Eine Passion für historische Grabmäler

Der Steinbildhauer Gerhard Groß hat in vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit historisch und kunstgeschichtlich wertvolle Grabmäler auf dem Stadtfriedhof restauriert. Anlässlich seines 50-Jahr-Meisterjubiläums wurde er dafür von der Stadt Backnang geehrt.

Gerhard Groß, hier mit seinem Sohn Axel, restaurierte 1978 das Grabmal von Ernst Riecker, dem Backnanger Apotheker und Kunstsammler, dessen wertvolle Druckgrafiken heute im GraphikKabinett des Helferhauses präsentiert werden. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Gerhard Groß, hier mit seinem Sohn Axel, restaurierte 1978 das Grabmal von Ernst Riecker, dem Backnanger Apotheker und Kunstsammler, dessen wertvolle Druckgrafiken heute im GraphikKabinett des Helferhauses präsentiert werden. Foto: A. Becher

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Für Gerhard Groß ist sein Beruf als Steinmetz und Steinbildhauer viel mehr als nur ein Broterwerb, er ist für ihn Passion und Lebensinhalt. Und das auch noch, nachdem er sich altershalber weitgehend aus dem Betrieb zurückgezogen und ihn an seinen Sohn Axel übergeben hat. Aus seinem über 50-jährigen Berufsleben weiß der 76-Jährige viele interessante und kuriose Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel von einer Aktion gegen Ende der 50er-Jahre. Damals reiste er als 14-jähriger Lehrling mit einer Gruppe Backnanger Junggärtner nach Baerenthal im Elsass, um einen verwahrlosten Friedhof mit Gräbern deutscher Soldaten wieder herzurichten. Sein Part war es, ein altes Denkmal aus Sandstein in einen Gedenkstein für den Friedhof umzuarbeiten. Die jungen Backnanger Handwerker wurden später in einer Veranstaltung mit dem Politiker Carlo Schmid für ihren Einsatz gewürdigt.

Das Engagement für Grabdenkmäler hat Gerhard Groß durch sein Berufsleben begleitet. So restaurierte er 1978 das Grabmal von Ernst Riecker. Groß reparierte die Schäden in dem Sandsteinmonument, das aus einer gebrochenen Säule und einem Sockel mit den Lebensdaten von Ernst Riecker besteht. Zudem versetzte er das Grabmal, das unter zwei großen Thujabäumen stand, um es vor der Zersetzung durch herabfallende Pflanzenteile zu bewahren. „Damals galt das als altes Zeug“, erklärt sein Sohn Axel Groß, „die Riecker-Sammlung lag im Helferhaus in einer Kommode.“

Vom Gänsebrunnen am Marktplatz hat Groß den Sockel gestaltet.

Im gleichen Jahr restaurierte sein Vater ein weiteres historisches Monument aus dem Jahr 1919: das Grabmal von Fritz Müller, einem Backnanger Bauunternehmer, und seiner Familie, das aus einer aufwendig verzierten Säule mit einem Zirkel und einem Dreieck besteht.

Auch ein Feld mit Gedenksteinen für gefallene Soldaten auf dem Stadtfriedhof hat der Steinbildhauer jahrzehntelang ehrenamtlich gepflegt. „Mein Vater ist damals aus dem Krieg zurückgekommen. Andere haben nicht so viel Glück gehabt“, erklärt Gerhard Groß. Arbeiten von ihm sind auch außerhalb des Stadtfriedhofs im öffentlichen Raum zu finden. Vom Gänsebrunnen am Marktplatz hat er den Sockel gestaltet, sein Meisterstück aus dem Jahr 1969, ein Gedenkstein mit Taube, steht heute auf dem Waldfriedhof in der Nähe des Eingangs.

Als sich kürzlich die Ausstellung seines Meisterbriefs zum 50. Mal jährte, nahm man bei der Stadtverwaltung dieses Jubiläum zum Anlass, Groß für seinen unermüdlichen Einsatz zu danken. „Für Ihren sensiblen, vorausschauenden Umgang mit den Hervorbringungen der Steinmetzkunst und Steinbildhauerei auf dem Stadtfriedhof und für Ihr ehrenamtliches Engagement, das ein wertvoller Beitrag zur Erhaltung von Dokumenten der Stadtgeschichte, aber auch des Bildes des Stadtfriedhofs ist, bedankt sich die Stadt Backnang ganz herzlich!“, schreibt Martin Schick, der Leiter des Kultur- und Sportamts. Die Ehrung von Gerhard Groß konnte wegen der Coronaeinschränkungen nicht öffentlich stattfinden.

Axel Groß, ebenfalls gelernter Steinmetz und Steinbildhauer und zudem Diplomingenieur für Innenarchitektur und Produktdesign, setzt die Tradition seines Vaters fort. Als die Nutzung der Grabstelle von Walter Baumgärtner, dem ersten Nachkriegsbürgermeister von Backnang, ablief und das Grab aufgelöst wurde, restaurierte er das Grabmal 2012 auf eigene Kosten. Er reinigte das Monument aus Graubündner Marmor, das sein Vater 1984 gestaltet hatte, und setzte es instand.

Seit vier Generationen ist die Werkstatt im Besitz der Familie.

Ein weiteres Kunstwerk, das er 2011 gerettet hat, ist ein Wandrelief des Backnanger Künstlers Oskar Kreibich. Es hing im Schwesternwohnheim des Krankenhauses und wäre beinahe bei dessen Abriss zerstört worden. Heute befindet es sich im Foyer des Altenheims Staigacker. Auch bei der Sanierung der Friedhofkapelle beteiligten sich Vater und Sohn, sowohl finanziell als auch bei der Restaurierung der Kreuzblume vom Dach des Gebäudes.

Die Steinwerkstatt Axel Groß, wie die Firma heute heißt, blickt auf eine lange Tradition zurück. Seit vier Generationen ist sie im Besitz der Familie Groß. Gegründet wurde der Betrieb 1892 von Gottlob Wiedmaier. Auch dazu kennt Gerhard Groß eine kuriose Geschichte. Der Firmengründer, der aus Stuttgart stammte, ließ sein dortiges Haus kurzerhand abbauen, verfrachtete die Teile mit einem Pferdefuhrwerk nach Backnang und ließ das Gebäude dort in der Stuttgarter Straße wieder aufbauen. 1907 wurde die Firma von Josef und Babette Groß übernommen, ab 1944 führten Franz und Fritz Groß die Geschäfte weiter, 1969 stieg Gerhard Groß in den Betrieb ein. 2008 übergab er sein Lebenswerk an seinen Sohn Axel.

Die Werkstatt in der Stuttgarter Straße 87 in Backnang um das Jahr 1907...

Die Werkstatt in der Stuttgarter Straße 87 in Backnang um das Jahr 1907...

...und gut 60 Jahre später. Das Gebäude steht auch heute noch. Fotos: privat

...und gut 60 Jahre später. Das Gebäude steht auch heute noch. Fotos: privat

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Erstellt:
27. Juli 2020, 11:30 Uhr

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