Erste Schildwirtschaft und Brauerei

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Bereits 1528 wird an der heutigen Schillerstraße eine Herberge erwähnt. Die Schildwirtschaft Schwanen öffnete schon vor dem Dreißigjährigen Krieg.

Dieses Bild wurde von der Rückseite des Gasthofs Schwanen aufgenommen und zeigt den Saalanbau um 1900. Repros: P. Wolf

Dieses Bild wurde von der Rückseite des Gasthofs Schwanen aufgenommen und zeigt den Saalanbau um 1900. Repros: P. Wolf

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. Beschäftigt man sich mit den historischen Fotos von Backnang, so fällt auf, dass es eine große Anzahl von Wirtschaften in der Stadt gab. Das liegt auch daran, dass Gasthäuser früher eine ganz andere Funktion hatten als heute. In Zeiten, in denen es noch kein Radio gab, waren die Wirtshäuser wichtige Begegnungsstätten für den Austausch von Nachrichten und Neuigkeiten.

In der Serie „Alte Backnanger Wirtschaften“, die in der Backnanger Kreiszeitung erschien, schreibt Helmut Bomm im Dezember 2008, dass es zu jenem Zeitpunkt bei 35600 Einwohnern 75 Gaststätten, Cafés und Eisdielen gab. Im Jahr 1900 waren es bei nur 7650 Einwohnern fast genauso viele. Ein Grund, abends in die Wirtschaft zu gehen, war auch der Mangel an häuslicher Beleuchtung, denn erst 1920 wurde Backnang an das Stromnetz angeschlossen. Die Beleuchtung im Haus war bis dahin nicht besonders gut und auch nicht billig. Um zu sparen, kamen Frauen in den Wintermonaten abends in sogenannten Lichtstuben zusammen, um gemeinsam Handarbeiten anzufertigen – und natürlich auch, um sich das Neueste zu erzählen. Die Männer trafen sich beim Schild-, Gassen- oder Besenwirt.

Eine Schildwirtschaft besaß ein Schild und einen Namen. Der Wirt war verpflichtet, Fremde zu beherbergen und ein gehobenes Maß an warmen Speisen und Getränken anzubieten. Erst in den 1930er-Jahren gab es primitive Rundfunkgeräte mit einem einfachen Programm, und 1957 zählte man 535 Fernsehgeräte in Backnang, so Bomm.

Diese Schwanenwirte betrieben alle das Metzgerhandwerk und waren meist Zunftmeister.

Die älteste Schildwirtschaft in Backnang war der Schwanen an der Stelle der heutigen Schillerstraße 7. Bereits 1528 wird an diesem Standort eine der Herrschaft Württemberg gehörende Herberge erwähnt, die neben Ausschank und Bewirtung auch Quartier für Reisende bot, heißt es in der Stadtchronik. In den Blättern des Murrgauer Altertumsvereins schreibt Gustav Hildt 1908, dass „die Schwane“ schon vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts im Besitz der Familie Lederer war. Diese Schwanenwirte betrieben alle das Metzgerhandwerk und waren meist Zunftmeister, oft auch Einzieher der Fleisch- und Viehaccise mit dem Titel eines Oberaccisers. Über den damaligen Schwanenwirt Johann Wilhelm Lederer wurde gesagt, er schlachte nur für seine Wirtschaft und den Hausgebrauch.

Um 1965 war die Schillerstraße noch eine Einbahnstraße.

Um 1965 war die Schillerstraße noch eine Einbahnstraße.

„Die Schwane“ war auch die älteste hiesige Brauerei, welche Bier in größerem Umfang herstellte, so Hildt weiter. Das erste Bier wurde aber im Nebenhaus gebraut, im Haus des Bäckers Michael Jäger (heute Schillerstraße 11). Nach einem Gerichtsprotokoll vom Jahr 1706 erhält Michael Jäger von „gnäd. Herrschaft“ die Erlaubnis, hinter seinem Haus „auf der Hofstatt“ seiner Schwiegermutter eine „Braustatt“ zu errichten. Es wurde ihm erlaubt, das Wasser aus dem Hirschbrunnen zu holen, der sich unterhalb des Rathauses auf der Seite zum Markt befand (heute: Am Rathaus). „Dieses Brauprodukt war gewiss noch kein Lagerbier, sondern ein leichtes obergäriges Getränk, von dem die Maas 4 fl.(Gulden) kostete“, schreibt Hildt.

Die „Braugerechtigkeit“ hat der benachbarte Schwanenwirt Lederer später erworben und vergrößert. Hinter dem Gasthof befand sich ein Anbau mit einem großen Tanzsaal, der schon auf der Urkarte von 1832 ausgewiesen ist. Ein Foto, das um 1900 entstanden ist, zeigt eine Außenterrasse für die Gäste in Richtung zum heutigen Obstmarkt. Gäste reisten damals noch mit der Pferdekutsche an und eine Schildwirtschaft musste Möglichkeiten zur Unterbringung der Pferde und Kutsche bieten. Die heutige Schillerstraße war ein zentraler Verkehrsweg, der von der Aspacher Brücke direkt zum Stadtzentrum führt. Der ursprüngliche Name war Schmiedgasse, weil hier zahlreiche Hufschmiede ansässig waren, heißt es in Helmut Bomms Buch „Was Straßenschilder erzählen“. Doch bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es schon keine Schmiede in der Straße mehr, und im Januar 1874 wurde sie in „Schwanengasse“ nach der traditionsreichen Wirtschaft umbenannt. Der Name Schillerstraße wurde im April 1888 festgelegt.

Als ob es nicht schon genug Wirtschaften gegeben hätte, boten zusätzlich viele Bäckereien und Metzgereien als kleines Zusatzeinkommen einen Ausschank an, so auch in der Schillerstraße. Direkt neben dem Gasthof Schwanen, im Haus, in dem das Bierbrauen in Backnang seinen Anfang nahm, schenkte der Bäcker und Wirt Karl Hahn um das Jahr 1900 Getränke aus. Wieder ein Haus weiter (heute Schillerstraße 11) konnte man beim Metzger und Wirt Wilhelm Reber ein Gläschen zu sich nehmen.

Der ehemalige Schwanen und das Nachbarhaus wurden 1982 abgerissen.

Wer es sich leisten konnte, dem mangelte es in Backnang nicht an Einkehrmöglichkeiten. Aber in der Schillerstraße waren auch Händler ansässig. Dass es um die Wende zum 19. Jahrhundert schon Schnäppchenläden in der Innenstadt gab, zeigt eine kolorierte Ansichtskarte, die 1905 abgestempelt ist. Im Jahr 1895 hatte Gottlieb Maier im Gebäude Schillerstraße 3 gegenüber dem historischen Rathaus einen „50-Pfennig-Bazar“ eröffnet. Seit 1900 gehörte der Schwanen der Stuttgarter Aktienbrauerei Wulle. Im „Schwanensaal“ fanden zahlreiche Veranstaltungen statt und er wurde auch als Tanzsaal genutzt. Der letzte Pächter des „Schwanen“ war der Gastwirt Eugen Seeger aus Reutlingen, heißt es im Backnang-Lexikon. Nach seiner Einberufung im Zweiten Weltkrieg wurde das Gasthaus 1940 endgültig geschlossen.

Die Stadtchronik informiert, dass der Gasthof zum Schwanen 1953 von der Stadt erworben wurde, die 1963 darin ein Obdachlosenheim einrichtete. Der Tanzsaal fiel 1974 der Abrissbirne zum Opfer. Seit dem Jahr 1981 ist die Schillerstraße Fußgängerzone. Der ehemalige Schwanen und das Nachbarhaus wurden 1982 abgerissen und ein Neubau in der Schillerstraße 7 bis 9 erstellt, in den 1983 die Metzgerei Bollinger einzog. Einige Jahre wurde das Gebäude als Metzgerei, Gaststätte und Hotel genutzt. Heute befindet sich darin unter anderem die Buchhandlung Osiander Backnang.

Die Ansichtskarte von der Schillerstraße wurde 1905 gestempelt.

Die Ansichtskarte von der Schillerstraße wurde 1905 gestempelt.

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Erstellt:
22. Juni 2021, 16:00 Uhr

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