Ein Wellnesshotel für Tauben

Um die Population der Vögel in Backnang zu reduzieren, rüstet die Stadt ihre Taubenschläge auf. Ziel ist, dass mehr Tiere als bisher in den Nistplätzen brüten. Dort werden ihre Eier dann gegen Attrappen aus Gips oder Plastik getauscht.

Taube im Anflug: Im Backnanger Rathaus bekommen die Vögel einen Rundumservice, jedoch keinen Nachwuchs. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Taube im Anflug: Im Backnanger Rathaus bekommen die Vögel einen Rundumservice, jedoch keinen Nachwuchs. Fotos: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Ob auf dem Markusplatz in Venedig oder am Trafalgar Square in London – Tauben gehören vielerorts zum Stadtbild. Auch in Backnang haben sich die gefiederten Mitbewohner stark ausgebreitet, was weder bei der Verwaltung noch in der Bevölkerung gut ankommt. Denn die Hinterlassenschaften der Vögel verschmutzen Hausfassaden und Plätze. Außerdem zeigen Stadttauben kaum Scheu vor Menschen und belästigen zum Beispiel die Gäste in der Außengastronomie.

Die Backnanger Stadtverwaltung hat darauf bereits vor 15 Jahren reagiert und zwei Taubenschläge in den Dachstühlen des Verwaltungsgebäudes am Stiftshof und der Schillerschule eingerichtet, 2009 kam ein dritter im historischen Rathaus hinzu. Ziel dieser Maßnahme: Die Tiere mit Futter anzulocken, damit sie in den Taubenschlägen brüten. Legen die Vögel dort ihre Eier, werden diese heimlich gegen Attrappen aus Gips oder Plastik ausgetauscht. So sollte der Bestand spürbar sinken. Andere Städte hatten mit dieser Form der „Geburtenkontrolle“ bereits gute Erfolge erzielt. So soll sich etwa die Taubenpopulation in Esslingen um zwei Drittel reduziert haben.

In Backnang blieb der große Effekt jedoch aus. Zwar tauschte der von der Stadt beauftragte Mitarbeiter des Maschinenrings im vergangenen Jahr 237 Eier aus; allerdings ist auch festzustellen, dass viele Tauben weiterhin andere Nistplätze wählen und sich somit unkontrolliert vermehren. Deshalb lud Oberbürgermeister Maximilian Friedrich Mitte April zu einem runden Tisch ins Rathaus ein. Mit dabei war auch Horst Müller aus Esslingen, der von seinen Erfahrungen als ehrenamtlicher Taubenwart in der Neckarstadt berichtete. Dabei zeigte sich: Will die Stadt mehr Vögel in ihre Taubenschläge locken, muss sie ihnen mehr bieten. Wie bisher einmal pro Woche Futter und Wasser aufzufüllen ist zu wenig.

Neues Futter, Sandbad undeine Lampe mit UV-Licht

„Die Fütterung muss täglich erfolgen, vor allem am Anfang“, erklärt Ellen Müllner. Die Tierschützerin aus Backnang hat diese Aufgabe vorerst ehrenamtlich übernommen und schaut nun jeden Tag in den Taubenschlägen vorbei. Es reiche auch nicht, Futterstellen in den Taubenschlägen einzurichten; die Vögel müssten bereits von außen erkennen können, dass sie hier etwas zu fressen finden. Deshalb wurden vor den Fenstern neue Bretter montiert, auf denen Müllner nun regelmäßig Futter ausstreut. Auch der Menüplan wurde verändert: Das neue Futter enthält nun Maiskörner und getrocknete Erbsen – für Tauben offenbar eine besondere Leckerei.

Auch in den Taubenschlägen wird nachgerüstet: Dort wurden zum Beispiel neue Sitzbretter montiert, deren Form an einen Dachfirst erinnert. „So haben die Tauben ihre gewohnte Sitzposition“, erklärt Andreas Stier, der das städtische Hochbauamt leitet. Auch eine Vogellampe mit UV-Licht wurde im Rathaus installiert – „für die Partystimmung“, wie Stier lachend kommentiert. In einer Schale mit Sand können die Vögel ein Sandbad nehmen.

Stadtrat Gerhard Ketterer (CDU) fühlt sich bei solchen Schilderungen beinahe an ein Wellnesshotel erinnert und liegt damit gar nicht so falsch. „Wir müssen es für die Tauben so angenehm wie möglich machen, damit sie in unseren Taubenschlägen brüten“, erklärt Andreas Stier. Dazu gehört auch, dass die bisher offenen Nistregale einen Sichtschutz aus vorgenagelten Brettern bekommen, denn Tauben legen beim Brüten offenbar Wert auf Privatsphäre. Auch die Intervalle, in denen ein Dienstleister die Taubenschläge reinigt, werden verkürzt.

Mittelfristig wolle die Stadt für die Betreuung der Taubenschläge sogar eine neue Stelle auf Minijobbasis schaffen, erklärt Andreas Stier. „Unser Ziel ist es, die Population dadurch so zu reduzieren, dass die Tauben in Backnang nicht mehr als Belästigung empfunden werden“, erklärt der Hochbauamtsleiter. Er hoffe auch darauf, dass die Taubenpopulation am Busbahnhof zu einem „Umzug“ in den Taubenschlag an der benachbarten Schillerschule bewegt werden kann. Im Bahnhofsbereich hatten sich die gefiederten Stadtbewohner zuletzt besonders stark ausgebreitet.

Ein weiterer „Hotspot“ ist das Behördenzentrum im Biegel. Dort haben die Tauben die Fotovoltaikanlage auf dem Dach als Treffpunkt ausgewählt und nisten teilweise in den Zwischenräumen zwischen Dach und Solarmodulen. In der Verwaltung ist man deshalb auf der Suche nach einem Standort für einen vierten Taubenschlag in diesem Bereich. Sobald dieser in Betrieb geht, sollen dann alle Lücken an der Solaranlage verschlossen werden, in der Hoffnung, dass dieser Platz für die Vögel dadurch so uninteressant wird, dass sie ihn künftig meiden.

Ellen Müllner betreut ehrenamtlich die drei Backnanger Taubenschläge. Sie füttert die Vögel täglich und tauscht ihre Eier gegen Gipsattrappen.

© Alexander Becher

Ellen Müllner betreut ehrenamtlich die drei Backnanger Taubenschläge. Sie füttert die Vögel täglich und tauscht ihre Eier gegen Gipsattrappen.

Taubenbekämpfung

Vergrämung Um Tauben von einem bestimmten Platz oder Gebäude zu verjagen, gibt es verschiedene Möglichkeiten wie Netze, Spikes oder abgeschrägte Kanten. Allerdings sind Tauben intelligent und finden oft Lücken in diesen Abwehrsystemen.

Falken Die Ansiedlung von Falken kann ebenfalls zur Reduzierung des Taubenbestands beitragen, allerdings ist der Effekt laut Andreas Stier eher gering. Denn Falken haben ein großes Revier und fressen nicht mehr als eine Taube pro Woche.

Fütterungsverbot Die Größe der Taubenpopulation hängt maßgeblich vom Futterangebot ab. In Backnang gilt deshalb wie in vielen Städten ein Fütterungsverbot. Ebenso wichtig ist, dass Essensreste im Bereich von Imbissbuden, Restaurants und Eisdielen möglichst rasch entfernt werden.

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Erstellt:
11. Mai 2022, 06:00 Uhr

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