Lawrow in Ankara

Eskorte für ukrainischen Weizen

Die Türkei will mit Sergej Lawrow über einen „Getreide-Korridor“ im Schwarzen Meer verhandeln. Für die Ukraine birgt das Risiken, sie fordert Sicherheitsgarantien.

Der einzige Weg ins Mittelmeer führt über die Meerenge am  Bosporus.

© Emrah Gurel/AP/dpa/Emrah Gurel

Der einzige Weg ins Mittelmeer führt über die Meerenge am Bosporus.

Von Susanne Güsten

Russlands Außenminister Sergej Lawrow kommt am Mittwoch nach Ankara, um über einen „Getreide-Korridor“ im Schwarzen Meer zu verhandeln. Es ist eine UN-Einsatzzentrale in Istanbul vorgesehen, die den Transport von Millionen Tonnen Getreide zu den Weltmärkten koordinieren soll. Nach russischen Angaben gibt es für den ukrainischen Hafen Odessa bereits eine Grundsatzeinigung.

Russland stiehlt Weizen

Russland und die Ukraine sind die wichtigsten Getreide-Exporteure der Welt. Der russische Angriff auf die Ukraine lässt die Ausfuhren sinken und weltweit die Getreidepreise steigen. Eine russische Seeblockade vor der ukrainischen Schwarzmeer-Küste verhindert nach ukrainischen Angaben den Export von rund 20 Millionen Tonnen Getreide. Bis zum Herbst könnten es laut Präsident Wolodimir Selenskij 75 Millionen Tonnen werden. In Ländern im Nahen Osten und Afrika werden Mehl, Brot und Nudeln knapp.

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Kiew wirft Russland zudem vor, Getreide aus eroberten ukrainischen Häfen zu stehlen und zu exportieren. Russland hat nach Medienberichten schon mindestens 27 000 Tonnen ukrainischen Weizens ins verbündete Syrien geschickt. Gestohlener Weizen finde auch in der der Türkei Abnehmer, behauptet die ukrainischen Botschaft in Ankara.

Die Türkei versteht sich als Vermittler im Ukraine-Krieg und wacht über den Bosporus und die Dardanellen – die einzige Schifffahrtsroute vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer. In Gesprächen zwischen der UNO, der Türkei und den beiden Kriegsparteien sollen der Verlauf des See-Korridors geklärt werden. Auch die Verteilung von Verkaufserlösen solle besprochen werden. Die russische Zeitung „Iswestija“ meldete, die türkische Marine solle in den Gewässern vor der Küste von Odessa die Minen räumen und Frachter aus dem Hafen begleiten. Dann sollen russische Schiffe die Eskorte bis zum Bosporus übernehmen. Aus Ankara und Kiew gab es zunächst keine Bestätigung.

Kriegsparteien sind misstrauisch

Ankara beteiligt sich nicht an westlichen Sanktionen gegen Moskau und hält seinen Luftraum für zivile russische Flugzeuge geöffnet. Deshalb kann Lawrow am Mittwoch ungestört nach Ankara reisen. Mit den Gesprächen versucht die türkische Regierung, neue Kontakte zwischen den Kriegsparteien in Gang zu bringen. Das Misstrauen zwischen der Ukraine und Russland könnte den Plan jedoch scheitern lassen. Kiew will, dass sichergestellt wird, dass Russland die Situation nicht ausnutzt, um die ukrainische Küste vom Meer her anzugreifen, sagte der Istanbuler Sicherheitsexperte Yörük Isik unserer Zeitung. Russische Kriegsschiffe könnten etwa Odessa angreifen, wenn die Minen geräumt seien. Die Ukraine dürfte darauf bestehen, dass sich Staaten wie die Türkei oder Großbritannien verpflichten, militärisch einzugreifen, sollte Russland den „Getreide-Korridor“ für Angriffe benutzen, schätzt Isik. Doch Garantien bergen das Risiko von Gefechten zwischen Nato-Staaten und Russland. So hat der Westen bisher Zusagen an Kiew vermieden. Russland wiederum befürchte, dass Frachter militärisches Gerät einschmuggeln könnten, wenn sie ukrainische Häfen anfahren, um Getreide zu laden.

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Erstellt:
7. Juni 2022, 14:22 Uhr

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