Bereicherung der Liga: Stuttgart verzückt die Fachwelt

dpa Dortmund. Fünf Tore in Dortmund schafften zuletzt nur die Bayern vor über elf Jahren. Der VfB Stuttgart wiederholte dieses Kunststück. Der Auftritt beim vermeintlichen Titelanwärter ist eine weitere Bestätigung für exzellente Arbeit - und beendete die BVB-Zeit von Trainer Favre.

Dortmunds Manuel Akanji und Stuttgarts Silas Wamangituka (l-r.) in Aktion. Foto: Focke Strangmann/epa POOL/dpa

Dortmunds Manuel Akanji und Stuttgarts Silas Wamangituka (l-r.) in Aktion. Foto: Focke Strangmann/epa POOL/dpa

Der VfB Stuttgart verzückte - und sorgte mit seiner Demontage für einen radikalen Schnitt bei Borussia Dortmund. Einen Tag nach dem imposanten 5:1-Coup des schwäbischen Aufsteigers bei den Westfalen trennte sich der BVB von Trainer Lucien Favre. Mit viel Spielwitz, höchstem Tempo und imposanter Zweikampfführung hatten die Schwaben den hohen Favoriten am Samstag vorgeführt.

Im Kontrast zur Unruhe bei den Westfalen versetzte der furiose Auftritt den VfB in Hochstimmung. Sportdirektor Sven Mislintat richtete am nächsten Tag dennoch den Blick schnell auf die nächste Aufgabe schon am Dienstag gegen Union Berlin - und blieb bescheiden.

„Wenn du so ein Spiel machst, darfst du mit einem Lächeln aufwachen. Du darfst auch Selbstbewusstsein daraus ziehen“, sagte Mislintat - und stellte zugleich warnend klar: „Wir beschäftigen uns nicht mit Europa, sondern mit Union Berlin.“ Das Ziel des Aufsteigers bleibe der Klassenerhalt in der Fußball-Bundesliga, wiederholte der frühere BVB-Chefscout unmissverständlich.

Die Stuttgarter scheinen jedoch auf gutem Weg, eine neue Attraktion der Liga zu werden. Von den zeitweise ziemlich zähen Auftritten der vergangenen Spielzeit ist nicht mehr viel übrig geblieben, Abstiegssorgen sind für die junge Truppe von Trainer Pellegrino Matarazzo als Siebter momentan kein Thema. Doch auch Vorstandschef Thomas Hitzlsperger demonstrierte Bodenständigkeit und erinnerte am Sonntag auch an bittere Momente aus der vergangenen Zweitliga-Saison.

Nur wenige Minuten nach dem Abpfiff hatte sich der 38-Jährige noch ungewöhnlich euphorisch geäußert. „Ich könnt Konfetti kotzen, so happy bin ich über das, was ich gerade sehen durfte“, kommentierte der Vorstandschef via Twitter. Dass der Underdog dem hohen Favoriten aus dem Revier ausgerechnet in dessen Paradedisziplin Tempofußball eine Lehrstunde erteilte, erfüllte auch Pellegrino Matarazzo mit Stolz. „Wir haben brutal als Einheit funktioniert und mit Dominanz und Überzeugung gespielt“, schwärmte der VfB-Coach.

Die Schwaben sorgten für die höchste Heimniederlage des BVB seit September 2009. Dass dem VfB dieses Kunststück mit seiner zweitjüngsten Startelf der Bundesliga-Historie (23,37 Jahre) gelang, erhöhte die Freude. Torhüter Gregor Kobel zeigte sich guter Dinge, dass der Aufwärtstrend auch in den kommenden Wochen anhält.

Mit den Treffern von Silas Wamangituka (26./Foulelfmeter, 53.), Philipp Förster (60.), Tanguy Coulibaly (63.) und Nicolas González (90.+1) war die Borussia sogar noch gut bedient. „Wir hatten einfach den besseren Plan als der Gegner“, verwies Torschütze Förster auf die kluge Matchstrategie seines Trainers. Matarazzo blieb in seinen ersten sechs Bundesliga-Auswärtsspielen ohne Niederlage. Das schafften vor ihm nur sechs andere Fußball-Lehrer, darunter auch Joachim Löw in der Saison 1996/97 ebenfalls mit Stuttgart. Momentan ist der VfB die auswärtsstärkste Mannschaft der Liga.

Wie schnell der Aufsteiger in der Bundesliga mit Erfolgen beeindruckt, kommt überraschend. „Wir machen sehr gute Schritte in guter Geschwindigkeit. Es ist ein enormes Trainingsniveau und Engagement. Das ist der Grund, warum wir so schnell vorankommen“, sagte der Coach. Nach Einschätzung von Matarazzo ist die Mannschaft noch lange nicht am Optimum: „Bei Silas und bei vielen anderen Spielern ist das Potenzial grenzenlos.“

Die gute Perspektive des Teams ist auch ein Verdienst von Mislintat. Zwischen 2006 bis 2017 war der 48-Jährige Scout in Dortmund und kehrte nun als VfB-Sportdirektor an seine alte Wirkungsstätte zurück. Spiele wie in Dortmund dürften dazu beitragen, dass sein im Sommer auslaufender Vertrag in Kürze verlängert wird. Die Gespräche laufen seit Wochen, sind aber noch nicht abgeschlossen. Zu „komischen Gesprächen“ mit BVB-Kumpels habe das 5:1 bei seiner Heimkehr geführt, sagte Mislintat: „Ein Freund hat gestern gesagt: „Das war ein Blockbuster.““ Wie es wohl gegen Union Berlin weitergehen wird?

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Erstellt:
12. Dezember 2020, 17:50 Uhr

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