„Er war ein radikaler Kunsterneuerer“

Die Ausstellung „Albrecht/d. – Grafik – Antigrafik – endless energie“ wird am Sonntag in der Galerie im Helferhaus eröffnet

Funde und Wiederentdeckungen aus dem Nachlass von Albrecht/d. werden in der Ausstellung „Grafik – Antigrafik – endless energie“ im Backnanger Helferhaus gezeigt. Kuratoren sind Norbert Prothmann und Peter Haury. Vernissage mit Begleitprogramm ist am Sonntag.

Die Kuratoren Norbert Prothmann (links) und Peter Haury richten die Ausstellung mit Arbeiten von Albrecht/d. in der Galerie des Backnanger Heimat- und Kunstvereins ein. Foto: P. Wolf

© Peter Wolf

Die Kuratoren Norbert Prothmann (links) und Peter Haury richten die Ausstellung mit Arbeiten von Albrecht/d. in der Galerie des Backnanger Heimat- und Kunstvereins ein. Foto: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Peter Haury und Norbert Prothmann kannten den Künstler Albrecht/d., der 2013 in Stuttgart starb, persönlich. Haury, der selbst Künstler ist, wurde durch ungewöhnliche und tiefsinnige Aktionen auf Albrecht/d. aufmerksam. Von da an entwickelte sich eine Freundschaft. „Ich habe ihn nicht nur gekannt, sondern auch verehrt“, sagt Peter Haury. Enttäuscht war er, dass nach dem Tod von Albrecht/d. nicht auf künstlerischer Ebene von diesem Abschied genommen wurde. Es kamen Gerüchte auf, dass der Nachlass gefährdet sei, weil es keine direkten Nachfahren gebe, so Haury. Auf Initiative eines Performers – Albrecht/d. war auch Aktionskünstler – bildete sich eine Gruppe, darunter auch Norbert Prothmann, um eine Gedenkveranstaltung zu organisieren. Bereits als 17-Jähriger hatte Prothmann den Künstler kennengelernt, und da sie über Jahre täglich dieselbe Strecke mit der Straßenbahn fuhren, kam es zu zahlreichen intensiven Gesprächen. „Albrecht/d. gab mir viele Orientierungspunkte.“ Für die Gedenkausstellung, die 2015 im Württembergischen Kunstverein Stuttgart stattfand, wurden Werke aus Privatsammlungen zusammengesucht. Der Neffe des verstorbenen Künstlers wurde auf die Organisatoren aufmerksam und beauftragte Haury und Prothmann, den umfangreichen künstlerischen Nachlass aufzubereiten. Die Werke aus der Wohnung und dem Atelier wurden erfasst, fotografiert und kategorisiert. Das Buch „Albrecht/d. – Zum Berühmtsein eigentlich keine Zeit“ entstand. Zahlreiche Künstlerkollegen steuerten Beiträge zu dem großformatigen, 335 Seiten starken Buch bei, das in Deutsch und Englisch verfasst ist und rund 800 Fotos enthält.

Zusammenarbeit mit

Wolf Vostell und Joseph Beuys

In der Galerie des Heimat- und Kunstvereins im Helferhaus werden nun Werke aus dem Nachlass des Künstlers präsentiert, von denen manche erstmals ausgestellt werden. „Er war ein radikaler Kunsterneuerer, der interessiert war an einer grundlegenden Vernichtung aller konventionellen Kunstformen, die eine direkte Auseinandersetzung mit dem Leben durch den Betrachter verhindern“, sagt Peter Haury. Albrecht/d., der 1944 als Dietrich Albrecht in Thüringen geboren wurde und ab 1958 in Stuttgart lebte, war ein Autodidakt und Quereinsteiger. Ursprünglich war er ausgebildeter Bankkaufmann und wandte sich 1966 der bildenden Kunst zu. 1968 wechselte er in den Schuldienst und war bis 2007 als Kunsterzieher an der Rilke-Realschule in Stuttgart tätig. In der 1960er-Jahren war er offen für aktuelle Kunstströmungen, die alle sehr politisiert und kritisch pointiert waren, und arbeitete in den 1970er- Jahren mit den damaligen Größen in der Kunstwelt, wie Wolf Vostell oder Joseph Beuys, zusammen. In Zusammenarbeit mit Vostell und Günter Sarée gründete er 1971 das „Unabhängige Olympische Komitee“ (UOK), dessen Ziel darin bestand, das künstlerische Programm im Rahmen der Olympischen Spiele 1972 in München für die alternative Kunst zu öffnen.

„Er bewegte sich in den wichtigsten Strömungen des künstlerischen Untergrunds von Fluxus, Mail Art bis Punk und bediente sich vor allem aller verfügbaren Vervielfältigungstechniken von Siebdruck, Linoldruck, Stempel, Lithografie und Fotokopie“, erklärt Norbert Prothmann.

Im Eingangsbereich der Galerie erwarten den Besucher Plakatwände mit dem Titel „Denkmal für die Rechte in Deutschland“. Auf Plakatgröße wurden Schwarz-Weiß-Fotos aus dem KZ vergrößert, die Albrecht/d. auch immer wieder als Rauminstallationen verwendet hat, damit man sie förmlich „begehen“ muss. Eine seiner Techniken nennt der Künstler „Ensemble“. Medienbilder, etwa aus dem Vietnamkrieg, sind zusammengestellt – sie sind teils bearbeitet, unbearbeitet, verfremdet oder collagiert. In einem anderen Ensemble wird der Ku-Klux-Klan thematisiert. Albrecht/d. arbeitet mit Mischtechniken, bei denen er oft mehrere Vervielfältigungstechniken kombiniert. Farbkopien werden übermalt oder beschriftet. Mit dem Fingernagel malt er auf Polaroid und zieht dann das Bild als Fotokopie hoch. Immer wieder tauchen asiatische Motive auf, wie ein sich selbst verbrennender Mönch. Albrecht/d. hat sich als „pazifistischen Buddhisten“ bezeichnet, weiß Norbert Prothmann. Für seine Selbstporträts hat der Künstler in der Regel Passfotos verwendet, die er mehrfach kopiert oder als Farbkopie verfremdet hat. Malerisches und Grafisches gehen ineinander über.

Performance und Musik Info Die Vernissage der Ausstellung „Albrecht/d. – Grafik – Antigrafik – endless energie“ ist am Sonntag, 11. November, um 11.30 Uhr im Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5. Die Kuratoren Peter Haury und Norbert Prothmann halten eine Einführung und stellen ihr Buch „Albrecht/d. – Zum Berühmtsein eigentlich keine Zeit“ vor, das in der Edition Randgruppe Stuttgart erschienen ist. Die Formation „S.A.C. – modellers club“ mit Steffen Bremer, Anna Weber und Stephan Thomas zeigt die Performance „Modell-Untersuchungen zu A/d › endless- EXEGESE ‹ 2018“. Die Ausstellung kann bis zum 9. Dezember besichtigt werden. Zur Finissage spielt um 11.30 Uhr „mußikant 3000“, der die Initiative zur Erinnerung an Albrecht/d. ins Leben gerufen hat. Öffnungszeiten der Galerie im Helferhaus: dienstags bis freitags von 17 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 19 Uhr.

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Erstellt:
9. November 2018, 06:00 Uhr

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