Eiskalte Aufgabe mit Fingerspitzengefühl

Ein Jahr im Weinberg (2): Rebenbiegen wie vor 150 Jahren wird für Redakteurin Silke Latzel zu einer echten Herausforderung

Für Redakteurin Silke Latzel steht der zweite Arbeitseinsatz im Weinberg an: Die Reben müssen gebogen und fixiert werden. Damit es nicht langweilig wird, darf sie drei verschiedene Methoden ausprobieren. Und nicht nur der eisige Wind macht ihr dabei Schwierigkeiten.

Bindung mit Kunststoffklammern.

© Pressefotografie Alexander Beche

Bindung mit Kunststoffklammern.

Von Silke Latzel

ASPACH. „Eigentlich ist es zum Rebenbiegen trocken. Und zu warm.“ Ich verstehe, was Günter Ferber, Vorsitzender der Weingärtnergenossenschaft Aspach, damit meint. Aber: Mir ist so kalt, ich spüre meine Finger nicht mehr. Der Wind ist eisig und weht mir ständig die Haare ins Gesicht, macht, dass meine Nase läuft und überhaupt bin ich einfach viel zu dünn angezogen, die Sonne steht zwar am Himmel, aber wärmend werden ihre Strahlen erst am Nachmittag. „Heute wirst du sicherlich mit keinem einzigen Foto von dir zufrieden sein“, sagt Fotograf Alexander Becher feixend, weil er weiß, dass ich nicht gerne fotografiert werde – und noch viel weniger, wenn ich vom Winde verweht werde... Alles in allem also nicht die besten Voraussetzungen für die Arbeiten, die wir heute im Weinberg erledigen müssen.

Sieht einfach aus, klingt einfach, ist aber schwerer als gedacht

Aber es geht nicht anders: Die Natur hat schon viel zu lange auf uns gewartet. Beziehungsweise: Wir haben auf Regen gewartet, der nicht kam. „Wenn es zwei Tage durchregnet, dann gehen wir raus“, hatte Ferber angekündigt. Doch der Regen blieb aus. Sehr lange. Also nutzen wir einen Samstag Ende Februar, in der Nacht zuvor hat es zumindest ein bisschen Feuchtigkeit durch Tau gegeben.

Es ist mein zweiter Arbeitseinsatz in diesem Jahr, ich muss in „meinem“ Weinberg jetzt die Reben biegen. Das heißt: Die Reben, die wir nach dem Schnitt im Januar stehen gelassen haben, bringen wir jetzt in Form und fixieren sie am Draht. Das muss vor dem Austrieb der Pflanzen erledigt werden und soll eine gleichmäßige Versorgung der Triebe mit den nötigen Nährstoffen gewährleisten. Da es derzeit zu trocken ist und somit auch die Reben nicht die Feuchtigkeit haben, über die sie zum Biegen eigentlich optimalerweise verfügen sollten, müssen wir besonders aufpassen, damit wir sie nicht abbrechen. Für diese Arbeit braucht man Fingerspitzengefühl, deshalb tragen Ferber und ich auch keine Handschuhe – obwohl die vor dem eiskalten Wind geschützt hätten. „Früher hat man diese Arbeit erst Ende März, manchmal sogar im April gemacht“, so Ferber. Doch das Klima wandelt sich, es wird immer früher warm.

Günter Ferber hat sich etwas ganz Besonderes für mich ausgedacht, ich soll ja schließlich auch etwas lernen, sagt er lachend zu mir. „Wir werden auf drei verschiedene Arten biegen: Einmal mit traditionellen Bindeweiden, wie man es vor 150 Jahren gemacht hat, dann mit Kunststoffklammern und zum Schluss mit einer elektrischen Bindezange.“

Wir beginnen mit der traditionellen Bindung – und irgendwie beschleicht mich recht schnell das Gefühl, dass ich ein Grobmotoriker zu sein scheine. In der Theorie klingt alles ganz leicht, aber meine Hände machen einfach nicht das, was sie sollen. Der Anfang sieht immer vielversprechend aus, am Ende wird es aber nichts. Dabei beobachte ich genau, was Ferber macht: Die Rebe vorsichtig nach unten biegen und mit der Hand fixieren. Dann die Weidenrute anlegen, den unteren Teil festhalten, den oberen zwei-, dreimal über den unteren wickeln, am Ende wieder nach oben biegen und fertig. Als ich es versuche, wünsche ich mir eine dritte Hand – es klappt einfach nicht, keine der Weiden hält am Ende, sondern wickelt sich quasi wieder von selbst in den ursprünglichen Zustand zurück. Frustrierend. Ferber versucht mich zu trösten: „Das ist doch nicht schlimm, ist doch klar, dass man das nicht innerhalb von ein paar Minuten lernt“, sagt er und gibt zu: „Ich hab gestern auch noch mal extra geübt.“

Nachdem ich dann nach einiger Zeit doch noch eine Weide erfolgreich gewickelt habe, sind wir beide der Meinung, dass das jetzt auch ausreicht und wechseln zu den Kunststoffklammern. Wieder wird die Rebe vorsichtig nach unten gebogen und festgehalten, die Klammer hinter ihr angesetzt und links und rechts am Draht befestigt. Ganz einfach.

Doch es geht sogar noch einfacher: Ferber gibt mir nun eine elektrische Bindezange, die man nur an der Rebe ansetzen muss, ein Knöpfchen drücken und innerhalb von Sekunden wickelt sich automatisch ein dünner Draht um die Rebe. Und plötzlich geht alles ganz schnell – Teamarbeit eben. Während Ferber die Reben vorsichtig biegt, setze ich die Bindezange an der richtigen Stelle an und drücke den Knopf – schon wieder eine Rebe fixiert.

Ab und an müssen wir unsere Schnittarbeit vom Januar korrigieren, die Reben der verschiedenen Weinstöcke dürfen sich nach dem Biegen nicht berühren, sonst nehmen sie sich später gegenseitig den Platz weg, was wiederum direkte Auswirkungen auf den Ertrag hat. Als wir fertig sind, bin ich mit der Arbeit versöhnt. Ich friere zwar immer noch und hätte die Bindung mit den Weiden gerne besser hinbekommen, aber mit der Bindezange war dann alles kein Problem mehr. Und am Ende zählt ja nur das Ergebnis, oder? Jetzt darf sich „mein“ Weinberg erst einmal ein bisschen ausruhen. Der nächste Arbeitseinsatz steht erst an, wenn die Pflanzen ihre Blätter bekommen haben.

Traditionelle Bindung mit Weiden.

© Pressefotografie Alexander Beche

Traditionelle Bindung mit Weiden.

Zu zweit geht alles leichter als allein. Aber auch nach mehrmaliger Erklärung von Günter Ferber (links) will es bei Silke Latzel mit der traditionellen Weidebindung nicht so richtig klappen. Spaß macht’s aber trotzdem. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Zu zweit geht alles leichter als allein. Aber auch nach mehrmaliger Erklärung von Günter Ferber (links) will es bei Silke Latzel mit der traditionellen Weidebindung nicht so richtig klappen. Spaß macht’s aber trotzdem. Fotos: A. Becher

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Erstellt:
5. März 2019, 09:40 Uhr

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