Erfahrung oder Generationswechsel?

Die CDU-Basis entscheidet morgen Abend, wer im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd als Nachfolger von Norbert Barthle bei der Bundestagswahl 2021 antritt. Zur Wahl stehen eine erfahrene Politikerin und zwei Newcomer.

Foto: A. Becher

© Alexander Becher

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Von Kornelius Fritz

BACKNANG/GSCHWEND. Seit es bei Bundestagswahlen den Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd gibt, ist dieser fest in der Hand der CDU. 32 Jahre lang hieß der direkt gewählte Abgeordnete Dieter Schulte, 1998 übernahm dann Norbert Barthle und verteidigte seinerseits bei sechs Wahlen das Direktmandat. Wenn die CDU-Basis morgen Abend die Nachfolgerin oder den Nachfolger für den scheidenden Abgeordneten nominiert, ist das also mehr als nur eine Kandidatenkür. Wer die parteiinterne Wahl gewinnt, hat beste Chancen, nächstes Jahr in den Bundestag einzuziehen.

Entscheiden dürfen darüber die CDU-Mitglieder aus den 34 Wahlkreis-Gemeinden, von denen 13 im Rems-Murr-Kreis und 21 im Ostalbkreis liegen. Nach Angaben des CDU-Kreisgeschäftsführers Alois Hammel sind rund 1050 Mitglieder stimmberechtigt, allerdings rechnet er bei der Nominierungsversammlung nur mit etwa 200 Teilnehmern. Dann sei es in der Gschwender Mehrzweckhalle auch kein Problem, die Corona-Abstandsregeln einzuhalten.

Die Wahl verspricht spannend zu werden, denn es treten drei Bewerber mit ganz unterschiedlichem Profil an: Eine erfahrene Profipolitikerin trifft auf zwei Neulinge, die frischen Wind versprechen. Zwischenzeitlich waren es sogar mal vier Kandidaten: Jens Mayer, der als Chefarzt am Stauferklinikum in Mutlangen arbeitet, hat seine Kandidatur im September allerdings wieder zurückgezogen.

Mustafa Al-Ammar

Mustafa Al-Ammar

Bereits im vergangenen November, noch bevor Norbert Barthle seinen Rückzug angekündigt hatte, warf Mustafa Al-Ammar aus Schechingen als Erster seinen Hut in den Ring. Der 42-Jährige stammt aus dem Irak und lebt seit 2001 in Deutschland, seit elf Jahren ist er deutscher Staatsbürger. Der studierte Musiker hat viele Jahre weltweit Konzerte als Sänger für klassische arabische Musik gegeben. Mittlerweile ist er nach eigenen Angaben als selbstständiger politischer Berater und Anti-Terror-Experte tätig. Seit 2014 ist er CDU-Mitglied und sitzt als Integrationsbeauftragter im Ostalb-Kreisvorstand. Al-Ammar sieht sich als „Brückenbauer zwischen verschiedenen Ländern“. Seine guten Kontakte nach Israel, in die USA und in den Nahen Osten will er im Falle seiner Wahl auch im Bundestag einbringen. „Wir brauchen einen Aufbruch in der Politik“, erklärt der 42-Jährige und hofft, „dass es dabei keine Rolle spielt, ob jemand Mustafa oder Thomas heißt“.

Jan Ebert

Jan Ebert

Bewusst bodenständig präsentiert sich dagegen sein Mitbewerber Jan Ebert: „Ich habe ein Einfamilienhaus, arbeite bei einer Bausparkasse und besitze eine Dauerkarte beim VfB – schwäbischer geht’s kaum“, sagt der 42-Jährige und lacht. Ebert wohnt in Kirchberg an der Murr und leitet den dortigen CDU-Ortsverband. Als Diplom-Ökonom liegt sein politischer Schwerpunkt auf Wirtschaftsthemen, von den Bewerbern um den CDU-Vorsitz sei ihm Friedrich Merz am nächsten. Für eine Bundestagskandidatur habe er sich entschieden, weil er die Zukunft mitgestalten wolle. Die CDU brauche jetzt einen Generationswechsel: „Dafür stehe ich, auch weil ich nicht aus der Politik komme und deshalb ganz neue Fragen und Ideen einbringen kann“, sagt der zweifache Vater.

Inge Gräßle

© privat

Inge Gräßle

Ein ganz anderes Profil bringt Inge Gräßle mit: Die 59-Jährige hat fast ihr ganzes Leben hauptberuflich Politik gemacht, zunächst als Landtagsabgeordnete, dann 15 Jahre im Europaparlament, wo sie unter anderem Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Gruppe und Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses war. Bei der Europawahl 2019 verpasste sie allerdings auf Listenplatz 5 den Wiedereinzug.

Nun will sie bei der Bundestagswahl einen neuen Anlauf starten: „Ich habe noch immer Lust auf Politik“, sagt die Heidenheimerin, die im Falle ihrer Nominierung in den Wahlkreis umziehen will. Bei der CDU-Basis will sie vor allem mit ihrer Erfahrung punkten: „Ich muss mich nicht lange einarbeiten und kann dort weitermachen, wo Norbert Barthle aufgehört hat“, sagt Gräßle. Aufgrund ihrer guten Kontakte könne sie in Berlin mehr für den Wahlkreis erreichen als ein politischer Neuling. Und schließlich gehe es auch darum, den Frauenanteil in der Fraktion zu erhöhen. „Es reicht nicht, immer zu sagen, dass wir mehr Frauen in Mandaten haben wollen. Wir müssen es auch umsetzen“, fordert die ehemalige Landesvorsitzende der Frauenunion.

Die Kandidaten der anderen Parteien

Auch die SPD sucht einen neuen Bundestagskandidaten, nachdem der Abgeordnete Christian Lange nach sechs Wahlperioden nicht mehr antritt. Die Nominierungsveranstaltung soll am 25. November in Murrhardt stattfinden, Namen möglicher Kandidaten sind bis jetzt noch nicht durchgesickert.

Bei den Grünen hat die Kandidatenkür schon im Juli stattgefunden. Die Partei nominierte Ricarda Lang als Kandidatin. Die 26-Jährige aus Nürtingen ist stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin im Bundesvorstand der Grünen.

Die FDP schickt bei der Bundestagswahl
David-Sebastian Hamm aus Schorndorf ins Rennen. Der 43-jährige Betriebswirt arbeitet bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und als freier Dozent.

Noch keinen Kandidaten hat die AfD benannt, auch der Termin für die Nominierungsversammlung stehe noch nicht fest, teilt der Kreisvorsitzende Jürgen Braun mit.

Auch Die Linke hat noch keinen Kandidaten nominiert. Laut Armin Fischer vom Kreisvorstand soll dies erst nächstes Jahr passieren.

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Erstellt:
15. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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