Streit über die Rente

Entscheidende Tage für Friedrich Merz

Beim Rentenpaket geht es für den Kanzler um viel – um die Frage, ob ihm die eigene Fraktion geschlossen folgt und ob seine Regierung eine Zukunft hat.

Hält seine Regierung? Bundeskanzler Friedrich Merz steht wegen der Rentenpolitik vor Problemen.

© Michael Kappeler/dpa

Hält seine Regierung? Bundeskanzler Friedrich Merz steht wegen der Rentenpolitik vor Problemen.

Von Tobias Peter

Friedrich Merz spricht schnell an diesem Tag. Ein bisschen wie ein Schüler, der ein Referat vorträgt. Als er über die Themen Generationengerechtigkeit und Rente spricht, schaut der Bundeskanzler besonders viel und intensiv in die Reihen der SPD-Fraktion. Vielleicht, weil hier das Publikum sitzt, bei dem er hier gerade besonders viel Zustimmung erhält.

„Wir wollen weiter das Versprechen abgegeben können, das in der Bundesrepublik Deutschland sehr lange gegolten hat: Unser Land soll von Generation zu Generation in einem besseren Zustand übergeben werden“, sagt der Kanzler bei der Generaldebatte im Bundestag schließlich. Das Land solle auch künftig eine gute Zukunft versprechen können.

Dann redet er noch über die Pläne für die Aktivrente, mit denen durch Steuererleichterungen diejenigen, die das Rentenalter bereits erreicht haben, zum Weiterarbeiten motiviert werden wollen. Das ist CDU-Programm pur. Hier schaut Merz wieder mehr in die Reihen der eigenen Fraktion. Insgesamt bleibt der Kanzler, wenn es um das Ringen über das Rentenpaket der Bundesregierung geht, sehr allgemein. Die Arbeit dafür, dass dieses von der schwarz-roten Koalition in der kommenden Woche mit einer eigenen Mehrheit im Bundestag beschlossen wird, läuft jetzt hinter den Kulissen.

Frotzelnder Kanzler – große Probleme

Merz ist nicht viel mehr als ein halbes Jahr im Amt. Aber es könnten – unmittelbar vor dem Koalitionsausschuss am Donnerstag – schon jetzt entscheidende Tage für seine Kanzlerschaft sein. Als den Kanzler vor wenigen Tagen durch Journalistenfragen der Streit über das Rentenpaket bis zum G20-Gipfel in Johannesburg verfolgt hat, frotzelte er betont lässig: „Mich hat das überrascht, dass die G20-Partner nicht auch gleich danach gefragt haben.“

Doch für Merz geht es um die Frage, ob ihm die eigene Fraktion geschlossen folgt. Darum, ob Merz in den kommenden Wochen und Monaten eine Regierungskoalition hat, die arbeitsfähig ist. Oder ob diese im schlimmsten Fall sogar zerbrechen könnte.

Das Bundeskabinett hat einstimmig ein Rentenpaket auf den Weg gebracht. Dieses Rentenpaket enthält Vorhaben der CDU und der CSU, aber auf Wunsch der Sozialdemokraten insbesondere auch eine Regelung für die Stabilisierung des Rentenniveaus. Dieser Punkt ist der SPD heilig. Doch die Junge Gruppe in der Unionsfraktion – 18 Abgeordnete, die zum Zeitpunkt der Wahl unter 35 waren – hält ihn so für nicht zustimmungsfähig. Die Koalition hat im Bundestag nur eine Mehrheit von 12 Stimmen.

Bei den Sozialdemokraten warnen sie: Wenn die Union hier nicht zustimmt, werde es weder Vize-Kanzler Lars Klingbeil noch Fraktionschef Matthias Miersch künftig gelingen zu verhindern, dass es auch hier immer wieder zu Abweichlern komme. Wie aber soll dann zum Beispiel die Bürgergeldreform verabschiedet werden?

Friedrich Merz auf der Seite der SPD

Der Kanzler hat das erkannt – und sich eindeutig auf die Seite der SPD geschlagen. „Ich bin nicht bereit, mit dieser Altersversorgung mal so ein bisschen herumzuspielen nach dem Motto: Wer bietet eigentlich weniger?“ So hat Merz es am Dienstag auf dem Arbeitgebertag gesagt. Es sind Sätze, die so auch von Arbeitsministerin Bärbel Bas stammen könnten.

In der Sache ist ein Kompromiss mit der jungen Gruppe schwierig. Das Rentenpaket sieht vor, das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent zu halten. Das akzeptiert die Junge Gruppe – zähneknirschend. Was sie nicht hinnehmen will: Die Stabilisierung soll in den Jahren ab 2032 nachwirken – wie bei einem Arbeitnehmer, bei dem die nächste Lohnerhöhung auf die davor draufkommt. Das kostet bis 2040 rund 115 Milliarden Euro. Aus Sicht der Jungen Gruppe geht das über den Koalitionsvertrag hinaus. Doch auch hier steht Merz mittlerweile aufseiten der SPD.

Von beinahe allen Seiten wird im politischen Berlin anerkannt, wie geschickt die jungen Unionspolitiker bislang vorgegangen sind. „Rebellentum“ wollen sie sich bei aller inhaltlichen Konsequenz jedenfalls nicht vorwerfen lassen. Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, trägt seinen Standpunkt sehr präzise vor. „Vernünftig“ und „sachlich“ gehören zu seinen Lieblingsvokabeln.

Der Zeitplan ist eng

Doch jetzt steigt der Druck auf die Politiker der Jungen Gruppe, der Reform im Bundestag zuzustimmen. Einen ergänzenden Antrag, der Reformen im Sinn der Generationengerechtigkeit in Aussicht stellt, kann die Fraktionsführung ihnen anbieten. Nur: Der hat, anders als ein Gesetz, keine bindende Wirkung. Einen Platz in der Rentenkommission könnten die Kritiker wohl bekommen. Am Ende wird das stärkste Argument aber sein: „Wollt Ihr wirklich dem eigenen Kanzler die Gefolgschaft verweigern? Könnt Ihr es verantworten, wenn die Koalition zerbricht und Merz stürzt?“ Im Koalitionsausschuss am Donnerstagabend wird sicher über die Rente gesprochen werden. Die Fraktionschefs sprechen gerade viel miteinander über das Thema.

Am Freitag soll es wahrscheinlich ein Treffen mit Unionsfraktionschef Jens Spahn, Kanzleramtschef Thorsten Frei und der Jungen Gruppe geben. Viel Zeit für eine Lösung bleibt nicht.

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Erstellt:
26. November 2025, 16:58 Uhr
Aktualisiert:
26. November 2025, 17:00 Uhr

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