„Ein unsäglicher Tag für den Deutschen Bundestag“

Nachdem in Sachen Impfpflicht keine Einigung erreicht wurde, ziehen die beiden Wahlkreisabgeordneten Bilanz.

Die Impfpflicht konnte keine Mehrheit bekommen. Archivfoto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Impfpflicht konnte keine Mehrheit bekommen. Archivfoto: A. Becher

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Zufrieden ist keine der beiden Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Backnang nach den gestrigen Abstimmungen. „Das war ein unsäglicher Tag für den Deutschen Bundestag, ein Desaster“, laut die Bilanz von Inge Gräßle (CDU), nachdem keiner der vier Anträge in Sachen Impfpflicht im Gremium angenommen wurde. Verwunderlich sei es nicht, da noch nicht einmal die Regierung eine Mehrheit erreichen konnte. „Aber es stimmt mich nachdenklich, dass wir nun ohne Lösung dastehen.“ Gräßle selbst hat sich bereits im Vorfeld der Abstimmung klar für den Vorschlag aus der Unionsfraktion für ein Impfregister im Rahmen eines Impfvorsorgegesetzes ausgesprochen.

„Ein unsäglicher Tag für den Deutschen Bundestag“

© Thomas Zehnder

Auch Ricarda Lang (Grüne) zufolge war es „kein guter Tag – weder für das Parlament noch für das Land“. Angesichts der anhaltenden Pandemie sei eine vorausschauende Politik gefordert, diese habe sich am gestrigen Tag nicht durchsetzen können. Lang hatte sich in der Vergangenheit deutlich für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ausgesprochen und daher den Kompromissvorschlag der Ampelregierung für eine Impfpflicht ab 60 Jahren unterstützt. Viele Bürgerinnen und Bürger hätten sich an sie gewandt mit dem Wunsch, dass der Bundestag die Impfpflicht auf den Weg bringt, berichtet die Bundesvorsitzende der Grünen. Ganz anders schildert hingegen Inge Gräßle die Resonanz aus der Bevölkerung: „In den letzten Wochen habe ich weit über 2000 E-Mails bekommen, die mich – teil höflich, teils drohend – dringend aufgefordert haben, keiner allgemeinen Impfpflicht zuzustimmen. Seit einigen Tagen rufen außerdem noch Dutzende Bürgerinnen und Bürger an.“ Zudem habe sie selbst Anhörungen zum Thema gemacht sowie an Parlamentsanhörungen dazu teilgenommen. „Viele machen sich massive Sorgen“, so die CDU-Abgeordnete.

Ricarda Lang

Ricarda Lang

Den Vorschlag der Regierungsparteien empfand Gräßle als „immer noch zu starr und unflexibel, um auf die Herausforderungen der Zukunft zu reagieren, die wir heute noch gar nicht kennen“. Sie wirft der Regierung vor, viel zu lange gewartet zu haben, bis sie das Thema aktiv angegangen ist. Außerdem bemängelt sie, dass nicht alle Daten rund um das Thema Impfen transparent zugänglich gemacht würden. Das trage dazu bei, dass sich Gerüchte zu angeblichen Impfschäden verbreiten.

Ricarda Lang wiederum sieht die Fehler an anderer Stelle: Die Union habe bei der Abstimmung Parteitaktik über verantwortungsvolles Handeln gestellt. „Es war ihnen wichtiger, der Ampel eins mitzugeben, als die Menschen in Deutschland zu schützen.“ Allerdings kritisiert auch sie den Zeitpunkt der Abstimmung. In Zeiten, in denen die Coronazahlen steigen – also im Herbst und Winter – sei die Bereitschaft zu politischem Handeln groß. Nun, da mit dem Frühling eine Entspannung winke, sei diese zerrieben worden.

Wie aber geht es nun weiter? Wird ein neuer Kompromiss gesucht? Beide Wahlkreisabgeordneten haben wenig Hoffnung hierauf. „Ich glaube erst einmal nicht, dass wir einen neuen Anlauf unternehmen werden“, so Lang. Sie sieht nun die Aufgabe der Regierung darin, die Impfzentren zu stärken und die Aufklärungskampagne voranzutreiben. „Nun heißt es: Zurück auf Start“, sagt Gräßle. Ihrer Ansicht nach ist das Gesundheitsministerium in der Pflicht. Vorrangig müsse nicht über das Für oder Wider einer Impfpflicht diskutiert werden, sondern Lösungen für die Fragen gefunden werden: Wie kann man feststellen, wer geimpft ist? Wann muss eine neue Impfkampagne angestoßen werden? Und: Steht bis dahin genügend geeigneter Impfstoff zur Verfügung? Das hätte ein Impfregister leisten können, ist sie sich sicher. Nun müsse es ohne gehen.

Foto: privat Foto: Thomas Zehnder

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Erstellt:
8. April 2022, 06:00 Uhr

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