Eine Minderheit in der Kommunalpolitik

Eine Analyse der Gemeinderäte im Rems-Murr-Kreis zeigt: Auf drei Männer kommt nur eine Frau – Murrhardt ist Schlusslicht

Einzige Frau im Murrhardter Gemeinderat: Susanne Barreuther.

Einzige Frau im Murrhardter Gemeinderat: Susanne Barreuther.

Von Lea Krug

WAIBLINGEN. Eine große Mehrheit in den Kommunalparlamenten ist männlich. Mit knapp über einem Viertel Frauen in den Gemeinderäten hat der Rems-Murr-Kreis, im Vergleich mit dem gesamten Ländle, einen verhältnismäßig hohen Frauenanteil. Baden-Württemberg kommt auf einen Durchschnitt von 22 Prozent Frauen in den kommunalen Parlamenten. Eine Analyse des Kreises ergab, dass es besonders wenige Frauen in Murrhardt, Großerlach, Alfdorf und Allmersbach im Tal sind. Dort sind weniger als 15 Prozent der Gemeinderäte weiblich. Es geht aber auch anders: In Backnang, Waiblingen und Kaisersbach sind besonders viele Frauen in der Kommunalpolitik vertreten. Mit der Größe der Kommune nimmt die Quote an Frauen zu. Die Städte Backnang, Fellbach, Murrhardt, Schorndorf, Waiblingen, Weinstadt, Welzheim und Winnenden kommen im Schnitt auf fast 30 Prozent Frauen, während die Gemeinden bei 24,6 Prozent liegen. Murrhardt ist Schlusslicht hinsichtlich der Mandatsträgerinnen im Rems-Murr-Kreis und kommt auf einen Frauenanteil von 5,6 Prozent. Nur eine Frau sitzt unter den 18 Gemeinderäten.

Diese Frau ist Susanne Barreuther, die der Fraktion der CDU/Freien Wählervereinigung angehört. Kandidatinnen gab es bei der vergangenen Wahl mehrere, doch Barreuther war die Einzige, die gewählt wurde. Sie versucht derzeit, anderen Frauen in der Gemeinde Mut zu machen, für den Gemeinderat zu kandidieren. Nicht nur sie setze sich dafür ein, erzählt die Gemeinderätin, auch die Männer über alle Fraktionen hinweg versuchen, Frauen für ihre Listen zu gewinnen. Doch viele Frauen, die Barreuther anspricht, trauen sich die Aufgabe nicht zu, erzählt sie. Ihnen sagt die Bankkauffrau: „Was man im Gemeinderat wissen muss, kann man alles lernen.“ Den Männern, die neu dazukommen, würde es genauso gehen. Eine quotierte Liste ist ihrer Meinung nach der falsche Weg. „Wir brauchen Qualität statt Quoten“, sagt sie.

Bekanntheitsgrad ist bei der Wahl mit entscheidend

Auch in Großerlach ist Eva Pfeil die einzige Gemeinderätin. Für die Unabhängige Liste ist sie seit 2014 dabei. Sie fühlt sich nicht unwohl unter den Männern und sagt: „Ich kann mich durchaus behaupten.“ Scherzhaft erzählt sie, dass sie mit zwei Brüdern aufgewachsen sei, und ihr das bei ihrer Arbeit im Gemeinderat helfe. Trotzdem hofft sie, dass in Zukunft mehr Frauen dabei sind. Wenn es darum geht, wer gewählt wird, dann käme es besonders auf die Bekanntheit im Ort an, erklärt die Bürokauffrau. Da ihre Familie seit Generationen in Großerlach engagiert ist, schrieb sie extra ihren Mädchennamen mit auf den Wahlzettel, damit jeder wusste, wo sie „dazugehört“. Sie fordert die Bürger auf, aktiv Frauen zu wählen, und wirbt unter den Frauen im Ort, zu kandidieren. Auch die 32-jährige Pfeil sagt, dass es vielen Frauen an Mut fehle – und: „Das Interesse und Engagement, sich im Gemeinderat zu engagieren, ist niedrig.“ Doch nicht überall sind so wenige Frauen vertreten.

In Waiblingen sind mit 40,6 Prozent besonders viele Frauen in der Kommunalpolitik. Juliane Sonntag sitzt im Waiblinger Gemeinderat für die Fraktion der SPD, die durch ihren besonders hohen Frauenanteil auffällt. In der Fraktion sind vier von sieben Gemeinderäten weiblich, darauf ist Sonntag stolz. Ihr Rezept für einen hohen Frauenanteil: eine quotierte Liste, auf der abwechselnd Männer und Frauen stehen. Warum es in anderen Gemeinderäten teilweise so wenige Frauen sind? Sonntag geht davon aus, dass die Arbeit im Gemeinderat Frauen, die sich auch um den Haushalt und die Familie kümmern, abschreckt.

In Sachen Frauenanteil ist Backnang mit Waiblingen gleichauf, auch dort sind Frauen zu 40 Prozent vertreten. „Wir haben viele Frauen im Gemeinderat, die in der Stadt sehr bekannt sind, unter anderem beispielsweise eine Ärztin“, sagt Melanie Lang von den Grünen, die mit 29 die Jüngste im Gemeinderat ist. Sie vermutet, dass viele Bürger die Personen wählen, die sie selbst kennen, unabhängig vom Geschlecht. Kandidatinnen, deren Bekanntheitsgrad nicht allzu hoch ist, rät sie, einen Haustürwahlkampf zu machen. Frauen sollen bei Listenaufstellungen außerdem auch die vorderen Plätze einfordern. Die Gemeinderätin trat 2017 als Bundestagskandidatin der Grünen in Backnang an. In Kaisersbach sind mit 41,7 Prozent die meisten Frauen vertreten. „Frauen auf dem Land übernehmen immer mehr Verantwortung“, sagt die 49-jährige Alexandra Bäuerle, die nun seit zehn Jahren im Gemeinderat sitzt. Bis zur vergangenen Wahl seien es nur zwei Gemeinderätinnen gewesen, erzählt die Agraringenieurin. Sie sprach vor der Wahl 2014 aktiv andere Frauen an und forderte sie auf, zu kandidieren. Bäuerle hat eine Vermutung, was die Frauen in Kaisersbach in den Gemeinderat zieht: Während in anderen Gemeinden etwa in SPD- und CDU-Fraktionen gearbeitet wird, sind hier alle fraktionslos. „Es gibt hier kein Korsett und keine Fraktion, jeder darf frei abstimmen, das spricht offenbar die Frauen an“, sagt die 49-Jährige.

Info
In den Gemeinderäten

Allmersbach im Tal: 16 Männer, 2 Frauen

Althütte: 11 Männer, 3 Frauen

Aspach: 14 Männer, 4 Frauen

Auenwald: 14 Männer, 4 Frauen

Backnang: 15 Männer, 10 Frauen

Burgstetten: 10 Männer, 2 Frauen

Großerlach: 9 Männer, 1 Frau

Kirchberg a. d. Murr: 10 Männer, 4 Frauen

Murrhardt: 17 Männer, 1 Frau

Oppenweiler: 11 Männer, 3 Frauen

Spiegelberg: 8 Männer, 2 Frauen

Sulzbach a. d. Murr: 10 Männer, 4 Frauen

Weissach im Tal: 13 Männer, 5 Frauen

Zum Artikel

Erstellt:
8. März 2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen