Ergänzende Therapien gegen Krebs im Klinikum Winnenden

Im onkologischen Zentrum des Klinikums Winnenden kommen auch Akupunktur, chinesische Medizin oder Qigong erfolgreich zum Einsatz.

Ramona Hein (rechts) und Hans Lampe setzen gezielte Nadelstiche gegen Schmerzen, Krämpfe oder Übelkeit. Foto: RMK/Fuchs

© Michael Fuchs Fotografie

Ramona Hein (rechts) und Hans Lampe setzen gezielte Nadelstiche gegen Schmerzen, Krämpfe oder Übelkeit. Foto: RMK/Fuchs

Winnenden. Wer Krebs hört, denkt an Chemotherapie und Bestrahlung, sieht Menschen an der Infusion oder im OP. Im Rems-Murr-Klinikum Winnenden ist das Instrumentarium gegen Krebserkrankungen deutlich breiter: Hauchdünne, stahlglänzende Akupunkturnadeln hält Oberärztin Ramona Hein etwa griffbereit, wenn sie im onkologischen Zentrum zur Therapie schreitet. Zudem hat sie eine Checkliste von Vitamin A bis zu Schüßlersalzen bei sich. Damit klopft sie bei ihren Patienten ab: Was nehmen sie bereits ein? Was könnte noch helfen? Welche Kräutertees oder Spurenelemente lässt man lieber mal weg, weil sie sich nicht mit anderen Mitteln vertragen?

Komplementärmedizin nennt sich das, was Ramona Hein, Fachärztin für innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie, Pneumologie und Palliativmedizin seit Juli im Winnender Klinikum noch intensiver einsetzt bei Menschen mit Krebserkrankungen – gemeinsam mit Hans Lampe, Facharzt für innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin. Beide arbeiten im Team von Onkologiechefarzt Markus Schaich, der die Komplementärmedizin bei Krebserkrankungen 2013 noch im Kreiskrankenhaus Waiblingen aufgebaut hat und seit 2014 im Klinikum Winnenden ausbaut.

„Fast jeder Krebspatient und vor allem die -patientinnen fragen uns: Was kann ich noch tun über die Schulmedizin hinaus?“, sagt Schaich. „Da zucken wir nicht nur mit den Schultern, sondern machen ein seriöses ganzheitliches Angebot und sehen auch bei unseren Zertifizierungen, dass die Auditoren unser Therapiespektrum aus Musik-, Kunst- und Sporttherapie sowie chinesischer Medizin, Akupunktur und Ernährungsberatung sehr positiv wahrnehmen.“ Schaich räumt dabei auch mit einem populären Vorurteil auf: „Wir machen hier keine Alternativmedizin, wie es oft im Volksmund heißt. Komplementärmedizin bedeutet: Wir nutzen Methoden, die das Repertoire der Schulmedizin sinnvoll und nachweislich wirksam erweitern und ergänzen.“

Die chinesische Medizin flankiert die westlichen Krebstherapien perfekt

Welche Methoden sind das in der Krebsbehandlung? Hans Lampe, Koryphäe auf diesem Gebiet und parallel zu seinen Visiten in Winnenden auch an der Universität Rostock tätig, nennt hier insbesondere die chinesische Medizin (TCM), welche die westlichen Krebstherapien perfekt flankiert. Gerade eben hat er dazu mit Kollegen der Harvard University und der Universität Hongkong eine Studie zur Kombination von Akupunktur, Akupressur oder Qigong mit schulmedizinischer Chemotherapie veröffentlicht und ein Buchkapitel über Schmerztherapie mit chinesischer Medizin in der Onkologie geschrieben.

Fünf Säulen zählt die chinesische Therapie: Pharmakologie mit Auskochungen pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Substanzen, Akupunktur, Diätetik, Massage und Qigong. „Als Ärzte nutzen wir davon vor allem die Akupunktur bei akuten Beschwerden und Dekokte bei chronischen Prozessen“, so Lampe. „Diätetik, also Ernährung, kann die Pharmakologie wirkungsvoll unterstützen oder auch behindern. Qigong-Übungen sind besonders wirksam in der Prävention und im Stabilisieren von Therapieerfolgen.“ So weit die Theorie. Ramona Hein erläutert, wie sie im komplementären Therapiealltag vorgeht. „Um Krebszellen zu töten, braucht es stark wirksame Medikamente, die leider auch Nebenwirkungen haben. Komplementäre Medizin kann helfen, diese Nebenwirkungen besser zu überstehen.“ Dabei ist weniger oft mehr, denn viele Patientinnen und Patienten sind fast zu motiviert, etwas zu tun. „Da nehme ich Druck raus und schaue mir in einer individuellen Beratung erst einmal an: Was braucht der Patient in seiner speziellen Situation und was nicht? Komplementärmedizin bedeutet nämlich auch: Wir lassen etwas weg, weil es stört“, sagt Hein.

Gutes Beispiel ist das Allerweltsmineral Zink – es steckt in jeder Multivitamintablette und jeder boostert damit im Winter sein Immunsystem. „Zink kann vor Entzündungen der Mundschleimhaut während einer Strahlentherapie helfen. Die dauerhafte Einnahme von Zink ohne nachgewiesenen Mangel sollte nicht erfolgen, da vermehrt Prostatakrebs und Blasenentzündungen auftreten können“, berichtet Hein.

Genau hinschauen gilt auch für Heilpflanzenextrakte, die mit einem Chemotherapiemedikament in Wechselwirkung treten können – und so die Wirkung des Krebsmedikaments schwächen oder dessen Nebenwirkungen sogar verstärken. Beides ist gefährlich. Deshalb durchforstet Oberärztin Hein gründlich Hausapotheke und Küchenschrank ihrer Patienten. „Viele wissen ja gar nicht, was ihnen schaden könnte, und manchen ist es peinlich zu sagen, was sie noch an Mitteln einnehmen. Da sind Feingefühl und Psychologie gefragt.“ pm

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Erstellt:
17. Juni 2025, 06:00 Uhr

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