Entstehung des Mondes
Erd-Kollision: Himmelskörper Theia kam aus Richtung Sonne
Vor 4,5 Milliarden Jahren kollidierte der Protoplanet Theia mit der jungen Erde – diese Katastrophe schuf den Mond. Doch woher kam Theia? Neue Analysen von Mond- und Erdgestein sowie Meteoriten verraten nun mehr.
© © MPS/Mark A. Garlick
Vor 4,5 Milliarden Jahre kollidierte der Protoplanet Theia mit der jungen Erde. Aber woher kam er?
Von Markus Brauer
Kurz nach der Entstehung des Sonnensystems vor 4,46 Milliarden Jahren kam es zu dem wohl folgenreichsten Ereignis in der Geschichte unseres Planeten: Der marsgroße Himmelskörper Theia stieß mit der Ur-Erde zusammen. Aus den ins All geschleuderten Trümmern – einem Gemisch aus Materie von Theia und der Ur-Erde – entstand unser Mond.
Ur-Erde und Theia prallen aufeinander
Wie sich der Zusammenstoß abspielte und was genau danach geschah, ist nicht endgültig geklärt. Sicher ist jedoch, dass sich als Folge Größe, Aufbau, Zusammensetzung und Umlaufbahn der Erde veränderten. Und dass der Einschlag die Geburtsstunde unseres ständigen Begleiters im All, des Mondes, war.
Die Kollision von Theia mit der Ur-Erde war so gewaltig, dass große Mengen an Gestein sich verflüssigten oder gar verdampften und ins Weltall katapultiert wurden. Der sich aus Trümmern bildende Mond bestand zunächst vollständig aus flüssigem Gestein.
Erst, als sich dieser „lunare Magma-Ozean“ an der Oberfläche ausreichend abgekühlt hatte, konnten sich dort feste Gesteine und damit auch Zirkon-Kristalle bilden. Da solche Kristalle gegen spätere Veränderungen nahezu immun sind, eignen sie sich besonders gut zur Altersbestimmung: Ihr Alter liefert einen Mindestwert für das Alter des Erdtrabanten.
Spurensuche nach Überresten von Theia
Was war das für ein Körper, der die Entwicklung unseres Planeten so dramatisch und nachhaltig veränderte? Wie groß war Theia? Aus welchem Material bestand sie? Und aus welchem Teil des Sonnensystems raste sie auf die Erde zu?
Antworten auf solche Fragen zu finden, ist schwierig, da Theia bei der Kollision vollständig zerstört wurde. Dennoch finden sich noch heute Spuren von ihr, etwa in der Zusammensetzung des Mondes und der Erde. Überreste von Theia haben sich tief im Mantel des blauen Planeten erhalten.
So sieht die „Zutatenliste“ von Theia aus
In der aktuellen Untersuchung, die in der Fachzeitschrift „Science“ erschienen ist, schließen Forscher unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der Universität von Chicago auf diesem Wege auf die mögliche „Zutatenliste“ von Theia – und so auf ihren Entstehungsort.
Wenn der Erdtrabant vor allem aus den Theia-Trümmern entstand ist, müsste er sich in seinen Isotopenwerten deutlich von der Erde unterscheiden. Doch das ist nicht der Fall. Mond und Erde haben bei vielen Elementen nahezu identische Werte. Entweder Theia war also ein chemischer Zwilling der Erde oder der Mond besteht doch größtenteils aus irdischen Material.
Gestein von der Erde, vom Mond und von Meteoriten untersucht
Timo Hopp vom MPS in Göttingen und seine Kollegen haben nun eine Lösugn des Rätsels gefunden. Sie haben die ursprüngliche Position von Theia in der solaren Urwolke einzugrenzt. Dafür untersuchten sie 15 irdische Gesteine, sechs Mondproben der Apollo-Missionen und 20 verschiedene Meteoriten auf ihre Eisen-Isotopenverteilung hin.
Die Zusammensetzung der Meteoritenspiegelt die Isotopenverteilung ihrer Ursprungsorte in der Gas- und Staubwolke des frühen Sonnensystems wider. So unterscheiden sich Brocken aus dem äußeren Sonnensystem, wie bestimmte kohlenstoffhaltige Chondriten, in ihren Eisenwerten deutlich von nichtkohligen Meteoriten aus der Nähe der Sonne, wie das Team erklärt.
Der Vergleich mit der Erde und dem vielleicht aus Theia-Trümmern bestehenden Mond könnte daher Hinweise auf Theias Herkunft liefern.
Theia und die Ur-Erde waren Nachbarn
Die Analysen zeigen, dass Mond und Erdgesteine hinsichtlich ihrer Eisenisotope nahezu identisch sind. Dagegen unterscheiden sie sich von einigen kohlenstoffhaltigen, aus dem äußeren Sonnensystem stammenden Meteoriten.
Damit bedeutet: Das Material der Meteroiten und von stammt aus dem inneren Sonnensystem. „Erde und Theia waren wahrscheinlich Nachbarn“, konstatiert Hopp.
Protoplanet kreiste näher an der Sonne
Theia und ein Großteil der jungen Erde müssen weiterhin aus dem gleichen Material entstanden sein: Dem Gas und Staub, aus dem auch die meisten nichtkohligen Meteoriten stammen. Das erklärt auch, warum auch heutige Erde- und Mondgesteine so große Ähnlichkeit aufweisen.
Der Protoplanet Theia enthielt allerdings wohl einige Isotope, die in größerer Sonnennähe entstanden sind als das irdische Material. „Sollte sich dies bestätigen, dann halten wir ein Szenario für wahrscheinlich, bei dem sich Theia näher an der Sonne bildete als die Planetenbausteine der jungen Erde“, resümieren die Forscher.
Der Protoplanet Theia könnte demnach knapp innerhalb der Erdbahn um die Sonne gekreist haben, bevor er mit der Ur-Erde zusammenstieß und vollständig zerstört wurde.
