DRK-Chef über Zugunglück

„Es fällt einem schwer, Worte dafür zu finden“

Der Geschäftsführer des DRK Biberach lobt die gute Koordination des Einsatzes am Tag nach dem Zugunglück in Riedlingen. Warum trotzdem eine Auswertung folgen wird.

Am Tag nach dem Unglück wird das Ausmaß der Zerstörung an den Waggons sichtbar.

© Nico Pointner/dpa

Am Tag nach dem Unglück wird das Ausmaß der Zerstörung an den Waggons sichtbar.

Von Christine Bilger

Michael Mutschler ist ein erfahrener DRK-Mann, er ist Geschäftsführer des Rettungsdienstes beim DRK Biberach. Aber was er am Sonntagabend hörte, als die erste Meldung der Rettungsleitstelle im Kreis Biberach kam, das fuhr ihm schon durch Mark und Bein. Ein „ManV“, ein Massenanfall von Verletzten, rund 100 schätzte man in der ersten Meldung – später wurde klar, dass es zwar 100 Personen in dem Zug waren, aber 40 verletzt wurden und drei starben.

Bei Riedlingen ist am Sonntag ein Zug entgleist – wie ein Zollstock klappten die aus den Schienen gehoben Waggons zusammen. Der Zugführer, sein Auszubildender und eine Passagierin starben. Am Tag nach dem Unglück spricht er über den Rettungseinsatz. „Ein Szenario, für das es einem schwer fällt, Worte zu finden“, nennt er das, was man bei Riedlingen zu sehen bekam.

„Ich bin froh und dankbar, dass die Leitstelle richtig reagiert und alles alarmiert hat, was geht – zusammen mit der Oberleitstelle in Stuttgart“, sagt er. Der Ablauf sei – nach allem, was er bislang wisse – perfekt organisiert gewesen. „Es waren allein mehr als 300 medizinische Einsatzkräfte dort“, schildert er. Sechs Rettungshubschrauber seien in der Luft gewesen. Die Einsatzkräfte kamen auch aus den Nachbarlandkreisen. Die Leitstelle habe nicht nur in Sachen Alarmierung richtig gehandelt. Auch habe sie zügig ihr eigenes Personal aufgestockt. Das sei in einer solchen Situation wichtig – auch, damit die Kommunikation laufe.

Ein Arzt, der mit einem Rettungshubschrauber zur Unglücksstelle kam, habe es ausgedrückt, was viele dachten: „Er sagte, es sei beeindruckend, wie schnell wie viele Einsatzkräfte da waren“, sagt Mutschler.

Es sei schwer, für eine solche Lage Worte zu finden. Aber es sei eben notwendig gewesen, mit vereinten Kräften schnell vorzugehen. „Die Feuerwehr hat unglaublich gut gearbeitet. Sie hat in unfassbarem Tempo Zugänge zu den Waggons geschaffen“, beschreibt der DRK-Mann. Er tue sich schwer, angesichts des Leids, dass die Verletzten und die angehörigen der Toten zurzeit durchlebten mit Superlativen zu arbeiten. Aber: „Man muss trotzdem anerkennend sagen: Es war eine geniale Leistung.“

Seelsorger sind auch für die Einsatzkräfte da

Auch wenn alles geklappt habe, würden die Einsatzkräfte nicht so ohne weiteres in den Alltag zurückkehren. Zum einen ist so ein schweres Unglück natürlich extrem belastend. Notfallseelsorger seien nicht nur für die Verletzten und Angehörigen, sondern auch für die Rettungskräfte im Einsatz gewesen.

Das ist die emotionale Seite der Aufarbeitung. Eine rationale, analytische Betrachtung werde ebenfalls folgen. „Eine genaue Bewertung ist am ersten Tag danach natürlich noch nicht möglich“, sagt Mutschler. Aber „sobald alle Daten vorliegen, werden wir das angehen“, betont der Geschäftsführer des Rettungsdienstes in Biberach. Man werde sich die einzelnen Prozesse genau anschauen. Nicht, um ein Haar in der Suppe zu finden. „Sondern um noch besser zu werden“, so Mutschler. Das finde im Nachgang statt, organisationsübergreifend mit der Feuerwehr und der Polizei in den kommenden Wochen.

THWler lobt die „sehr klare Kommunikation“

Was er jetzt schon sagen könne: Es habe eine sehr klare Kommunikation gegeben. „Die Patienten wurden sehr schnell in Kliniken gebracht“, das habe in der Situation höchste Priorität.

Rund lief der Einsatz auch aus Sicht von Michael Waldraff, dem ehrenamtlichen Ortsbeauftragten des THW Riedlingen. „Noch nie haben drei Ortsverbände so schnell eine Beleuchtung zusammen aufgebaut“, hieß es am Sonntagabend – neben all der Betroffenheit über das menschliche Leid des Zugunglücks habe man die gute Zusammenarbeit wertschätzen können.

Gegen 19 Uhr sei das Technische Hilfswerk alarmiert worden. Der komplette Ortsverband rückte in die Leitstelle ein, schildert Waldraff. Zugführer und Zugtruppenführer gingen dann zur Feuerwehr zur allerersten Besprechung. Die Aufgaben waren schnell verteilt: „Wir bekamen den Auftrag, die 200 Meter der Unfallstelle auszuleuchten, damit die anderen arbeiten können“, sagt der Ortsbeauftragte. Doch sie merkten bald, dass mehr gebraucht wurde. Die Ortsverbände, Biberach, Ehingen und Pfullendorf wurden alarmiert. Bei aller Notwendigkeit zu handeln sei die Betreuung der einzelnen Helfer nicht zu kurz gekommen. „Wir haben allen gesagt, wenn sie das nicht ertragen, was sie sehen, die Verletzten, die Wracks der Waggons, die Toten – dann sollen sie es sofort sagen, dann holen wir sie raus“, sagt Waldraff. Es gebe die Alternative, abseits der Unfallstelle am Aggregat zu helfen. „Aber es hat niemand gebraucht“, fügt er ruhig hinzu – wissend, was seine THW-Kameraden in der Nacht sahen. Bis gegen Mitternacht blieben die THWler, zehn von ihnen blieben mit der Polizei draußen.

Bis gegen 22 Uhr sollten am Montagabend die Bergungsarbeiten dauern. Damit die Bahn mit Kran und anderen Spezialfahrzeugen zu dem verunglückten Zug durchkam, schnitt das THW am Montag den Weg frei. Gegen 17.30 Uhr begann der Schichtwechsel und die THWler machten sich wieder bereit, be Einbruch der Dunkelheit für Beleuchtung an der Unfallstelle zu sorgen. Auch am Dienstag sollen noch Aufräumarbeiten laufen. Wie lange, das stand am Montag noch nicht fest.

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Erstellt:
28. Juli 2025, 18:10 Uhr
Aktualisiert:
28. Juli 2025, 19:00 Uhr

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