Ein neues Zuhause für Straßenhündin Juli

Die Familie Winter hat eine ehemalige Straßenhündin aus Rumänien bei sich aufgenommen. Juli wurde vom Verein „Tierhilfe Hoffnung – Hilfe für Tiere in Not“ nach Deutschland gebracht. Der Verein engagiert sich nicht nur am heutigen Welttierschutztag für Straßenhunde und -katzen.

Stefanie Winter (links) und ihr Sohn Louis posieren im Garten mit Beate Iris Müller vom Verein „Tierhilfe Hoffnung“ und den Hunden Kiki-Lou und Juli fürs Foto.  Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Stefanie Winter (links) und ihr Sohn Louis posieren im Garten mit Beate Iris Müller vom Verein „Tierhilfe Hoffnung“ und den Hunden Kiki-Lou und Juli fürs Foto. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Obwohl drei fremde Menschen auf einmal bei ihr im Garten sind, ist Juli entspannt. Die weißblonde Hündin hockt zwischen ihrer Besitzerin Stefanie Winter, deren Sohn Louis (10) und Beate Iris Müller vom Verein „Tierhilfe Hoffnung – Hilfe für Tiere in Not“ auf dem Rasen und schaut in die Kamera. Später legt sie sich unter den Gartentisch und döst eine Runde. Nur einmal, als der Fotograf sich verabschiedet, bellt sie kurz laut, von dem plötzlichen Aufbruch überrumpelt. „Es ist der Wahnsinn, wie sie sich entwickelt hat“, sagt Stefanie Winter über ihre Hündin.

Im Januar dieses Jahres haben die 40-Jährige, ihr Mann Bernhard und ihr Sohn Louis Juli nach Unterweissach geholt. Da galt sie noch als sogenannter Angsthund. In Rumänien, wo sie herkommt, war Juli ein Straßenhund. Sie wurde vom Verein „Tierhilfe Hoffnung“ (siehe Infokasten) gerettet und an das Tierheim in Stuttgart-Botnang vermittelt. Was genau der etwa dreijährige Corgi-Mischling in Rumänien erlebt hat, weiß Stefanie Winter nicht. Nur so viel steht fest: Besonders gut kann es Juli nicht ergangen sein. „Wir konnten sie anfangs nicht mal anfassen. Wenn wir ihr eine Leine oder ein Halsband anziehen wollten, war das eine Katastrophe“, sagt Stefanie Winter. Sie vermutet, dass Juli mit einer Leine oder Ähnlichem geschlagen wurde. Mittlerweile hat sich ihre Angst aber zum Glück gelegt. Mit etwas Zeit konnte Stefanie Winter ihrer Hündin beibringen, dass ihr nichts passiert, wenn sie mit der Leine kommt. Im Gegenteil: „Jetzt ist sie immer die Erste, die herkommt, wenn ich ‚Gassi!‘ rufe“, berichtet Stefanie Winter und lacht.

Denn Juli ist nicht der einzige Hund der Familie. Die schwarze Labradorhündin Kiki-Lou, die 2017 geboren wurde, kam schon als Welpe nach Unterweissach. „Ich wollte schon immer einen Hund“, sagt Stefanie Winter. Das ging lange Zeit aber nicht. Sie und ihr Mann waren beide berufstätig, die gelernte Krankenschwester hatte keine Zeit für einen Hund. Mit 29 Jahren wurde bei ihr allerdings Multiple Sklerose (MS) festgestellt. Und vieles, was vorher einfach ging, war plötzlich nicht mehr möglich. 2018 musste Stefanie Winter ihren Beruf aufgeben, sie ist mittlerweile in Frührente. „Mein Mann hat zu mir gesagt: ‚Komm, jetzt holen wir dir einen Hund‘, damit ich wieder eine Aufgabe habe“, erzählt sie. „Kiki-Lou war wirklich eine riesige Bereicherung für mich.“ Gleichzeitig sei die Hündin auch sehr fordernd, wolle ständig beschäftigt werden. „Klar, ein Labrador eben.“ Deshalb machte Stefanie Winter sich auf die Suche nach einer Spielgefährtin für Kiki-Lou. Diesmal sollte der Familienzuwachs aber nicht vom Züchter kommen. „Wir wollten ein Tier retten, dem es nicht so gut geht“, betont Stefanie Winter.

Als sie ein Bild von Juli im Internet sah, wusste sie sofort: „Die ist es!“ Doch bevor Juli nach Unterweissach durfte, musste erst einmal geklärt werden, ob sie sich mit Kiki-Lou versteht und zur Familie passt. Bei den ersten Besuchen knurrte Juli noch, wenn ihr jemand zu nahe kam. Aus Angst, weiß Stefanie Winter. Deshalb versuchte sie es weiter. „Von mir hat sie sich als Erstes streicheln lassen!“, sagt Louis stolz. Seine Mutter fügt hinzu: „Er und Kiki-Lou sind einfach zu ihr, obwohl sie geknurrt hat.“ Um sicherzugehen, dass Juli auch anders kann, ließ sie sich Videos von Juli von den Tierheimmitarbeitern zeigen, in denen sie mit Menschen zu sehen ist, denen sie vertraut. Die Kontrolle war nicht einseitig: Auch die Familie Winter wurde von Tierheimmitarbeitern zu Hause besucht. Sie überzeugten sich davon, dass es Juli dort gut gehen würde.

In den ersten Tagen in ihrem neuen Heim hielt Juli sich nur im Wohn- und Essbereich auf. Sie traute sich nicht weiter. Treppen steigen kann sie nicht. Weil Kiki-Lou und die Familie Winter im ersten Stock des Hauses schlafen, übernachtete Stefanie Winter anfangs mit den Hunden im Erdgeschoss. Mittlerweile wartet Juli darauf, abends nach oben getragen zu werden. Die Hündinnen verstanden sich auf Anhieb. „Die gab’s von da an nur noch im Doppelpack!“, sagt Stefanie Winter und lacht.

Wie auf Kommando rennen die beiden durch den Garten: Juli vorneweg, Kiki-Lou dahinter. „Da sieht man, was man mit Geduld und Liebe erreichen kann“, kommentiert Beate Iris Müller. Sie engagiert sich seit 2015 ehrenamtlich für den Verein „Tierhilfe Hoffnung“. Jede Woche, berichtet sie, bringe der Verein 60 bis 80 Hunde und Katzen aus Rumänien nach Deutschland.

Was Stefanie Winter noch üben möchte: Juli soll, wie ihre Spielgefährtin, auch ohne Leine spazieren gehen können. Aktuell ist das noch nicht möglich. „Sie hat einen sehr ausgeprägten Jagdtrieb. Sobald sie einen Hasen sehen würde, wäre sie weg“, ist sich Stefanie Winter sicher. Im Moment nimmt sie Juli deshalb nur an der langen Schleppleine mit nach draußen. Doch auch das, ist die Hundebesitzerin überzeugt, werde sie noch schaffen. Erst kürzlich war sie mit den Hunden auf einem Familiengeburtstag, bei dem auch viele kleine Kinder waren. Eine Herausforderung für Juli, der abrupte Bewegungen nicht ganz geheuer sind. „Aber sie hat das super gemacht!“ Im Sommer war die Familie zudem zehn Tage mit Kiki-Lou und Juli in einem Hundehotel – ein weiteres Erfolgserlebnis. „Wir mussten Juli einfach Zeit geben“, sagt Stefanie Winter. „Aber jetzt ist sie ein Traumhund. Wir würden es immer wieder genauso machen!“

Stefanie Winter (Hundebesitzerin),
über ihre ehemalige Straßenhündin Juli „Es ist der Wahnsinn, wie sie sich entwickelt hat.
Wir konnten sie anfangs nicht mal anfassen.“
Verein „Tierhilfe Hoffnung“

Welttierschutztag Der erste Welttierschutztag wurde 1931 beim internationalen Tierschutzkongress von Florenz für den 4. Oktober ausgerufen. Seither findet der Aktionstag jedes Jahr statt. Der 4. Oktober ist auch der Tag des Heiligen Franziskus von Assisi, des Schutzpatrons der Tiere.

Verein Der Verein „Tierhilfe Hoffnung – Hilfe für Tiere in Not“ wurde 1998 gegründet und ist seit 2000 in Rumänien aktiv. Das Hauptaugenmerk liegt auf der flächendeckenden Kastration von Straßen- und Haustieren. Der Verein ist mit Kastrationsmobilen auf dem Land unterwegs. Doch auch in der Stadt kastrieren die Tierärzte des Vereins kostenlos Hunde und Katzen, um zu verhindern, dass noch mehr Tiere auf der Straße enden. Dem Verein zufolge gibt es rund sechs Millionen Straßenhunde in Rumänien. Seit 2000 hat der Verein rund 195000 Tiere kastriert und zirka 35000 Hunde gerettet.

Tierheim Das „Smeura“ in Rumänien, das der Verein „Tierhilfe Hoffnung“ betreibt, ist das größte private Tierheim der Welt. Rund 5500 Straßenhunde leben dort, alle gerettet aus staatlichen Tierheimen, wo die Tiere laut dem Verein „Tierhilfe Hoffnung“ oft kein Futter oder Wasser bekommen. Zudem sollen sie nach 14 Tagen getötet werden, wenn sie niemand abholt. So besagt es das sogenannte Tötungsgesetz, das seit 2013 gilt. Auch zahlreiche Katzen leben im „Smeura“ nahe Pitești, rund zwei Stunden nordwestlich von Bukarest. Die Tiere
werden nicht direkt, sondern über deutsche Tierheime an neue Besitzer vermittelt.

Unterstützung Der Verein „Tierhilfe Hoffnung“ ist auf Spenden angewiesen. Wer die Tierschützer bei ihrer Arbeit unterstützen möchte, kann einen Spendenbeitrag per Paypal an kontakt@tierhilfe-hoffnung.de
überweisen. Auch Futterpatenschaften sind möglich. Infos: www.tierhilfe-hoffnung.com

Zum Artikel

Erstellt:
4. Oktober 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
So könnte der geplante neue Lebensmittelmarkt auf dem Festplatz neben dem Sportgelände aussehen. © CLP GmbH
Top

Stadt & Kreis

Netto kommt nach Althütte

Die Discounter Netto und Norma hatten Interesse bekundet, einen Lebensmittelmarkt auf dem Festplatz in Althütte zu bauen und zu betreiben. Der Gemeinderat gab nun der Firma Netto den Zuschlag. Ausschlaggebend waren die Rückmeldungen aus der Bevölkerung.

Unter dem Eindruck der Pandemie werden im Jahr 2020 die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats von Oppenweiler – damals noch in der Gemeindehalle – erstmals gestreamt. Archivbild: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Gemeinderatssitzungen im Livestream

Auch nach Ende der Pandemie werden die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats von Oppenweiler weiterhin online via Twitch übertragen. Entscheidend sind dabei der überschaubare Aufwand und die Bereitschaft der Gemeinderäte. In anderen Gemeinden ist das Zukunftsmusik.