Engpass zwingt zu Impftourismus

Die Waiblinger Rundsporthalle ist bereit für den Impfstart. Ab dem 19. Januar können Termine in dem Kreisimpfzentrum gebucht werden. Doch viele Termine gibt es nicht, zunächst stehen nur 180 Termine pro Woche zur Verfügung.

Strukturiert und angenehm, so soll das Impfzentrum in Waiblingen auf die Bürger wirken. Foto: A. Palmizi

© ALEXANDRA PALMIZI

Strukturiert und angenehm, so soll das Impfzentrum in Waiblingen auf die Bürger wirken. Foto: A. Palmizi

Von Kristin Doberer

WAIBLINGEN. Ein schicker, grauer Fußboden und lange weiße Wände, auf denen immer wieder bunte Illustrationen von Zimmerpflanzen, Waldszenen und natürlich Impfungen zu sehen sind, machen das Bild der Waiblinger Rundsporthalle gerade aus. Nur die vereinzelten Basketballkörbe erinnern noch daran, dass hier eigentlich Sport getrieben wird. Etwa vier Wochen lang wurde hier gearbeitet, um das Impfzentrum des Rems-Murr-Kreises aufzubauen und eigentlich sollten heute die ersten Dosen des Corona-Impfstoffs verabreicht werden. Doch während alles steht – von der IT bis zu den einzelnen Notizblöcken auf den Schreibtischen – fehlt das wichtigste noch immer: der Impfstoff. Denn aufgrund des allgemeinen Impfstoffengpasses, wurden die Eröffnungen der Kreisimpfzentren um eine Woche nach hinten verlegt.

Nun soll es also am 22. Januar losgehen, Termine können ab dem 19. vereinbart werden. Entweder über die Nummer 116117 oder über die Onlineplattform www.impfterminservice.de. Viele Termine werden aber am Anfang nicht zur Verfügung stehen. Denn statt der geplanten etwa 800 Impfungen pro Tag, wird es in den kommenden Wochen im Kreisimpfzentrum (KIZ) nur Impfstoff für etwa 180 Termine geben – und das pro Woche. Sobald mehr Impfstoff zu Verfügung steht, wird es zwar auch weitere Termine geben, bis dahin wird das Impfzentrum in Waiblingen aber zunächst nur an zwei Tagen am Wochenende geöffnet sein und nicht, wie ursprünglich geplant, im Zwei-Schicht-Betrieb an sieben Tagen pro Woche.

Sigel: „Gehen Sie dorthin, wo Sie einen Impftermin bekommen.“

Landrat Richard Sigel macht sich angesichts der fehlenden Impfstoffdosen ernsthaft Sorgen, wie ältere Bürger und medizinisches Personal so schnell wie möglich geimpft werden sollen. „Die Knappheit erschwert dies enorm, gerade in bevölkerungsstarken Landkreisen“, so Sigel. Aktuell ist der Rems-Murr-Kreis mit seinen rund 427000 Einwohner der größte Kreis im Land mit nur einem Impfzentrum. Selbst wenn genug Impfstoff da wäre und täglich 750 Personen geimpft werden, bräuchte der Kreis so etwa zwei Jahre, um 65 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Etwa diese Prozentzahl wäre für die Herdenimmunität nötig. „Wir appellieren an die Bürger: Gehen Sie dorthin, wo Sie einen Impftermin bekommen. Der Impfstoffmangel zwingt uns zum Impftourismus“, so der Landrat. Dabei sei ihm bewusst, dass es für die Altersgruppe der Über-80-Jährigen natürlich schwierig ist, so weite Wege auf sich zu nehmen. Auch deshalb hofft er auf mehr Unterstützung durch die Zentralen Impfzentren oder eine Verteilung der Dosen per Einwohner und nicht per Impfzentrum.

Zunächst wird in Waiblingen nur der Impfstoff von Biontech verwendet werden, auch wenn ein weiterer Impfstoff bereits zugelassen wurde. Das liege allerdings nicht an der Einrichtung, sondern nur daran, dass bisher noch keine Lieferung eines anderen Impfstoffes nach Waiblingen zugesagt wurde. Sollten doch Dosen von anderen Unternehmen geliefert werden, sei das aber auch kein Problem. „Der Biontech-Impfstoff ist der komplizierteste. Wenn dieser hier gelagert werden kann, geht das mit allen anderen auch“, sagt Torsten Ade, der Chefarzt der Interdisziplinären Notaufnahme der Rems-Murr-Kliniken. Denn dieser Impfstoff muss bei einer Temperatur von minus 70 Grad gelagert werden. Der dafür angekündigte Kühlschrank des Landes konnte allerdings nicht rechtzeitig geliefert werden, eingesprungen ist eine regionale Firma. Die Giesser Messerfabrik in Winnenden hat schon im Dezember angeboten, den benötigten Tiefkühlschrank an das Impfzentrum auszuleihen. Darauf sei man nun zurückgekommen, die Waiblinger Feuerwehr wird den Kühlschrank aus der Produktion der Messerfabrik abholen und im KIZ aufbauen.

Trotz aller Herausforderungen sei man sehr zufrieden mit dem Aufbau des Impfzentrums, so der Landrat. Man habe nicht nur auf klare Strukturen und eine gute Orientierung geachtet, sondern auch für eine angenehme Atmosphäre. „Beim Betreten soll schon der Eindruck vermittelt werden, dass hier etwas wichtiges passiert. Wir möchten, dass die Menschen sich in ihrem Impfzentrum gut aufgehoben fühlen“, sagt Siegel. Zum Beispiel können Geimpfte im Wartebereich die Waldfee in einer illustrierten Waldlandschaft suchen.

Auch das Personal stehe bereit, der Dienstplan für die erste Woche ist erstellt. In der Verwaltung des KIZ wurden aktuell 40 Personen eingestellt, dazu 20 medizinische Fachkräfte. „Viele Ärzte kommen aus der Rente oder aus der Teilzeit zurück, um hier zu helfen“, sagt Stefanie Haaf-von Below, die medizinische Leitung des KIZ. Auch sie hat vor Corona eigentlich nur noch in Teilzeit gearbeitet. Man sei mit den Rems-Murr-Kliniken aber in ständigem Austausch. Sollte es aufgrund des Impfstoffmangels zu Leerläufen im Impfzentrum kommen, könne man das Personal in den Kliniken einsetzen und sich gegenseitig unterstützen, so Ade. Er sieht den Impfbeginn sogar bei den wenigen Dosen aber positiv: „Das ist eine wichtige Aufgabe. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir schon nach einem Jahr Pandemie die Impfungen umsetzten können.“

So soll die Impfung im Kreisimpfzentrum ablaufen

Die Bürger der Prioritätsstufe 1 können nur mit einem Termin zum Impfen kommen.

Die Impfung beinhaltet sechs Schritte: Zunächst registrieren sich die Bürger entweder online (bereits einen Tag vor dem Impftermin möglich) oder vor Ort und erhalten einen Laufzettel, der ihre Identität an allen weiteren Stationen festhält. Dann folgt ein Aufklärungsfilm und ein persönliches Gespräch mit einem Arzt. Hier werden Fragen der Bürger besprochen, aber auch die Krankheitsgeschichte und Allergien. Eine Impfung ist in nur wenigen Fällen nicht möglich, zum Beispiel bei einer Temperatur über 38,5 Grad Celsius. Für den Vollbetrieb war geplant, dass diese Gespräche an Stehtischen stattfinden, um den Ablauf zu beschleunigen. Für längere Gespräche und Fragen stehen aber auch Kabinen zum ärztlichen Gespräch bereit.

Sind alle Fragen geklärt, geht es weiter in die Impfkabinen, medizinisches Fachpersonal setzt dort die Spritze. Anschließend können sich die Geimpften in einen Beobachtungsraum begeben. „Jeder kann bleiben, solange er möchte. Wir werden niemand zwingen, hier zu warten“, sagt Haaf-von Below. Allergikern wird geraten, hier etwa eine halbe Stunde abzuwarten. Sollte es doch zu einem allergischen Schock oder anderen Notfällen kommen, sei man auf die Erstversorgung gut vorbereitet, so Haaf-von Below.

Zuletzt geht es nur noch zum Check-out und nach etwa drei Wochen wiederholt sich der Prozess bei der benötigten zweiten Impfung. Etwa sieben Tage nach der zweiten Impfung sei dann ein guter Schutz vorhanden.

Geimpfte sollen aber auch weiterhin Maske tragen und sich an Abstandsregeln halten. „Geimpfte erkranken zwar nicht, sie können aber weiter asymptomatische Verteiler der Viren sein“, so Haaf-von Below.

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Erstellt:
15. Januar 2021, 06:00 Uhr

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