Ein Waschbär kommt selten allein

Mitte Juli findet Larissa Kopp aus Allmersbach im Tal beim Spazierengehen ein verwaistes Waschbärjunges. Das Problem: Die Tiere gelten als invasive Art, man darf sie nicht einfach wieder aussetzen. Also nimmt Kopp den Waschbären auf. Mittlerweile sind zwei weitere dazugekommen.

Waschbären sind extrem neugierig. Eine so große Kamera hat Frieda noch nie aus der Nähe gesehen. Die muss natürlich inspiziert werden! Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Waschbären sind extrem neugierig. Eine so große Kamera hat Frieda noch nie aus der Nähe gesehen. Die muss natürlich inspiziert werden! Fotos: A. Becher

Von Melanie Maier

Allmersbach im Tal. Waschbär Freddy kommt nicht unter dem roten Bettbezug hervor. „Fremden gegenüber ist er sehr schüchtern“, erklärt Larissa Kopp. Dafür sind seine beiden Mitbewohnerinnen Frieda und Wilma alles andere als zurückhaltend. Die zwei Waschbärmädchen untersuchen die Schuhe der Besucher mit ihren kleinen Pfoten, ziehen sich an der Kameratasche hoch und knabbern am Schreibblock. Mal gucken, wie der schmeckt!

„Waschbären sind sehr verfressen und extrem neugierig“, sagt Larissa Kopp. Dass in der grünen Box, die sie in der Hand hält, Nüsse sind, das haben Frieda und Wilma natürlich gleich bemerkt. Die zwei klettern geschwind an Larissa Kopps Jeans hoch, versuchen, an die Leckereien zu kommen. Nachdem sie gefressen haben, waschen sie ihre Pfoten manierlich in einer Wasserschüssel auf dem Balkon – unglaublich niedlich! Das Wasser muss Larissa Kopp täglich reinigen. „Sie waschen wirklich alles damit – ihre Hände, ihr Fressen und ihr Spielzeug“, berichtet die 29-Jährige aus Heutensbach. Spielsachen haben die drei Waschbären nicht zu wenige in ihrem Raum liegen. Kindergummistiefel, ein Ball, ein Birkenstamm, eine alte Jacke – die Tiere wollen beschäftigt werden. Ungefähr zwei Stunden täglich versucht Larissa Kopp, mit ihnen zu verbringen. Das geht nur, weil sie im Moment nicht arbeitet und ihre Ausbildung als Heilpraktikerin vorübergehend pausiert. „Wenn die drei nicht beschäftigt werden, reißen sie einem die Tapete von den Wänden“, betont sie und fügt hinzu: „Und sie bleiben Wildtiere. Das merkt man, wenn sie hungrig oder ängstlich sind.“

Verwaiste Waschbären haben neues Zuhause

Alles, was sie über die Tiere weiß, hat sie in den vergangenen Monaten gelernt. Mitte Juli hat Larissa Kopp Freddy beim Spaziergang mit ihren zwei Söhnen entdeckt. Der Dreijährige fand ihn in einer abgemähten Wiese: „Mama, da ist eine kleine Katze!“ „Wir haben alle noch nie einen Waschbären gesehen“, erklärt Larissa Kopp. Zuerst ließ sie das Waschbärjunge liegen. Doch als es nach einer halben Stunde immer noch am selben Ort war, warf sie kurzerhand eine Decke über das Tier und fuhr mit ihm zur Tierärztin. Freddy, wie sie den Waschbären seither nennt, war erst sechs oder sieben Wochen alt, abgemagert und voller Zecken. „Er sah ziemlich geschwächt aus. In dem Alter sollte er eigentlich noch von seiner Mutter gesäugt werden. Hätten wir ihn nicht mitgenommen, wäre er verhungert“, erinnert sie sich. Die Tierärztin sagte ihr: „Entweder Sie lassen ihn vom Jäger abholen und erschießen oder Sie müssen ihn behalten. Den werden Sie nicht mehr los!“

Für die Waschbärhaltung geltenhohe Auflagen

Sie sollte recht behalten. Immer wieder rief Larissa Kopp bei Wildtierparks, Tierheimen und Zoos an, um ein neues Zuhause für Freddy zu finden. Erfolglos. „Keiner wollte oder konnte ihn aufnehmen“, sagt sie. Also entschloss sie sich, ihn zu behalten. Denn die Alternative, ihn töten zu lassen, kam für sie nicht infrage. Einfach wieder aussetzen darf man zugelaufene Waschbären in Deutschland nicht. Sie gelten als invasive Art in Europa, als Tiere, die nicht von hier sind und heimische Arten bedrohen.

Für die Waschbärhaltung gelten hohe Auflagen. Zum einen müssen die Tiere geimpft, gechippt, kastriert werden. „Schon mit den ersten Tierarztbesuchen waren wir um die 650 Euro los“, sagt Larissa Kopp. Zum anderen darf man Waschbären nicht alleine halten und sie brauchen ein Gehege, das bestimmten Anforderungen entspricht. Nicht zuletzt braucht man die Zulassung des zuständigen Forstamts, Veterinäramts und der Naturschutzbehörde. Was für eine riesige Aufgabe das ist, sei ihr am Anfang gar nicht bewusst gewesen, so Larissa Kopp.

Wenn Larissa Kopp Nüsse mitbringt, können Frieda und Wilma nicht widerstehen.

© Alexander Becher

Wenn Larissa Kopp Nüsse mitbringt, können Frieda und Wilma nicht widerstehen.

Damit Freddy Gesellschaft hat, sind im August Wilma und Frieda dazugekommen. Die beiden wurden als drei Tage alte Babys gefunden und mit der Flasche aufgepäppelt. „Zum Glück haben sich die drei gleich gut verstanden“, sagt Larissa Kopp. Als sie im Internet nach Freunden für Freddy suchte, habe sie Anfragen von Menschen aus ganz Deutschland bekommen, sagt sie. „Manche Leute wären sogar aus Berlin hergefahren, um ein Heim für ihre Tiere zu finden. Ihnen geht es wie mir – sie werden sie nicht los.“

Nachdem Freddy die ersten Julitage in einem unbenutzten Badezimmer verbracht hatte, richteten Larissa Kopp und ihr Mann Thomas ihm vorübergehend ein Zimmer mit Balkon im ersten Stock ein. „Unser Haus wird kernsaniert, der erste Stock ist erst nächstes Jahr dran“, erklärt sie. Das Zimmer ist aber nur eine Zwischenlösung. Ende Oktober möchten Larissa und Thomas Kopp ihre Gartenhütte als Notlösung für den Winter umbauen. Das soll rund 5000 Euro kosten. Den Großteil, ist sich Larissa Kopp sicher, können sie aus eigener Tasche bezahlen. Ihr Fahrrad hat sie schon verkauft, Kleidung, Spielsachen und eine Waschmaschine möchten sie noch online versteigern. Für ein dauerhaftes Heim muss aber noch etwas mehr zusammenkommen, deshalb wirbt Larissa Kopp auf Facebook um Spenden (siehe Infokasten). Ungefähr 10000 Euro soll das Außengehege kosten, das rund 200 Quadratmeter umfassen und von einem rund 1,20 Meter hohen glatten Laminatzaun umgeben sein soll. Dort sollen Freddy, Wilma und Frieda bleiben können.

Unterstützung Wer Larissa Kopp und ihre Familie beim Bau eines Waschbärgeheges unterstützen möchte, kann ihnen eine Spende zukommen lassen. Das geht per Paypal an waschbaerenrettung@posteo.de oder per Überweisung ans Spendenkonto N26 Bank GmbH, BIC: NTSBDEB1, IBAN: DE92100110012627003374. Mehr Infos zu Freddy, Wilma und Frieda bekommt man auf Larissa Kopps Facebook-Seite unter https://www.facebook.com/WaschbaerenAllmersbach. Wie die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg die Wildtierpopulation in Schach halten will, erfährt man unter https://tinyurl.com/4nnkpaad.

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Erstellt:
24. September 2021, 06:00 Uhr

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