbetrieb haben wird das nicht geschafft. Jetzt bringen wir etwa alle zwei bis zweieinhalb Wochen Neuigkeiten auf Insta“, bekennt Jonas Friz. „Wir wollen damit im Gespräch und im Kontakt mit den jungen Leuten bleiben, wollen sie animieren, in den Hofladen zu kommen, sagen ihnen, welches Monatsangebot wir haben und auf welchen Feschdle wir vertreten sind“, so der 28-Jährige.

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Erstellt:
19. Mai 2022, 06:00 Uhr

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