Einzelhandelskonzept soll Innenstadt stärken

Die Stadt Backnang gibt ein Gutachten in Auftrag. Unter anderem werden Händler und Kunden zu ihren Erwartungen befragt.

Händler in Backnang werden zu ihren Erwartungen befragt. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Händler in Backnang werden zu ihren Erwartungen befragt. Foto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Die monatelangen Schließungen wegen der Coronapandemie waren Gift für die Geschäftsinhaber in der Backnanger Innenstadt. Doch Probleme gab es auch schon vor Corona: Neben den großen Einkaufcentern am Stadtrand macht vor allem der Online-Handel den Läden vor Ort Konkurrenz. Einige haben deshalb bereits das Handtuch geworfen, die Leerstände in den Einkaufsstraßen nehmen zu.

Die Stadt Backnang will dem mit einem neuen Einzelhandelskonzept entgegenwirken. Einstimmig erteilte der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats nun den Auftrag dafür an die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in Ludwigsburg. Die Marktforscher sollen die aktuelle Situation des Einzelhandels in Backnang systematisch erfassen, Probleme identifizieren und Maßnahmen vorschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Backnang zu stärken. Dazu werden sie unter anderem die Händler, aber auch Kunden befragen.

In Backnang ist es nicht die erste Untersuchung dieser Art: Bereits 2009 hatte die Stadt ein Einzelhandelskonzept erstellen lassen. Als Konsequenz aus diesem Gutachten wurde damals unter anderem eine Liste mit „zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimenten“ erstellt, für die die Stadt seitdem keine neuen Fachmärkte auf der grünen Wiese mehr genehmigt.

Allerdings ist dieses Gutachten nun schon zwölf Jahre alt und seitdem hat sich einiges verändert. Ein neues Konzept war deshalb auch ein Wunsch aus der Händlerschaft: „Wir warten sehnsüchtig darauf und sind sehr froh, dass uns die Stadt unterstützt“, sagt Sigrid Göttlich, Vorsitzende des Stadtmarketingvereins. Von dem Gutachten erhofft sie sich Aufschluss darüber, welche Angebote für eine vitale Innenstadt besonders wichtig sind und was davon in Backnang fehlt. Dann könne sich die städtische Wirtschaftsförderung gezielt auf die Suche nach geeigneten Anbietern machen. Einige relevante Sortimente wie Haushaltswaren oder Schuhe seien aus der Backnanger Innenstadt bereits verschwunden, beklagt Göttlich.

Nach Einschätzung von Baudezernent Stefan Setzer wird sich die Rolle der Innenstädte in den nächsten Jahren weiter verändern. Das reine Einkaufen werde an Bedeutung verlieren, dafür würden Gastronomie und Freizeiteinrichtungen wichtiger. „Wir wollen die klassische Stadt erhalten, auch wenn es merklich schwieriger wird“, sagte Setzer im Verwaltungsausschuss.

Untersucht werden soll in diesem Zusammenhang auch, wo in Backnang künftig noch Spielhallen und Wettbüros genehmigt werden können. Die Verwaltung ist nämlich immer wieder mit Anfragen solcher Vergnügungsstätten konfrontiert, möchte aber vermeiden, dass sich diese zu stark ausbreiten und das Stadtbild dominieren.

Manche Neuansiedlung scheitert an hohen Mietforderungen.

Im Gemeinderat herrschte große Einigkeit darüber, dass die Händler in der Innenstadt Unterstützung brauchen. „Am Online-Verhalten der Kunden können wir nichts ändern, das wird eher noch schlimmer“, befürchtet SPD-Fraktionschef Heinz Franke. Um die Menschen trotzdem in die Innenstadt zu locken, müsse man deshalb vor allem die Aufenthaltsqualität verbessern. Ähnlich sieht das auch die Vorsitzende der CDU-Fraktion, Ute Ulfert: „Das Internet kann nicht dasselbe bieten wie eine Stadt, nämlich Angebote für alle Sinne.“ Ob die Leute zum Einkaufen oder wegen eines angesagten Gastronomieangebotes nach Backnang strömten, spiele keine Rolle.

Willy Härtner (Grüne) appellierte an die Hausbesitzer, nicht nur auf die höchstmögliche Miete zu schauen, sondern mit der Auswahl ihrer Mieter auch einen Beitrag zu einer lebendigen Innenstadt zu leisten. Laut Baudezernent Setzer kommt es nämlich immer wieder vor, dass Hausbesitzer überzogene Mieten fordern und dadurch attraktive Neuansiedlungen verhindern.

Rolf Hettich, der selbst viele Jahre ein Sportgeschäft in Backnang geführt hat, ist skeptisch, ob die Bemühungen der Stadt Erfolg haben werden: „Ein inhabergeführtes Geschäft nach Backnang zu holen, wird sehr schwer werden“, prophezeite der CDU-Stadtrat. Hettich kritisierte auch die Rolle des Stadtmarketings, das in seinen Augen viel zu langsam arbeitet. Als Gegenbeispiel nannte Hettich die Stadt Winnenden: Dort finde bereits am übernächsten Wochenende ein verkaufsoffener Sonntag statt.

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Erstellt:
22. Juni 2021, 06:00 Uhr

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