Die Fotoboxen von Kruu
Ein lukrativer Party-Gag
Das Heilbronner Start-up mit seinen 100 Beschäftigten schreibt mit seinen Fotoboxen schwarze Zahlen..

© Kruu
Auf Partys sorgt die Fotobox für Kurzweil.
Von Ulrich Schreyer
Durch die Halle ziehen sich Förderbänder, es sieht aus, wie in einem Paketverteilzentrum. Doch auf den 4500 Quadratmetern wird verpackt, was selbst produziert wurde: Fotoboxen – weiße Kästen, 30 Zentimeter breit und 30 Zentimeter hoch. In den Kästen steckt eine Kamera, viel Software – ebenfalls selbst entwickelt –, auf dem Display kann das Motiv angeklickt werden. Eigentlich braucht niemand dringend Fotoboxen – es ist ähnlich, wie mit einem Porsche. Doch die Boxen sind gefragt, gerne geknipste Motive sind Hochzeiten, Geburtstage und andere Familienfeiern, Firmen halten Bilder von Messeauftritten oder Weihnachtsfeiern fest.
„Heute gehen 200 Boxen raus“, sagt Philipp Schreiber, einer der drei Gründer des Start-ups Kruu bei einem Gang durch die Halle im Heilbronner Industriegebiet Böllinger Höfe. Dazu braucht Schreiber seine Crew, an deren Aussprache sich der Name Kruu anlehnt. „Wir hatten auch schon Tage, an denen wir 800 Boxen verschickt haben“, berichtet er. Neben den Boxen kommen Stative, Kabel, Drucker und Druckerpapier in die Pakete, dann geht es hinaus in die weite Welt. „Wir liefern in acht europäische Länder, inzwischen auch in die USA“, erklärt Schreiber. In der Nähe von Detroit hat das Start-up eine eigene Niederlassung.
Angefangen hatte alles auf einer Hochzeit. Die Gründer hatten eine inzwischen dicht gemachte Werbeagentur in Neckarsulm. Aufgegeben wurde diese, weil Mitgründer Jochen Dolderer auf einer Hochzeit eine Fotobox gesehen hatte, die nicht von einem Fotografen aufgestellt werden musste. Schnell waren sich die drei einig, dass sie solches auch liefern könnten. 2016 gründeten sie ihr Start-up – und begannen mit einem Trick. Um den Markt zu testen, boten sie Boxen an. Nur: Sie hatten noch gar keine. Wer anfragte wurde mit dem Hinweis vertröstet, zu dem gewünschten Zeitpunkt seien die Fotoboxen schon ausgebucht. Der Markt aber schien den drei Trickreichen groß genug, um ans Werk zu gehen.
Seit der Gründung wurden bereits 200 000 Kunden beliefert, etwa 5000 Boxen sind im Augenblick im Umlauf, 2000 davon wurden in der ersten Jahreshälfte produziert. Dass viele Kunden mieten, was sie eigentlich nicht bräuchten, erklärt Schreiber so: „Wenn eine Gruppe vor einem Fotografen steht, sind die Leute oft gehemmt. Mit der Fotobox ist es lustiger. Es macht Spaß, weil etwas Spielerisches dabei ist“.
Auch Schreiber und seinen Mitstreitern macht die Sache mit den Boxen Spaß, ihr Unternehmen scheint zu gedeihen. Die Crew in der Halle packt die Lieferungen an Kunden im Akkordtempo, repariert und reinigt zurückgeschickte Boxen und macht sie wieder fertig für den Versand. Retouren – das sind in diesem Fall nicht Dinge, die ein unzufriedener Kunde nicht will. Bei Kruu kommt alles zurück, die Boxen werden nur vermietet, nicht verkauft. Werbung und Marketing werden von einem Büro in Bad Friedrichshall aus erledigt, insgesamt beschäftigt Kruu 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die allermeisten in der Halle im Heilbronn.
Dieses Jahr will das Start-up einen Umsatz von 20 Millionen Euro erreichen, letztes Jahr waren es noch 14 Millionen Euro. 85 Prozent der Kunden sind Privatleute. Die starke Steigerung im laufenden Jahr ist unter anderem auch dem 2014 neu erschlossenen Markt in den USA zu verdanken. „In unserer im Juni eingeweihten neuen Halle haben wir genug Platz, um weiter zu wachsen“, meint Philipp Schreiber.
In den ersten Jahren konnte das Start-up „keine oder keine nennenswerten Gewinne verbuchen“. Inzwischen aber schreibt Kruu nach den Angaben von Schreiber „gute schwarze Zahlen“. Als Investoren sind verschiedene Unternehmer aus der Umgebung eingestiegen. Die drei Gründer Philipp Schreiber, Jochen Dolderer und Oliver Grünberg aber halten die Mehrheit, jeder hat denselben Anteil.
Haben die Kunden ihre Boxen erst ausgepackt, sind diese nach den Worten von Schreiber im fünf Minuten aufgebaut, „so intuitiv, dass sie jeder bedienen kann“. Die Mietpreise beginnen bei 249 Euro ohne Drucker, kommen ein Hochgeschwindigkeitsdrucker und noch bessere Software hinzu, kann der Spaß auch 439 Euro kosten.
Kruu hat zwar auch Konkurrenten, aber Schreiber sagt, ihm sei kein größerer Wettbewerber bekannt. Normalerweise würde eine Bestellung drei bis vier Wochen vor dem Fototermin reichen, „aber bei verrückten Daten mit einer Schnapszahl sollte man früher dran sein“, meint er. Ist erst aufgebaut, kommt die Begrüßung: „Hallo, ich bin deine Kruu-Fotobox“. Knipsen aber müssen und dürfen die Kunden dann selbst – mit einer Box, die keiner braucht, die aber viele wollen.