Terrorangst in Australien
Ein Terrorangriff gilt als „wahrscheinlich“
Australiens Gesellschaft steht unter dem Druck globaler Krisen. Die erhöhte Terrorwarnstufe spiegelt diese Entwicklung.
Von Barbara Barkhausen
Australien scheint weit weg von den großen Konfliktherden dieser Erde zu sein. Trotzdem erhöhte die Regierung jetzt die Terrorwarnstufe – zum ersten Mal seit zwei Jahren. Ein Terrorangriff wird nun nicht mehr als „möglich“, sondern als „wahrscheinlich“ eingestuft. Sicherheitsbeamte warnen vor einem erhöhten Risiko der Gewalt „über alle ideologischen Grenzen hinweg“. Die Terrorgefahr wird in Australien mit einer fünfstufigen Skala beschrieben, wobei „nicht erwartet“ die niedrigste und „möglich“ die zweitniedrigste Bewertung ist. „Wahrscheinlich“ ist nun das mittlere Niveau, noch vor „erwartet“ und „sicher“.
Laut der offiziellen Regierungswebseite liegt die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs oder einer Planung für einen Angriff in den nächsten zwölf Monaten bei über 50 Prozent. Premierminister Anthony Albanese, der die veränderte Warnstufe in Canberra verkündete, betonte gleichzeitig aber, dass ein Angriff keineswegs unvermeidlich sei.
Der Premier ruft zur Mäßigung auf
Auch nach Aussagen von Geheimdienstexperten gibt es keine konkrete Bedrohung. Problematisch sei vielmehr die immer tiefer werdende Spaltung und zunehmende Polarisierung in Australien wie auch in anderen westlichen Ländern. Der soziale Zusammenhalt sei unter Druck geraten und die schwelenden Konflikte der Covid-Ära durch den Israel-Hamas-Konflikt noch einmal verschärft worden.
Albanese wandte sich mit einem Appell an die Politiker der Oppositionsparteien, auf ihre Sprache zu achten und sich „auf respektvolle Weise“ an der öffentlichen Debatte zu beteiligen. „Wenn die Temperatur im Sicherheitsumfeld steigt, müssen wir die Temperatur der Debatte senken“, so der Premier. „Unsere Worte und Taten zählen.“
Laut Regierung nimmt der Extremismus zu, angeheizt durch Verschwörungstheorien und regierungsfeindliche Ideologien. Zudem sei es leicht, in Australien an Waffen zu kommen. Laut dem Inlandsgeheimdienst Asio würde ein Terrorangriff vermutlich an einem überfüllten Ort in einer Großstadt und durch einen „Einzelakteur“ oder eine kleine Gruppe stattfinden. Im Voraus seien solche Aktionen schwer zu verhindern.
Der Chef von Asio, Mike Burgess, sagte, er habe bereits im Oktober davor gewarnt, dass eine emotional aufgeladene Sprache über den Konflikt im Nahen Osten die Spannungen in Australien anheizen könnte – und genau das passiere nun. Die Lage in Gaza sei nicht die Ursache für den Anstieg der Bedrohungslage, aber „ein wesentlicher Treiber“. Auf die Frage eines Reporters, ob bestimmte Gruppen, darunter jüdische Australierinnen und Australier, einem höheren Risiko ausgesetzt seien, räumte Burgess ein, dass dies ganz klar der Fall sei: „Ja, es gibt jede Menge Antisemitismus, aber gleichzeitig auch jede Menge Islamophobie.“
Bereits im April hatte eine Messerattacke auf einen Bischof in Sydney für Schlagzeilen gesorgt. Der Angriff ereignete sich kurz nach einem Amoklauf mit mehreren Toten in einem Einkaufszentrum, der im Gegensatz zu der Messerattacke nicht als Terrorangriff gewertet wurde. Gläubige konnten damals den Attentäter stoppen. Gemeinde- und Religionsführer meldeten sich danach zu Wort, um die angespannte Situation zu beruhigen.
Ein Islamist nimmt Geiseln und wird erschossen
Grundsätzlich sind Terrorattacken in Australien selten. Vor zehn Jahren hatte ein islamistischer Extremist ein Café in der Innenstadt in Sydney gestürmt und Angestellte und Besucher über 16 Stunden lang als Geiseln genommen. Er zwang sie, islamistische Flaggen in den Fenstern hoch zu halten und Nachrichten auf sozialen Medien hochzuladen. Die Geiselnahme wurde beendet, als die Polizei das Café stürmte, nachdem der Geiselnehmer den Manager des Cafés erschossen hatte. Bei dem Einsatz starben der Täter sowie eine weitere Geisel.