Eine Rebellion ohne Stuttgart Surge

In der European League of Football rumort es: Acht Clubs, darunter der amtierende Champion Rhein Fire, kritisieren die ELF-Führung und drohen mit einer Abspaltung. Suni Musa, der Surge-Geschäftsführer, beurteilt die Lage anders als die unzufriedenen Konkurrenten.

Stuttgart Surge (hier gegen Frankfurt Galaxy in den weißen Trikots) sieht die European League of Football

© Baumann

Stuttgart Surge (hier gegen Frankfurt Galaxy in den weißen Trikots) sieht die European League of Football

Von Jochen Klingovsky

Stuttgart - Um zu sehen, woran es der European League of Football (ELF) auf jeden Fall fehlt, genügt ein Blick auf die Ergebnisse des letzten Spieltags. 34:0, 54:2, 62:0, 55:12 – mehr als die Hälfte der Partien endete mit Kantersiegen, Langeweile und einem chancenlosen Verlierer. Doch die mangelnde Ausgeglichenheit ist nur ein Problem der höchsten europäischen Liga im American Football, zumindest aus Sicht des halben Teilnehmerfeldes. Acht Clubs haben sich nun zusammengeschlossen und ihren Unmut klar geäußert. Ein Putsch ist das (noch) nicht, die Kritik aber könnte die ELF in ihren Grundfesten erschüttern – auch wenn sie nicht von allen geteilt wird.

„Diese Liga ist und bleibt eine gute Idee, es braucht allerdings Geduld und eine andere Herangehensweise“, sagt Suni Musa, der Geschäftsführer von Stuttgart Surge, das nicht zu den acht Rebellen zählt, „wir sind nicht grundsätzlich mit allem einverstanden, was in der Liga passiert, aber wir lehnen uns auch nicht dagegen auf.“ Diese Rolle haben andere übernommen.

Am deutlichsten positioniert hat sich der aktuelle Champion. Martin Wagner, der Gründungsgesellschafter von Rhein Fire, ist eine Art Sprecher des Oktetts, zu dem auch Frankfurt Galaxy, die Madrid Bravos, die Paris Musketeers, die Vienna Vikings, die Tirol Raiders, die Prague Lions und die Wroclaw Panthers gehören. „Wir wollen weiter Football spielen, aber wir wollen nicht mehr unter diesem Dach spielen“, sagte Martin Wagner gegenüber der „Rheinischen Post“ in Richtung der ELF. „Was sich daraus ergibt, ist eigentlich relativ einfach.“ Eine Abspaltung?

Ausgeschlossen ist eine solche, Stand heute, nicht. Wahrscheinlicher aber ist, dass die von den acht Clubs gegründete „European Football Alliance“ (EFA) vorerst nur als Drohkulisse gedacht ist, um Veränderungen einzufordern. Dazu passt, dass die EFA bis zum Finale am 7. September in Stuttgart eine Perspektive und Änderungen für die nächste Saison verlangt. „Die EFA ist erst mal eine Interessensgemeinschaft, die aber auch Berater, eine Marke oder einen Pressesprecher bezahlt. Und ja, theoretisch könnte man da auch eine eigene Liga draus bauen“, sagte Wagner, „für unsere Mitglieder ist sehr klar, dass wir so nicht weitermachen wollen.“

Denn die Kritik der acht Clubs dreht sich nicht nur um die großen Leistungsunterschiede in der Liga, sie geht tiefer. Die ELF handelt laut Wagner „nicht im Interesse der Mannschaften, sondern im eigenen Interesse“. Zudem wird „fehlende Transparenz“ ebenso bemängelt wie „schlechte Kommunikation“, „finanzielle Misswirtschaft“ sowie „unzureichende Leistungen“ in Bereichen wie Merchandising, Marketing, Reisen und Medien. „Wir sind der Meinung, dass unsere Fans eine Liga verdienen, die ihrer Leidenschaft entspricht, integer arbeitet und stets nach Spitzenleistungen strebt“, heißt es in einer Erklärung der EFA, „doch die Franchises sind zu sehr auf sich alleine gestellt und erhalten nur wenig Anleitung oder Unterstützung von der Liga-Führung.“ Es gibt allerdings auch gegenteilige Stimmen.

Suni Musa käme jedenfalls nicht auf die Idee, der ELF ihre Integrität oder den Willen, das bestmögliche Umfeld zu schaffen, abzusprechen. Im Gegenteil. „Natürlich läuft nicht alles rund, wie bei jedem Start-up und in jeder neuen Franchise“, sagt der Chef von Stuttgart Surge, „ich kann den Frust und den Ärger teilweise verstehen. Allerdings muss man einem neuen Konstrukt doch auch Zeit geben, sich zu entwickeln und zu wachsen. Das ist in einer Zeit, in der wir alle Kosten reduzieren müssen und die Qualität trotzdem halten wollen, alles andere als einfach.“ Nun die schwachen Teams auszusortieren und eine Art Eliteliga anzustreben sei nicht der richtige Weg: „Klar tritt die ELF derzeit etwas auf der Stelle. In der nächsten Saison wird sich entscheiden, in welche Richtung es geht. Ich sage: Wenn wir jetzt geduldig bleiben, wird sich das auszahlen.“

Die Rebellen, zu denen Musa derzeit keinen Kontakt hat („Wir verhalten uns neutral, sind in die Gespräche nicht einbezogen“), beurteilen die Lage anders. Befeuert werden ihre Sorgen durch die missliche finanzielle Situation der Berlin Thunder, die derzeit mit einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung um ihre Zukunft kämpfen – weshalb Patrick Esume durchaus Verständnis für die Anliegen der acht EFA-Mitglieder zeigt. „Wir nehmen die Kritik sehr ernst“, erklärte der für den Sport verantwortliche ELF-Commissioner gegenüber unserer Zeitung, „ich bin im engen Austausch mit allen Teams, ob Teil der Alliance oder nicht, und arbeite hart daran, unsere gemeinsame Unternehmung weiter voranzutreiben.“

Mittlerweile hat sich die ELF noch ausführlicher geäußert. „In nur fünf Jahren haben wir Strukturen geschaffen, die es zuvor nicht einmal im Ansatz so gegeben hat. Die Liga hat internationale Strahlkraft, ein starkes Partnernetzwerk und wird von Football-Fans auf der ganzen Welt verfolgt“, heißt es in einer Mitteilung, „wir sind immer offen für konstruktive Gespräche. Die Franchises sind aber eigenständige Unternehmen und für den Aufbau ihrer Strukturen selbst verantwortlich.“ Was ziemlich genau der Sicht von Suni Musa entspricht. „Am Ende“, sagt der Surge-Manager, der sein Team 2023 ins Finale und 2024 ins Halbfinale führte, „liegt es an einem selbst, wie gut man sich entwickelt.“

Und welche Ergebnisse herauskommen.

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Erstellt:
10. Juli 2025, 22:12 Uhr
Aktualisiert:
10. Juli 2025, 23:53 Uhr

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