Elodies Weg nach Deutschland

Die EU ganz nah Als Französin in einer deutschen Bäckerei

Seire - Die Europäische Union ist nicht nur eine abstrakte, ferne Bürokratie in Brüssel. Sie ist für viele Bürger ganz unmittelbar zu spüren – zum Beispiel für die Französin Elodie Burger.

Offenburg Die Wortwechsel an der Bäckereitheke mit den Kunden gehen Elodie Burger ganz selbstverständlich über die Lippen. „Möchten Sie Ihr Brot geschnitten? Den Kaffee mit Milch?“ Wäre da nicht ein leichter französischer Akzent, die 27-Jährige würde mitten im badischen Offenburg nicht weiter auffallen.

Als Elodie Burger vor drei Jahren auf der Jobmesse in Colmar nach einer Perspektive suchte, fand sie diese eher zufällig auf der benachbarten, der deutschen Seite des Rheins. Seit Jahren werben deutsche Arbeitsagenturen und die Kammern im französischen Grenzgebiet um Arbeitskräfte. „Mir war damals gar nicht bewusst, dass in Deutschland so viele Leute gebraucht werden“, sagt Burger. Dann hält sie einen Moment inne. „Und im Elsass suchen so viele Leute einen Job.“

Acht Prozent Arbeitslose im Elsass, 3,2 Prozent in Offenburg. Vergleichbar, mitunter noch besser sieht es in anderen Landkreisen Baden-Württembergs aus. Aber der Arbeitsmarkt scheint wie leer gefegt. Elodie Burger traf in Colmar auf eine Beraterin der Handwerkskammer Freiburg. „Drei Wochen habe ich überlegt, ob ich das Praktikum ­machen soll“, erinnert sie sich. Ziemlichen Bammel habe sie gehabt. „Ich war mir nicht sicher, ob ich das schaffen würde. Ich habe es dann einfach als Chance begriffen.“ Am ­Ende sei sie überrascht gewesen, wie unkompliziert alle Formalitäten waren.

Dendeutsch-französischenAbkommen für neueAusbildungswegeim Grenzgebiet ist es geschuldet. Als habe es den Wechsel von einem Land ins andere gar nicht gegeben. Den Umzug über die Grenze hat Elodie Burger dann auch gleich noch gewagt. Ohne Führerschein wäre sie aus dem eineinhalb Stunden entfernten Cernay, wo sie damals noch bei ihren Eltern wohnte, nicht zu ihrer Arbeitsstelle gelangt.

Nach einem Praktikum und einem dreimonatigen Intensivkurs Deutsch hat sie in einer Filiale der Offenburger Bäckerei Siegwart zunächst im Hintergrund gearbeitet und Brote belegt. Nach der dritten Woche stand sie vorne an der Theke. „Die Sprache“, sagt die 27-Jährige, „ist für die jungen Elsässer die größte Hürde.“ Im Mai beginnen ihre Prüfungen. Sie ist eine der Besten der Klasse. Darauf sei sie sehr stolz, sagt Elodie Burger. Ihre Eltern sowieso. Erst im Nachhinein stellt sie die Parallele her, dass ihre Mutter lange vor ihr in Deutschland gearbeitet hat, in einem Lokal in Freiburg. Elodie konnte ein bisschen Deutsch aus der Schule. Dialekt versteht sie auch. Dennoch hätte sie es sich nicht zugetraut, dass sie ­einmal in einer deutschen Bäckerei an der Ladentheke stehen würde. „Ich bin immer noch erstaunt, wie viel Geduld sie am Anfang mit mir gehabt haben, als ich noch nicht so fit in Deutsch war.“

Sie ist motiviert. Man merkt ihr an, dass sie endlich weiß, was sie will. Anders als nach ihrem Abitur in Frankreich und einem abgebrochenen Sprachstudium. „In Frankreich“, erzählt sie, „war ich damals schon zu alt für eine Ausbildung, hier in Deutschland hat das niemanden gestört.“ Ein Nachteil sei es hier jedenfalls nicht gewesen. „Wenn ich die Prüfung erst mal geschafft habe, will ich mich weiterqualifizieren“, sagt die junge Französin. Eine feste Stelle hat ihr der Chef schon in Aussicht gestellt. Sie will bleiben, auf jeden Fall, sagt sie. Deutsche Freunde habe sie auch gefunden in ihrem neuen, ihrem deutsch-französischen Leben.

Manchmal verirrt sich sogar ein Franzose in ihre Filiale, die nicht direkt in der Innenstadt liegt, wohin sogar ziemlich viele Franzosen zum Shoppen kommen, besonders an Samstagen, wenn Markt ist. Hin und wieder ist Elodie Burger für die Handwerkskammer auf Jobmessen unterwegs, als Ausbildungsbotschafterin, und versucht dort andere junge Franzosen zu ermutigen, dass auch sie es schaffen können. Weil es die Grenze so wie früher doch gar nicht mehr gibt, sagt sie. Wo sie bei der Europawahl demnächst ihre Stimme abgeben wird? Wählen werde sie auf alle Fälle, sagt sie, „wahrscheinlich wird das aber doch im Elsass sein“.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.berufsbildungsbericht-azubis-bieten-sich-vielfaeltige-chancen.75b77a27-de71-46f7-a7f5-c344281872a0.html?https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.macron-und-merkel-kein-marsch-im-gleichschritt.54a9a6b3-3bc8-42fb-b4f1-9905b9ff0143.html

In Frankreich war ich damals schon zu alt für eine Ausbildung, hier in Deutschland hat das niemanden gestört.

Elodie Burger Verkäuferin in einer Bäckerei

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Erstellt:
18. April 2019, 06:07 Uhr

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