Eine giftige Pflanze auf dem Vormarsch: Das Jakobskreuzkraut

Im Kreis ist eine starke Zunahme der heimischen Pflanze namens Jakobskreuzkraut zu verzeichnen. Das Landratsamt hat daher den Mähzyklus des Straßenbetriebsdiensts angepasst. Naturschützer sehen auch Vorteile des Krauts, da es an schwierigen Standorten wachsen kann.

Ein Mitarbeiter vom Straßenbetriebsdienst des Rems-Murr-Kreises entfernt händisch Jakobskreuzkraut am Straßenrand. Foto: RMK

Ein Mitarbeiter vom Straßenbetriebsdienst des Rems-Murr-Kreises entfernt händisch Jakobskreuzkraut am Straßenrand. Foto: RMK

Von Anja La Roche

Rems-Murr. Das Jakobskreuzkraut ist hier schon lange heimisch. Neu ist aber sein extrem starkes Auftreten. Immer stärker breitet sich die giftige Pflanze, auch unter dem Namen Jakobs-Greiskraut bekannt, im Rems-Murr-Kreis aus. Eine besorgte Bewohnerin aus Oppenweiler will dabei nicht untätig zusehen und versucht, das Kraut zumindest in ihrer Heimat aufzuhalten. In ihrer Gemeinde wirbt sie dafür, die Bevölkerung besser aufzuklären und für die Problematik zu sensibilisieren. „Wenn wir gemeinsam agieren, gibt es eine Chance, die Pflanze einzudämmen“, sagt Melanie Bracher. Wie die Landwirtschaftskammer von Nordrhein-Westfalen, wo die Pflanze sich ebenfalls breitmacht, berichtet, enthält diese Wirkstoffe, die zu einer chronischen Lebervergiftung führen können. Dabei handelt es sich um verschiedene Pyrrolizidinalkaloide. Besonders für Pferde und Rinder ist dies eine Gefahr, aber auch Menschen sollten nicht in Kontakt mit ihnen kommen (siehe Infokasten).

Seit 2011 wohnt Bracher in Oppenweiler. Die medizinische Fachangestellte hat erstmals 2015 von der Pflanze gelesen, 2018 hat sie sie in ihrem Garten entdeckt. „Dann habe ich gemerkt, das wächst in unserer Straße zuhauf.“ Um dagegen vorzugehen, habe sie es in ihrem Umfeld beseitigt, darunter auch am Bahnhof Oppenweiler. Im Jahr darauf sei es bereits weniger gewesen. „Ich habe gesehen, wie viel Erfolg das konsequente Entfernen bringt“, so Bracher. Daher appelliert sie dringend, Privatpersonen besser aufzuklären, damit sie das Kraut im Garten entfernen. Aber auch im öffentlichen Raum müsse in den nächsten drei bis vier Jahren mehr getan werden.

Die Kreisverwaltung versucht, mit neuem Mähkonzept die Pflanze einzudämmen

2021 hat Bracher in einer Sitzung in ihrer Gemeinde das Problem angesprochen. „Ein Großteil hat dort nichts von der Pflanze gewusst.“ Inzwischen laufe die Zusammenarbeit mit dem Bauhof ganz gut.

Auch das Landratsamt geht inzwischen gegen das Kraut vor. Laut einer Pressemitteilung vom 18. August haben sich verschiedene Experten für Straßenbau, Landwirtschaft und Naturschutz im Landratsamt zusammengesetzt und ein Konzept erarbeitet. „Lange Abschnitte mit Jakobskreuzkraut werden mit einem speziellen Grünpflegemähkopf gemulcht und abgesaugt. Dieser nimmt das Schnittgut besonders insektenfreundlich auf und verhindert das Aussamen von Pflanzen“, heißt es. An hochkonzentrierten Stellen sollen die Pflanzen händisch samt Wurzel entfernt und fachgerecht entsorgt werden.

Melanie Bracher geht das Entfernen der Pflanze bislang zu langsam voran. In Strümpfelbach, Backnang-Heiningen sowie im Gewerbegebiet Lerchenäcker – überall fallen ihr die gelben Blüten auf. Mit langer Hose, Handschuhen und eigenen Ausstechgeräten investiert sie viele Stunden in deren Entfernung. Für ältere Menschen in ihrer Nachbarschaft entfernt sie die Pflanze samt Wurzel aus dem Garten, wenn diese sich nicht mehr in der Lage dazu sehen.

Das Jakobskreuzkraut könnte auch zu einem Problem für hiesige Imker werden. „Bienen können nicht unterscheiden, ob eine Pflanze giftig ist oder nicht“, erklärt Bracher. „Sie tragen die Giftstoffe in den Honig.“ Werden die Schadstoffe dort festgestellt, müsse der Imker seine ganze Charge vernichten. „Ich möchte an das Ausmaß, was das in Zukunft für private Imker bedeuten könnte, gar nicht denken“, so Bracher.

Der Imker Julian Conrad aus Aspach hatte bislang noch Glück. Er lässt, wie es Vorschrift ist, seinen Honig in einem Labor untersuchen. Bislang lag in seinem Produkt der Anteil giftiger Stoffe nie über dem Grenzwert. „Es kommt auf die Masse vom Kraut an, wie viel blüht“, so Conrad. Das könnte seiner Meinung nach zukünftig zu einem Problem werden, wenn sich das Jakobskreuzkraut weiter verbreitet. Der Imker wünscht sich, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt. „Es ist noch nicht so publik.“

Vereinzelt entfernen lokale Verbändedes Nabu das Jakobskreuzkraut

Vereinzelt gibt es Aktionen von den lokalen Nabu-Vereinen, um das Kraut zu entfernen. Kreisweite Aktionen gibt es allerdings nicht, teilt der Nabu Rems-Murr mit. Denn ob die Pflanze zum Problem würde, hänge damit zusammen, ob beispielsweise Pferdehöfe vor Ort sind und daher eine konkrete Bedrohung für die Tiere besteht. Ein Sprecher des Nabu Rems-Murr betont allerdings auch die gute Seite des Gewächses: Es fühle sich auch auf gestörten Standorten wohl, wo sonst gar keine Blüte stehen würde, beispielsweise am Straßenrand oder auf Streuobstwiesen, wo nicht gemäht wird. Auf diesen Flächen breitet sich das wie Löwenzahn aussamende Jakobskreuzkraut aus – was wiederum gut für die Bienen ist. Denn für diese liefern die gelben Blüten Nahrung, leberschädigende Stoffe hin oder her.

Es gibt auch Stimmen, die die Verbreitung des heimischen Jakobskreuzkrauts für unproblematisch halten. Hermann Spiess, der die botanischen Aktionen des Nabu im Kreis koordiniert, spricht von einer Überdramatisierung. „Das ist ja kein Gift“, sagt er. Es führe eben nur langfristig zu einer Lebervergiftung, vor allem bei Pferden. Ihm machen da andere Pflanzen wie die Ambrosia mehr Sorgen. Diese rufe Allergien bei Menschen hervor.

Vor ein paar Jahren hatte das Thema noch kaum jemand auf dem Schirm

Dennoch gehen bei den Behörden immer mehr besorgte Anfragen ein. „Wir werden zunehmend mit dem Thema konfrontiert, sei es durch Landwirte, durch Hobbytierhalter oder durch Privatpersonen. Vor ein paar Jahren war das noch kein Thema“, teilt Leonie Graf, Sprecherin beim Landratsamt, mit. Die Hauptblütezeit ist Juli bis August und neigt sich für dieses Jahr dem Ende zu. Bracher hat allerdings bereits eine Menge Ideen für nächstes Jahr, wie man die Pflanze gemeinsam eindämmen könnte: Laut ihr sollten etwa die Schulen miteinbezogen werden und auch Aktionen im Rahmen der jährlichen Kreisputzete hält sie für denkbar.

Eine giftige Pflanze auf dem Vormarsch: Das Jakobskreuzkraut

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Die Gefahren des Jakobskreuzkrauts und anderer Giftpflanzen

Vieh Die Landwirtschaftskammer NRW warnt davor, das Jakobskreuzkraut zu verfüttern. Da die leberschädigenden Stoffe der Pflanze kumulativ wirken, ist ihre Gefahr nicht zu unterschätzen. Pferde und Rinder etwa reagieren empfindlicher als Schafe und Ziegen. Die giftigen Alkaloide sind auch noch im Heu und Silofutter enthalten.

Bekämpfung Die Samenbildung der Pflanze muss verhindert werden. Betroffene Flächen sollten spätestens bei Blühbeginn gemäht werden. Bei Einzelpflanzen ist die mechanische Bekämpfung durch Ausreißen oder Ausstechen die sicherste und wirksamste Methode.

Hautreizungen Wenn man direkten Kontakt mit dem Jakobskreuzkraut hat, verursacht dieses schmerzhafte Hautreaktionen. Zur eigenen Sicherheit sollte man daher beim Entfernen Schutzhandschuhe und lange Hosen tragen.

Weitere Giftpflanzen Das Landratsamt Rems-Murr-Kreis bekommt die meisten Anfragen zum Riesen-Bärenklau, der bei Berührung verbrennungsähnliche Symptome hervorrufen kann. Auch zur Herbstzeitlosen, die giftige Alkaloide enthält, kommen immer wieder Anfragen rein. Im Wald wächst zudem die giftige Tollkirsche, Vergiftungen im Kreis sind keine bekannt. Hermann Spiess vom Nabu sieht besonders die allergene Ambrosia als Problem.

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Erstellt:
30. August 2022, 06:00 Uhr

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