Ein Ultrarechter verlässt die AfD
Vor seinem Austritt hatte André Poggenburg längst Macht und Rückhalt verloren – Er will nun eine Partei gründen
Poggenburg galt als eines der beliebtesten Mitglieder der AfD und erhofft sich nun bei seiner regional ausgerichteten eigenen Partei Zuwachs von frustrierten Politikern.
Riesa/Berlin Die AfD verliert erneut eines ihrer ehemals einflussreichen und prominenten Parteimitglieder: Der frühere sachsen-anhaltinische Partei- und Fraktionschef André Poggenburg hat nach Disziplinarmaßnahmen gegen seine Person die AfD verlassen und will eine neue eigene Gruppierung namens „Aufbruch deutscher Patrioten Mitteldeutschland“ gründen. Der Austritt wurde aus der Bundesspitze bestätigt.
Der Vertreter des ultrarechten Flügels der Partei kommt mit dem Schritt einem möglichen Ausschlussverfahren gegen ihn zuvor. Zuletzt hatte der Bundesvorstand Poggenburg für zwei Jahre von allen Ämtern gesperrt, nachdem dieser zu Neujahr auf Twitter geschrieben hatte: „Den Mitbürgern unserer Volksgemeinschaft ein gesundes, friedliches und patriotisches 2019!“ Der Austritt lieferte auch bei der Europawahlversammlung der Partei, die am Freitagnachmittag im sächsischen Riesa begann, Gesprächsstoff.
André Poggenburg gehörte zwar nie zur Bundesspitze, galt aber mit einem Wahlergebnis von 24 Prozent in Sachsen-Anhalt lange als einer der erfolgreichsten Politiker der Partei und als Vertreter der ultrarechten Parteigruppierung Der Flügel, in dem er aber zuletzt an Einfluss verloren hatte. Der einstige Vertraute des thüringischen Landeschefs Björn Höcke versuchte immer wieder, die Grenze des im politischen Raum Sagbaren durch Provokationen nach rechts auszuloten. Nach einer Aschermittwochsrede, in der er in Deutschland lebende Türken als „Kameltreiber“ und „Kümmelhändler“ bezeichnet hatte, die „hier nichts zu suchen“ hätten, musste Poggenburg sein Amt als Landes- und Fraktionschef abgeben. Sein Fehlverhalten hatte damit ein neues Ausmaß erreicht. Kurz vor Poggenburgs Austrittserklärung sei ein Antrag auf Ausschluss „an den Vorstand herangetragen worden“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Robert Farle.
Poggenburg selbst begründete seinen Austritt gegenüber der „Welt“ damit, dass die AfD Wahlversprechen gebrochen habe. Er kritisiere, dass seine Partei mit Hysterie auf die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz reagiere, zitiert der „Spiegel“ aus einer Mail an den Bundesgeschäftsführer der Partei. Poggenburg kündigte die Parteigründung an, indem er ein Parteilogo des „Aufbruchs deutscher Patrioten“ zeigte und auf einer Facebook-Seite zu einem Neujahrsempfang einlädt. Das Logo trägt in seiner Mitte eine blaue Kornblume – ein Erkennungszeichen, das die Nationalsozialisten in der Zeit ihres Verbots in Österreich trugen und das heute auch weiterhin gerne von bekennenden Rechtsnationalisten verwendet wird.
Es wäre nicht die erste Neugründung eines abtrünnigen ehemals einflussreichen Parteimitgliedes – allerdings die erste rechts der AfD. Die ehemaligen Parteivorsitzenden Bernd Lucke und Frauke Petry hatten die Partei im Sommer 2015 respektive Herbst 2017 mit der Begründung verlassen, die Partei sei nach rechts gerückt und jeweils neue Parteien gegründet. Keine Abspaltung hatte bisher Erfolg. Das könnte bei Poggenburgs Projekt anders sein – es soll offenkundig regional begrenzt sein und könnte Heimat für frustrierte Parteimitglieder werden.
Beim Parteitag in Riesa war der Austritt zunächst nicht offiziell Thema. In seiner Auftaktrede verurteilte der Parteichef Jörg Meuthen den Angriff auf den Bremer AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz und griff die anderen Parteien scharf an. Mit Blick auf die Debatte über den Verfassungsschutz sagte Meuthen: „Uns will man unter Beobachtung stellen, um uns loszuwerden und auch um vom eigenen verfassungsfeindlichen Treiben abzulenken.“ Mehrere Hundert Delegierte sind für vier Tage zusammen gekommen, um die verbleibenden Listenplätze für die Europawahl zu vergeben und über das Wahlprogramm abzustimmen.