„Eine Zangengeburt war das“

50 Jahre Gemeindereform: Der damals neu kreierte Gemeindename „Auenwald“ ist ein Kunstname. Schwierig waren die Umstände, wie sich die Ortsteile gefunden haben. Während Oberbrüden zuvor nach Backnang tendierte, überlegte Unterbrüden, nach Unterweissach zu gehen.

Vier Generationen Auenwalder Rathauschefs vereint sitzend auf der „Ehren-Ruhe-Bank“, die Heinz Klenk (Zweiter von rechts) 2014 zu seinem 75. Geburtstag als Geschenk erhielt. Der heute 82-Jährige war 43 Jahre lang, von 1971 bis 2014, Erster Stellvertreter des Bürgermeisters und hatte in dieser Funktion auch den verstorbenen Altbürgermeister Peter E. Friedrich (im Amt 1989 bis 2005) hin und wieder vertreten. Neben ihm die Altbürgermeister Walter Schmitt (rechts, 1971 bis 1981), Karl Ostfalk (links, 2005 bis 2021) und Jürgen Richter (1981 bis 1989). Foto: privat

Vier Generationen Auenwalder Rathauschefs vereint sitzend auf der „Ehren-Ruhe-Bank“, die Heinz Klenk (Zweiter von rechts) 2014 zu seinem 75. Geburtstag als Geschenk erhielt. Der heute 82-Jährige war 43 Jahre lang, von 1971 bis 2014, Erster Stellvertreter des Bürgermeisters und hatte in dieser Funktion auch den verstorbenen Altbürgermeister Peter E. Friedrich (im Amt 1989 bis 2005) hin und wieder vertreten. Neben ihm die Altbürgermeister Walter Schmitt (rechts, 1971 bis 1981), Karl Ostfalk (links, 2005 bis 2021) und Jürgen Richter (1981 bis 1989). Foto: privat

Von Florian Muhl

Auenwald. Das waren sehr spannende und hitzige Zeiten vor 50 Jahren, zuweilen mit kontroversen Diskussionen. Das Land hatte die Gemeinden zur Reform aufgerufen und diejenigen mit einem Batzen Geld belohnt, die der dringenden Bitte mehr oder weniger freiwillig nachkamen, nach dem Motto: „Mit Speck fängt man Mäuse.“ Oberbrüden beispielsweise wollte damals nach Backnang, Backnang wollte aber nicht. Und Unterbrüden tendierte zunächst nach Unterweissach, entschied sich aber dann doch anders. Als letztlich feststand, dass die damals selbstständigen Gemeinden Lippoldsweiler (1971: 1568 Einwohner, davon Ebersberg 212), Oberbrüden (1365) und Unterbrüden (1006) zusammengehen und eine neue Gemeinde mit dann 3939 Einwohnern bilden, wurde ein Name gesucht.

Das Hauptstaatsarchiv empfahl damals, einen neuen zu finden, der das einprägsame Landschaftsbild widerspiegelte: Auenwald. Der Vereinigungsvertrag, der am 1. Juli 1971 in Kraft trat, wurde am 16. Juni unterzeichnet. Nur einen beziehungsweise zwei Tage zuvor hatten die jeweiligen Gemeinderäte die zustimmenden Beschlüsse gefasst. Am 13. Juni hatte es eine Bürgeranhörung gegeben. Während sich in Lippoldsweiler und Unterbrüden 51,3 beziehungsweise 52 Prozent der abstimmenden Bürger für die Vereinigung aussprachen, votierten in Oberbrüden nur 40 Prozent der Bürger für einen Zusammenschluss.

Einer, der sich an diese aufregende Zeit so erinnern kann, als wäre sie erst gestern passiert, ist Heinz Klenk. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man mit dem 82-jährigen Zeitzeugen, den jeder im Dorf Heiner nennt, spricht. Auf seine unvergleichliche Art sagt der Landwirt aus Unterbrüden: „Jetzt passet se uff, da muss i Ihna g’schwind was verzähla.“ Und dann sprudelt es aus Klenk nur so heraus: „Ich bin eines Sonntagmorgens zum Waldstück, das wir oben Richtung Rottmannsberg haben, rauf und guck nach dem Rechten. Dann ist ein Auto gekommen. Ich hab den Mann sofort gekannt, es war der Oberbürgermeister Dietrich von Backnang.“ Der damalige OB habe ihn gefragt, ob er sich da auskennen würde. „Ja scho“, habe Klenk geantwortet und gefragt: „Ja, warum?“ Dann habe Dietrich wissen wollen, wo die Markungsgrenze von Oberbrüden ist. „Ja, das weiß ich.“

Als Klenk dem OB den Weg zeigte, der die Markungsgrenze bildete, habe Dietrich überrascht geantwortet: „Wenn das die Grenze ist, dann hat’s keinen Wert.“ – „Was hat dann keinen Wert?“, hat Klenk ebenso überrascht zurückgefragt. Daraufhin der OB: „Oberbrüden will nach Backnang. Aber dann würde das Markungsgebiet von Backnang bis daher laufen.“ Das könne er seinem Gemeinderat nicht wohlwollend vorschlagen. Die Oberbrüdener waren über die Absage aus Backnang zutiefst enttäuscht. Klenk sagt es mit seinen Worten: „Die henn no den Schädel na g’hängt.“

Und Unterbrüden, wo Klenk bereits seit 1968 Gemeinderat war? „Wir haben immer Richtung Unterweissach tendiert, weil wir kirchlich dorthin gehört haben. Wir sind alle dort konfirmiert worden.“ Dann habe Unterweissach eine Veranstaltung im „Löwen“ in Cottenweiler gehabt und da seien die Gemeinderäte von Unterbrüden nicht eingeladen gewesen. Trotzdem seien sie hin, haben aber nicht hineindürfen. „Dann hat sich nachher herausgestellt, dass die Gemeinde Unterweissach ihre Fühler nicht nach Unterbrüden streckt, sondern nach Bruch und Oberweissach.“ Das habe natürlich auch Walter Schmitt mitbekommen.

Walter Schmitt, der seit März 1965 Bürgermeister in Lippoldsweiler war und zusätzlich seit Juni 1968 in Ebersberg, hatte schon früh erkannt, dass kleine Dörfer als Alleinkämpfer keine Chance haben. Denn sie könnten Themen wie Umweltschutz, Wasser und Abwasser sowie Bildung und Sport gar nicht allein schultern. „So hat man 1961 den Zweckverband Abwasserklärwerk Weissacher Tal gegründet – mit den Gemeinden vom Tal, ohne Sechselberg und Althütte“, sagte Schmitt im Interview mit unserer Zeitung (wir berichteten). Parallel dazu wurde der Wasserverband Weissacher Tal ins Leben gerufen und dann auch das Bildungszentrum Weissacher Tal.

Für das Weissacher Tal gab es Überlegungen, eine Großgemeinde unter Einbeziehung aller bis dahin selbstständigen Gemeinden zu bilden. Wie kam es, dass diese Pläne verworfen wurden und eine andere Lösung gefunden wurde? „Die Idee für einen großen Zusammenschluss kam von Unterweissach“, sagt Schmitt. „Klar war: Unterweissach ist Zentrum, da beißt keine Maus einen Faden ab. Aber uns da hinten hätten sie aushungern lassen können.“ Die Unterbrüdener wollten nicht hinten anstehen, wollten nicht akzeptieren, dass Unterweissach zum Zentrum einer Großgemeinde wird. Zudem habe das Landratsamt den Weissachern den Wind aus den Segeln genommen. Man habe ihnen gesagt: „Das funktioniert nicht, das kann vielleicht einmal kommen in weiß Gott wie viel Jahren. Aber die kleineren Strukturen könnt ihr nicht zerschlagen“, so Schmitt.

Auch der ehemalige langjährige Rektor der Grundschule Unterbrüden, Werner Pabst, kann sich noch gut an diese Zeit erinnern, zumindest an die ersten Jahre nach dem Zusammenschluss. Nach seinem Studium an der Pädagogischen Hochschule Esslingen erhielt der Junglehrer im Jahr 1973 die erste Anstellung in der Gemeinde Weissach im Tal. „Eine Zangengeburt war das“, sagt der Ortshistoriker spontan, als er auf die Reform angesprochen wird. Für die Reihe „Geschichte und Geschichten aus unserer Heimat Weissacher Tal“ hat er eine Begebenheit aufgeschrieben, die ihm Heinz Klenk vor Jahren erzählt hatte.

Es geschah just in der Zeit, als die Unterweissacher und Unterbrüdener grübelten, ob sie miteinander Hochzeit feiern sollen. Die Beziehung war allerdings schon reichlich angeknackst. Nach diesem Vorfall aber war das Tischtuch zwischen den beiden Gemeinden endgültig zerschnitten. „In Unterweissach hat’s in einem Aussiedlerhof gebrannt, dessen Grundstücke an Unterbrüden angrenzten. Und dann ist Unterbrüden ausgerückt“, erinnert sich Klenk, der 15 Jahre Kommandant der Auenwalder Feuerwehr war und heute Ehrenkommandant ist. Die Unterbrüdener hätten ihre Motorspritze im Tal aufgestellt und eine Menge Wasser hochgepumpt zum Hof. „Die Weissacher Feuerwehr, die weite Wege zum Wasser hatte, hat dann mit Jauche gespritzt.“ Als das Feuer fast gelöscht war, ist die Spritze der Unterbrüdener kaputtgegangen. Die Reparaturrechnung schickte Unterbrüden nach Unterweissach. Klenk erinnert sich an die Reaktion: „Die haben’s abgelehnt, weil der damalige Kommandant gesagt hat: Unterbrüden hat niemand alarmiert.“

„Ich hab den Mann sofort gekannt, es war der Oberbürgermeister Dietrich von Backnang.“ Heinz Klenk,
43 Jahre Erster Stellvertreter des Bürgermeisters „Die Weissacher Feuerwehr, die weite Wege zum Wasser hatte, hat dann mit Jauche gespritzt.“ Heinz Klenk,
15 Jahre Kommandant der Auenwalder Feuerwehr
BKZ-Bericht vom Januar 1970 über Oberbrüden

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Erstellt:
23. August 2021, 06:00 Uhr

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