Elternvertreter: Klage wegen Unterrichtsausfällen

dpa/lsw Stuttgart. Im Südwesten fällt nach Meinung von Elternvertretern viel zu viel Unterricht an Gymnasien aus. Sie wollen gegen das Land klagen. Doch kann ein langes Gerichtsverfahren wirklich etwas an der Lage ändern?

Schüler melden sich während des Unterrichts in einem Gymnasium. Foto: Felix Kästle/dpa

Schüler melden sich während des Unterrichts in einem Gymnasium. Foto: Felix Kästle/dpa

Elternvertreter halten die Unterrichtsausfälle an Gymnasien für zu hoch und wollen deshalb gegen das Land Baden-Württemberg klagen. Die Klage solle im nächsten Jahr auf den Weg gebracht werden, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft gymnasialer Elternvertreter im Regierungsbezirk Stuttgart (Arge), Michael Mattig-Gerlach, am Montag in Stuttgart. Damit würde die gerichtliche Auseinandersetzung in den heraufziehenden Landtagswahlkampf fallen. Kultusministerin Susanne Eisenmann ist zugleich CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021.

Mattig-Gerlach sagte zur Situation an den Gymnasien: „Ich kann nicht erkennen, dass wir da große Fortschritte machen.“ Das Land Baden-Württemberg plane zwar im Doppelhaushalt 2020/21 rund 1000 neue Lehrerstellen ein. Davon komme aber nur ein kleiner Bruchteil an den Gymnasien an. Auch die geplante Aufstockung der Reserve an Lehrern, die Kollegen im Krankheitsfall an den Schulen vertreten, sei viel zu gering. „Wir sehen keine Veränderung der Lehrersituation sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr“, bilanzierte Mattig-Gerlach.

Die Elternvertreter haben zum Schuljahresbeginn über fünf Wochen selber das Ausmaß des Unterrichtsausfalls an Schulen im Regierungsbezirk Stuttgart abgefragt. Von 140 angefragten Schulen antworteten nach ihren Angaben 32 Schulen. Das Ergebnis: Rund 10,9 Prozent des Unterrichts sei nicht wie geplant erteilt worden. Dabei habe rund 5,7 Prozent gar nicht stattgefunden, und rund 5,1 Prozent des Unterrichts sei vertreten worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass Elternzeit von Lehrern ein häufiger Grund für Ausfälle sei.

Für die Klage brauchen die Elternvertreter einen konkreten Schüler, der seinen ausgefallenen Unterricht im Detail festhält. Im März hatten sie zwar einen potenziellen Kläger präsentiert - man brauche aber für die Klage einen aktuellen Fall, hieß es. Die Arge Stuttgart stützt sich auf ein Rechtsgutachten des Anwalts Thomas Würtenberger. Dieser vertritt die Meinung, dass in den letzten drei Jahren vor dem Abitur an den Gymnasien nicht mehr als acht Prozent an Unterricht in den Abiturfächern ausfallen dürfe. Bei einer höheren Quote könne es sein, dass ein Schüler im Wettbewerb mit Schülern anderer Länder in seinem weiteren Bildungs- und Berufsweg benachteiligt sei.

Kultusministerin Eisenmann entgegnete: „Der Lehrermangel ist kein singuläres Problem in Baden-Württemberg, sondern bundesweit eine Herausforderung und in einigen Ländern weitaus dramatischer als bei uns.“ Sie schob die Verantwortung für die Situation an den Schulen im Südwesten abermals den Vorgängerregierungen zu. „Statt Studienplätze zu erhöhen und Lehrerstellen zu schaffen, wurden die Ausbildungskapazitäten zurückgefahren und Stellen massiv gestrichen.“ Das Problem liege nicht darin, dass Geld oder Stellen fehlten, sondern darin, dass es einfach zu wenig Lehrer auf dem Markt gebe.

Für das Verfahren in erster Instanz vor einem Verwaltungsgericht hat die Arge Stuttgart Geld zurückgelegt. Sollte es in die zweite Instanz geben, müsse man Geld über Spenden sammeln, sagte Mattig-Gerlach. Der Vorsitzende des Landeselternbeirates, Carsten Rees, steht der Klage aber sehr skeptisch entgegen. „Das wird sich über Jahre hinziehen“, sagte er zu dem Gerichtsverfahren. „Das ist kein Weg, der uns eine schnelle Hilfe bringt.“ Der Landeselternbeirat versuche daher, die Lage an den Schulen über politische Gespräche zu verbessern.

Der Bildungsexperte der oppositionellen SPD, Stefan Fulst-Blei meinte: „Welch' ein Armutszeugnis, dass in einem Land wie Baden-Württemberg die Eltern ihre eigene Landesregierung verklagen müssen!“ Der Bildungspolitiker der ebenfalls oppositionellen FDP, Timm Kern, pflichtete ihm bei: Die Elternvertreter seien offenbar zur Erkenntnis gelangt, dass ihre Hilferufe ungehört verhallten.

Ein Sprecher der Bildungsgewerkschaft GEW meinte, mit der Klage entstehe ein höherer Druck auf die Politik, an den Schulen etwas zu ändern. Der Philologenverband, der die Lehrer an den Gymnasien vertritt, widersprach Eisenmanns Einschätzung, es gebe zu wenig Lehrer, um mehr Stellen zu besetzen. Für Gymnasien gelte das nur bedingt - etwa für Mathe und einige Naturwissenschaften.

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Erstellt:
18. November 2019, 14:31 Uhr

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