Internationale Automobilausstellung

Emotion und Innovation: Die Zauberwörter von Porsche, Mercedes und Co.

Die deutsche Autoindustrie will die IAA als großes Aufbruchsignal verstanden wissen. Aber passt deren Messeauftritt zu diesem Anspruch? Ein Rundgang.

Der  E-Cayenne benötigt zum Aufladen kein Kabel, verspricht Porsche .

© Peter Stolterfoht

Der E-Cayenne benötigt zum Aufladen kein Kabel, verspricht Porsche .

Von Peter Stolterfoht

Und wieder sind die Chinesen früher dran. Die Internationale Automobil-Ausstellung hat noch gar nicht begonnen, und trotzdem ist bei BYD schon einen Tag vor der Eröffnung alles startklar. Der pompöse Showroom des chinesischen Fahrzeuggiganten an der Münchner Ludwigstraße steht schon wie eine Eins, während die deutschen Hersteller in der Nachbarschaft noch mit Hochdruck an ihren Präsentationspavillons im Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt bohren, schrauben und hämmern. Rechtzeitig zum Beginn der Internationalen Automobil Ausstellung ist aber auch bei den deutschen Vertretern alles fertig.

Die deutsche Autoindustrie hat ihr eigenes Tempo und kommt so langsam ihrem Ziel näher, wieder wettbewerbsfähiger gegenüber der asiatischen Konkurrenz zu werden. Der Viel zu späte Einstieg in die Elektromobilität, dazu die unvermeidlichen produktionstechnischen Kinderkrankheiten, hatten zunächst einen enormen Rückstand gegenüber den chinesischen Herstellern zur Folge. Doch der hat sich im Vergleich zur letzten IAA vor zwei Jahren verringert.

Gleichzeitig zeigt die Politik einen so noch nie dagewesenen IAA-Aufmarsch mit Kanzler Friedrich Merz an der Spitze, und verspricht alles dafür zu tun, um die Rahmenbedingungen für die Autoindustrie zu verbessern. So soll das große Handelshindernis Zoll auf diplomatischem Weg bestmöglich aus dem Weg geräumt werden und Steuersenkungen weitere Nachteile gegenüber den USA und China abfedern.

Bei VW glänzt der elektrische Kleinwagen

Auch so schaffen deutsche E-Autos mittlerweile Reichweiten von bis zu 700 Kilometern. Und was den Preis angeht, können endlich auch Autos unterhalb der 25 000-Euro-Marke angeboten werden. Dank VW. Der ID.Polo wird auf dem Messegelände in München-Riem voller Stolz in den von Scheinwerfern hell erleuchteten Vordergrund geschoben. Glänzend sieht es im Volkswagen-Konzern deshalb noch lange nicht aus. Siehe Porsche. Das Tochterunternehmen bittet die Journalisten erst einmal zum Gespräch in den ganz in schwarz gehaltenen Konferenzraum. In Korrespondenz zur Stimmungslage?

Die bittere Erkenntnis, dass die E-Modelle des Zuffenhäuser Premiumherstellers in China nicht den gewünschten Erfolg haben, und die Dax-Hinausstellung machen es Porsche nicht leicht, sich optimistisch und selbstbewusst zu präsentieren. Ein bisschen Demut schadet in der Krise vielleicht aber auch nicht.

Es ist deshalb zunächst nur ein zurückhaltendes Aufbruchsignal, das Porsche in München senden kann. Doch die Botschaft kommt trotzdem an. Sie lautet: „Emotion und Innovation“, wie der Entwicklungsvorstand Michael Steiner zusammenfasst. Für die Emotion steht der neue Porsche S Turbo. Für die Innovation der vollelektrische Cayenne mit kabelloser Ladefunktion, der von Sommer 2026 an ausgeliefert werden soll.

Die Verbindung von Emotion mit Innovation ist so etwas wie das gemeinsame Motto der deutschen Hersteller und Zulieferer in der Münchner Innenstadt und auf dem Messegelände. Große Einigkeit herrscht auch in anderen Bereichen. Alle sind der festen Überzeugung, dass das von der EU für 2035 geplante Verbrenner-Aus gekippt werden muss und diese Fahrzeuge erst einmal zusammen mit Elektro- und Plug-in-Hybrid-Autos im gleichberechtigten Verbund länger produziert werden sollen. Gleichzeitig schließen sich alle unisono der Meinung von Mercedes-Chef Ola Källenius an, der weiterhin sagt: „Die Zukunft des Autos ist elektrisch.“

Heimatgefühle als Wettbewerbsvorteil

Richtungsweisend ist für Mercedes deshalb auch der auf der IAA mit viel Brimborium enthüllte der GLC mit E-Antrieb, der in seiner bisherigen Verbrennerausführung das meisterverkaufte Modell des Konzerns ist. Die neue Version soll nun so etwas sein wie die vollelektrische Visitenkarte. Das Gesicht dazu liefert der Frontgrill, dessen markante Form in München auch auf die Fassade des Showrooms in einem der altehrwürdigen Residenzhöfe übertragen wurde. Überschrieben mit dem neuen Werbe-Slogan „Welcome Home“. Zu Mercedes gehen, soll zum Nachhausekommen werden. Was man sich vermutlich dazudenken soll: Dieses Gefühl kann einem doch sicher kein chinesischer Hersteller bieten.

Die Chinesen wiederum versuchen, in München neben dem Preisvorteil weiterhin ihre technischen Vorteile auszuspielen und versehen ihre Messestände teilweise ganz schlicht nur mit Reichweitenwerten, die mittlerweile im Bereich von 1000 Kilometern liegen. Doch der Vorsprung ist kleiner geworden.

Dass die deutschen Hersteller technisch aufgeholt haben, hat auch viel mit ihren Zulieferern zu tun. Das wären zum Beispiel Bosch und Mahle. Die beiden Stiftungskonzerne habe in München groß aufgefahren. Mahle-Chef Arnd Franz präsentiert am Messestand etwa ein effizientes Range-Extender-System. Dessen Verbrennermotor erzeugt so viel Strom, dass zusammen mit dem E-Antrieb eine Reichweite von bis zu 1350 Kilometern erreicht werden kann. Der eingesetzte Hochvoltgenerator kommt nach Angaben Mahles dabei ohne Seltene Erden aus, deren weltweite Gewinnung und Verarbeitung von China dominiert wird. Eine Entwicklung also, die wegführt von strategischen Abhängigkeiten. Eine weitere Mahle-Erfindung ist ein bionisches Gebläse, dessen Blätter sich in der Form an den Flügelflossen von Pinguinen orientieren und vor allem in Klimaanlagen von Elektroautos zum Einsatz kommen sollen.

Bosch wiederum führt auf der IAA vor, wie Software und Künstliche Intelligenz eingesetzt werden können. Dazu bietet der Konzern auch die Hardware an. „Bosch kann beides: Software und Hardware“, sagt Bosch-Chef Stefan Hartung: „ Ohne anspruchsvolle Hardware bewegt sich selbst das klügste Auto keinen einzigen Millimeter.“

Als Beispiel aus der endlosen Weite des Software-Kosmos präsentiert Bosch das sogenannten By-Wire-System für Bremse und Lenkung. Der Hersteller bezeichnet es selbst als „Schlüsseltechnologie für das automatisierte Fahren“. Das klingt dann tatsächlich mehr nach Innovation und weniger nach Emotion. „Insgesamt geht auf der IAA ein starkes Signal von der deutschen Autoindustrie aus“, sagt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Was am Ende aber auch zu diesem aktuellen Bild der Branche gehört: Auf die geplanten Sparprogramme der deutschen Unternehmen hat die insgesamt positiv wahrgenommene Entwicklung keinen Einfluss. Der Stellenabbau geht auch nach der Internationalen Automobil-Ausstellung unvermindert weiter. Dazu gebe es derzeit keine Alternative, das wird einem gesagt – egal, bei welchem Hersteller oder Zulieferer man beim Messerundgang auch nachfragt. Das erzeugt bei den Betroffenen auch Emotionen, über die allerdings in München nicht geredet wird.

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Erstellt:
11. September 2025, 12:56 Uhr

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