Einfühlsam erzählte Geschichten

Christoph Jäger und Sepp Steinkogler präsentieren heute auf dem Riegenhof in Mainhardt ihr erstes gemeinsames Album

„Ich singe meine Lieder“ heißt die CD, die Christoph Jäger, Bürgermeister von Großerlach und in seiner Freizeit passionierter Singer-Songwriter, zusammen mit Sepp Steinkogler (Gitarre, Bass) aufgenommen hat. Christoph „Chris“ Jäger (Piano, Akkordeon und Gesang) hat, wenn er selbst Musik macht, ein Faible für Balladen. Seinen Musikstil kann man als deutschsprachige Chansons bezeichnen. Die Musik und Texte auf der CD hat er selbst geschrieben. Auch heute Abend singt Jäger seine Lieder: Auf dem Riegenhof in Mainhardt.

Im Proberaum: Christoph Jäger am Keyboard und Sepp Steinkogler an der Gitarre verpassen ihren Songs den letzten Schliff. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Im Proberaum: Christoph Jäger am Keyboard und Sepp Steinkogler an der Gitarre verpassen ihren Songs den letzten Schliff. Foto: A. Becher

Von Ingrid Knack

GROSSERLACH. Der Roman „Kirmeskind“ des Oberroter Autors Titus Simon inspirierte Christoph Jäger zu einem Song. „Django – die Kirmeskind-Ballade“ ist einer der Titel auf Jägers erster CD, die er zusammen mit Sepp Steinkogler bei Jam-Musik von Jörg Orlamünder in Ludwigsburg aufgenommen hat. Nur zwei Tage lang dauerten die Aufnahmen im Tonstudio. Jäger bekam von Orlamünder ein riesen Lob für seinen Gesang, an dem man kaum etwas verändern musste. Und das will was heißen.

In der Kirmeskind-Ballade geht es um Django, das uneheliche Kind einer unangepassten Mutter und eines farbigen Soldaten der US-Armee, das sich wegen der Hänseleien ob seines fremdländischen Aussehens schwertut, seinen Platz in der Gesellschaft im Schwäbischen Wald zu finden und sich ins Schaustellermilieu flüchtet. Jäger thematisiert in dem Lied die Zerrissenheit und Einsamkeit Djangos. Deutlich ist spürbar, dass er die Fähigkeit besitzt, sich in Gefühlslagen anderer zu versetzen – ob er die Vorbilder für die Songs nun persönlich kennt oder ob es sich um Roman- oder andere fiktive Figuren handelt. „Beim Liederschreiben bin ich im Grunde Melancholiker, obwohl ich eigentlich ein fröhlicher Mensch bin“, sagt Jäger.

Dass Christoph Jäger nun eine CD aufnahm und mittlerweile Konzerte bestreitet, beides zusammen mit dem ebenfalls passionierten Hobbymusiker Sepp Steinkogler, nahm seinen Anfang mit einer Anfrage der Erlacher Höhe. Ob er nicht zu einem Soloauftritt als Musiker anlässlich der Vorstellung des Romans „Hundsgeschrei“ von Titus Simon bereit sei, klopfte das diakonische Sozialunternehmen bei ihm an. Der Bürgermeister sagte zu und präsentierte beim Benefizabend im Februar 2014 im Speisesaal der Erlacher Höhe neben bekannten deutsch- und englischsprachigen Liedern und Balladen auch Eigenkompositionen – unter anderem erstmals die eigens für diesen Anlass geschriebene Ballade „Hundsgeschrei“. „Im Publikum saß der Sepp“, sagt Jäger. Die beiden kennen sich schon lange. Sepp Steinkogler spielte einst mit Christoph Jäger bei Dirty Old Men. Bis heute ist er festes Mitglied bei den Bands Ten Beers After oder Go 4 It.

Weitere Benefizlesungen zu den nächsten Romanen der Trilogie Simons mit Musik von Christoph Jäger auf der Erlacher Höhe folgten. Zu den „Kleinstadt-Hippies“, dem dritten Band, schrieb Jäger den Song „Langhaardackel“. Noch ein anderer Titel in dem Album hat direkt mit der Erlacher Höhe zu tun: In „Winterquartier“ geht es um den ehemaligen Tagelöhner und Wanderschäfer Alex W., den Jäger in Erlach kennengelernt hat. Der Mann „am Rand der Gesellschaft, weil er nicht ins Raster passt“, so heißt es im Text, durfte dort seinen Lebensabend verbringen. Plötzlich meinte es das Schicksal gut mit ihm. Auf der Erlacher Höhe traf er seine Jugendliebe wieder und heiratete diese, kurz bevor er starb. Christoph Jäger war der Standesbeamte. Doch noch viel mehr hat der Großerlacher Bürgermeister für den Berber getan. Dies wurde Jäger aber erst so richtig durch die Freude der Witwe von Alex W. über den Song bewusst. „Der war ganz unten in der Gesellschaft, aber über den gibt es ein Lied.“ Anhand von solchen Einzelschicksalen legt Jäger auch den Finger in Wunden der Gesellschaft.

Tiefgründige Texte,

großes Einfühlungsvermögen

Viel Persönliches floss in die 13 Lieder ein. Im Titelsong „Ich singe meine Lieder“ drückt Jäger aus, was ihm Musik bedeutet und warum er damit an die Öffentlichkeit geht: „Und ich singe meine Lieder, auch wenn’s mir das Herz zerbricht. Denn ich möcht sie mit euch teilen, wie’s der Liedermacher Pflicht. Und ich preise dieses Leben, sing voll Trauer, sing vor Glück. Die Musik, die ich euch schenke, gibt mir selbst unendlich viel zurück“, heißt es im Refrain. „Wenn du singen kannst, hast du auch die Pflicht, dass du andere teilhaben lässt“, kommentiert Jäger, der eigene Erlebnisse durchaus auch musikalisch verarbeitet. „Baut Brücken statt Mauern“ ist ein Beispiel dafür. „Ratlos sitzen wir da, können es nicht verstehen, was wir täglich im Fernsehen und Internet sehn. Eine Welt voller Terror, voll Krieg und Gewalt, voller Hass, und das Rufen nach Frieden verhallt ... Baut Brücken statt Mauern, reißt Grenzwälle ein, und macht es gemeinsam, das geht nicht allein.“ Dann ist da noch der ergreifende Song für seine an den Folgen ihres Drogenkonsums gestorbene Cousine „Conny“, die plötzlich auf dem Heimweg von einer Kreistagssitzung vor seinem geistigen Auge auftauchte. „Weit über 20 Jahre ist es her, dass sie gestorben ist. Es war so, als wollte sie mich fragen, ob ich sie vergessen habe. Ich dachte, wenn ich heimkomme, schreibe ich dir ein Lied.“ Zu Hause setzte er sich tatsächlich gleich ans Klavier. „In einer halben Stunde war der Song fertig. Dann hast du das Gefühl, das Lied war schon da. Text und Melodie kamen gleichzeitig.“ Das ist aber nicht immer so. Eine andere Variante: „Wenn die Melodie im Kopf ist, wächst der Text nach. Es muss zusammenpassen“, so Jäger.

Beim Konzert heute Abend ab 19.30 Uhr in der Kulturscheune in Mainhardt auf dem Riegenhof können die Besucher viele der Lieder hören, die auf der CD zu finden sind. Doch das Programm Jägers und Steinkoglers ist immer im Fluss. „Wir werden sogar einen Gunter-Gabriel-Titel spielen.“ Damit erinnert das Duo ganz bewusst an den Künstler, der im vergangenen Jahr gestorben ist. „Der war authentisch, er hat’s verdient.“ Heavy-Metal-Titel haben sie nicht im Gepäck. „Da müsste ich Gitarre spielen können. Auf dem Klavier geht das nicht“, meint Jäger. Trotz seines Faibles für Heavy Metal, Bluesrock, Progressive Rock, Progressive Metal und auch Klassik erinnert seine eigene Musik eher an französische Chansons und modernen Country. Und: „Wenn ich am Klavier sitze, erzähle ich Geschichten. Das liegt mir. Dann beugst du dich.“ Wenn Jäger dann noch sein Akkordeon wie bei „In meine Hand“ einbaut und Steinkogler bei „Baut Brücken statt Mauern“ seine Gitarrenklänge wunderschön zelebriert, beschleicht einen das Gefühl, selbst nicht mehr loszukommen von dieser Musik.

Christoph Jäger und Musik: ein Zweiklang mit langer Geschichte. Schon früh sang Jäger im Kirchenchor, später im Schulchor des Martin-Schongauer-Gymnasiums in Breisach am Rhein. Seinen Klavierunterricht brach er nach einer Weile ab. „Dann, mit 14 oder 15, habe ich wieder angefangen, für mich rumzuklimpern.“ Später wählte er für das Abitur den Leistungskurs Musik. In dieser Zeit nahm er Klavier- und dazu noch Gesangsunterricht.

Früher bereicherte Jäger Bands wie Dirty Old Men mit seiner Stimme zwischen Bariton und Tenor, auch bei Capra (heute Planet Floyd) wirkte er mit, bis sein Beruf dieses Engagement nicht mehr zuließ – der Diplom-Verwaltungswirt arbeitete zu dieser Zeit beim Landratsamt in Waiblingen. Für sich allein spielte er aber immer Klavier und sang dazu. Ihn interessiert überdies stark, was andere machen. Bis heute lebt er seine Passion für Heavy Metal in Wacken aus. Oder begleitet seine Frau ohne inneren Widerstand zu einem Helene-Fischer-Konzert. „Ich bewundere schon immer, was Helene Fischer kann. Man sollte vorurteilsfrei an Musik herangehen.“

Die Affinität des Verwaltungsmanns zur Musik wurde von der Öffentlichkeit unter anderem deshalb wahrgenommen, weil sich Jäger – seit dem Jahr 2000 Großerlacher Bürgermeister – beim Gesangverein Eintracht Grab stimmlich regelmäßig einbringt. Auch dass der Rathauschef selbst produzierte Musikvideos als Weihnachtsgrüße verschickt, sprach sich herum. Kein Wunder, dass er hin und wieder bei Konzerten in seiner Gemeinde von den eingeladenen Musikern auf die Bühne gebeten wird, um einen Titel mitzusingen. Nun ist er der Frontmann.

CDs, Auftritte, Tickets Info Die CD „Ich singe meine Lieder“ kostet 15 Euro. CDs und Informationen über Auftritte von Christoph Jäger und Sepp Steinkogler gibt es über die E-Mail-Adresse liedermacherchris@gmx.de. Tickets für das Konzert heute auf dem Riegenhof können beim Biolädle im Riegenhof (07903/2782) reserviert oder an der Abendkasse gekauft werden.

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Erstellt:
5. Oktober 2018, 06:00 Uhr

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