Eine Tonne Trauben in fünf Minuten

Ein Jahr im Weinberg (9): Redakteurin Silke Latzel hilft bei der Anlieferung in der Kelter mit – und hat danach Rückenschmerzen

Wennschon, dennschon: Für Redakteurin Silke Latzel endet die Lese 2019 nicht im Weinberg, sondern in der Kelter. Dort hilft sie dabei, die Trauben vom Traktor in die Abbeermaschine zu bringen, wo sie zu Maische verarbeitet werden. Eine durchaus klebrige Angelegenheit, die zuerst in die Arme und dann in den Rücken geht.

Sieht einfacher aus, als es ist: Silke Latzel (rechts) ist froh, dass Günther Ferber ihr beim Absaugen der Trauben hilft. Das Saugrohr ist ziemlich schwer, mit der Zeit werden die Arme müde und der Rücken beginnt wehzutun. Fotos: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Sieht einfacher aus, als es ist: Silke Latzel (rechts) ist froh, dass Günther Ferber ihr beim Absaugen der Trauben hilft. Das Saugrohr ist ziemlich schwer, mit der Zeit werden die Arme müde und der Rücken beginnt wehzutun. Fotos: T. Sellmaier

Von Silke Latzel

ASPACH. Wow, ganz schön schwer: Ich habe Mühe, das Saugrohr zu halten. Und das obwohl ich schon beide Hände benutze. Günther Ferber, Vorsitzender der Weingärtnergenossenschaft Aspach, muss mir zur Hilfe kommen. Wir stehen auf einem seiner Anhänger, quasi inmitten von Trauben, überall brummen und summen die Bienen und Wespen, die die Gelegenheit nutzen und sich noch ein letztes Mal an den süßen Früchten stärken. Denn: Es ist der letzte Tage der Lese 2019. Aus logistischen Gründen haben wir meinen Arbeitseinsatz in der Kelter in Allmersbach am Weinberg verschoben, ich habe nicht direkt nach der Lese meine Trauben auf ihrem „letzten Weg“ begleitet, sondern helfe Ferber mit seinen Trollinger-Trauben.

Ist der Zuber noch voll mit Trauben, müssen wir den Sauger weit oben halten – und das geht mit der Zeit tierisch in die Arme. Je leerer der Zuber wird, desto einfach wird es für die Arme – und desto mehr geht alles in den unteren Rücken. Der Sauger sucht sich den Weg durch die Trauben zwar fast von allein, aber er muss dabei immer wieder vor- und zurückbewegt werden, damit er nicht verstopft – ziemlich anstrengend ist das.

Traubensaft auf der Kleidung, den Armen und den Schuhen

Die Kelter in Allmersbach ist die vorerst letzte Station für die Aspacher Trauben in der Heimat. Von hier geht ihre Reise weiter – allerdings nicht in die Ferne sondern zu zwei Kellereien in der Umgebung. Dort wird aus den Trauben Wein gemacht. Bevor es aber so weit ist, passiert natürlich auch in der Kelter einiges. Im ersten Schritt werden die Trauben angeliefert. Für die verschiedenen Sorten gibt es verschiedene Termine – klar, die Trauben sollen ja nicht wild gemischt werden. Ist geklärt, welcher Wengerter mit seinen Trauben in der Annahme steht, und sind die Daten in den Computer übertragen, werden die Früchte abgesaugt. Fünf Tonnen Trauben hat Ferber auf seinen Anhängern. Und ich bin ziemlich froh, dass er seinen Sohn Luca dabei hat, der offensichtlich großen Spaß an der Arbeit hat. Hab ich zwar auch, aber ich bin auch gar nicht traurig, als ich den Sauger wieder in Ferber’sche Hände abgeben kann. Mein Rücken tut mir etwas weh. Und ich klebe quasi von oben bis unten – der Traubensaft hinterlässt deutliche Spuren an Händen, Unterarmen, Oberteil, Hose und Schuhen.

Der komplette Vorgang wird digital begleitet, Holger Hessel überwacht ihn mit strengem Blick.

© Tobias Sellmaier

Der komplette Vorgang wird digital begleitet, Holger Hessel überwacht ihn mit strengem Blick.

Sind die Zuber leer, ist für den Wengerter die Arbeit erst einmal getan, die Zuber werden direkt mit Wasser ausgespritzt und sind damit quasi schon startklar für die Lese im kommenden Jahr. Die Trauben indes werden in der Kelter weiterverarbeitet. Sie kommen in eine Turbine, die Unterdruck erzeugt. Die Schwerkraft in der „Abbeermaschine“ trennt so die Trauben von den Kämmen, also den Stielen. Die Stiele werden gesammelt und per Schubkarre als Dünger in den nächsten Acker gefahren.

Die angequetschten Trauben werden abgelassen und kommen jetzt in die Kellerei.

© Tobias Sellmaier

Die angequetschten Trauben werden abgelassen und kommen jetzt in die Kellerei.

Die Beeren werden angequetscht und kommen in einen Bottich, der auf einer Waage steht. 1000 Kilogramm fasst der Behälter, danach ist erst einmal Pause. Auch deshalb dauert es etwas, bis wir unsere Zuber auf dem Anhänger geleert haben. Die 1000 Kilogramm Trauben sind in etwa fünf Minuten eingesaugt, dann leuchtet eine rote Lampe und für uns heißt es erst einmal: Rücken strecken und kurz durchatmen bevor es mit der nächsten Tonne weitergeht.

Mein Jahr im Weinberg ist jetzt fast vorbei

Ist der Bottich in der Kelter voll, wird die Maische – so werden die angequetschten Beeren genannt – abgelassen. Rosé- oder Weißwein wird direkt in der Kelter weiterverarbeitet und gepresst; bei Rotwein, wie er etwa aus den Trollinger-Trauben heute gemacht wird, kommt die Maische, wie sie ist, mit einem großen Tanklaster in die Kellerei. „Wichtig ist natürlich auch immer die Qualitätssicherung“, erklärt Ferber mir. Deshalb wird aus jedem Zuber, der geleert wird, eine Probe der Maische abgelassen und beispielsweise die Grad Oechsle gemessen. Außerdem dürfen zum Beispiel „essigstichige und mehltaubefallene Trauben“ gar nicht erst abgegeben werden, so eine Vorschrift.

Am Ende des Tages wird die Kelter gereinigt und winterfest gemacht. Mit den anderen Wengertern, die an diesem letzten Tag noch ihre Trauben abgeliefert haben, sitzen Ferber und ich zusammen in der Kelterstube und trinken ein Glas Wasser und einen Schluck Wein. Wir sind fertig. Für heute und eigentlich auch für diese Saison – „mein“ Jahr im Weinberg ist nun fast vorbei, die Trauben fortgebracht, und es gibt für mich nur noch eine kleine Abschlussarbeit im Wengert zu erledigen. Bis dahin dauert es aber noch ein bisschen – und meinem Rücken geht es dann sicherlich auch wieder gut.

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Erstellt:
22. Oktober 2019, 11:30 Uhr

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