Gasnotfallplan der Europäischen Union

15 Prozent Gas sparen – Das sind die Vorgaben von der Leyens an die EU

Europa will die Folgen eines möglichen Lieferstopps von russischem Gas abfedern. Im Notfall könnten die Länder zum Sparen gezwungen werden.

EU-Kommissionschef Ursula von der Leyen will, dass die EU-Länder im Sommer Gas sparen, um sicher durch den Winter zu kommen.

© AFP/JOHN THYS

EU-Kommissionschef Ursula von der Leyen will, dass die EU-Länder im Sommer Gas sparen, um sicher durch den Winter zu kommen.

Von Knut Krohn

Ursula von der Leyen gibt sich keinen Illusionen hin. Die vollständige Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Europa hält die EU-Kommissionspräsidentin inzwischen für „ein wahrscheinliches Szenario“. Auch für die Ziele Moskaus findet sie sehr klare Worte: „Russland erpresst uns. Russland setzt Energie als Waffe ein.“ Die Versorgung von privaten Haushalten und besonders zu schützenden Einrichtungen, etwa Krankenhäuser, müsse deshalb frühzeitig sichergestellt sein.

Die Sparziele sind vorerst freiwillig

Um auf alle Szenarien vorbereitet zu sein, präsentiert Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel den mit Spannung erwarteten EU-Gasnotfallplan. Der sieht vor, dass die einzelnen Länder der Europäischen Union in den kommenden Monaten Einsparungen von jeweils 15 Prozent vornehmen. „Jedes Land muss selbst entscheiden, wie und wo es den Gasverbrauch senkt“, sagte die Kommissionschefin, da würden keine Vorschriften gemacht.

Sie betonte zudem wiederholt, dass die Verpflichtung auf die Sparziele freiwillig sei, erklärte dann aber auch, dass die Staaten im Fall einer Versorgungsnotlage auch zum Sparen gezwungen werden könnten. Voraussetzung für die Einführung von verpflichtenden Einsparzielen wäre, dass die EU-Kommission wegen einer Unterversorgung mit Gas akute Notsituationen befürchten. Sie kann den Notstand auch ausrufen, wenn sie von mindestens drei EU-Staaten dazu aufgefordert wird.

Die EU-Staaten müssen noch zustimmen

Die Kommission kann den am Mittwoch in Brüssel präsentierten Notfallplan Gas nicht eigenständig beschließen, sondern nur den Mitgliedsländern vorschlagen. Diese werden in den nächsten Tagen darüber beraten und am 26. Juli sollen die Energieminister dem Papier bei einer Sondersitzung formal zustimmen.

Gegen das Vorhaben regt sich jedoch bereits Widerstand. Die Regierung in Polen hat zu erkennen gegeben, dass sie eigene Notfallpläne habe und die EU-Vorschläge für unnötig halte. Das Land befindet sich allerdings in einer komfortablen Position, da die polnischen Gasspeicher zu 98 Prozent gefüllt sind. Warschau hatte schon früh vorgesorgt, nachdem Russland die Lieferungen an das Land bereits im April eingestellt hatte. Auch aus Ungarn heißt es, dass man im Herbst kein Gas an andere Länder liefern werde. Ursula von der Leyen betonte in Brüssel allerdings, dass die Europäische Union in dieser tiefen Krise zusammenstehen und Solidarität zeigen müsse. Sie mahnte, dass die EU die Schwierigkeiten nur bewältigen könne, wenn sie geschlossen handele. Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach zudem davon, dass bereits zwölf EU-Länder gar nicht mehr oder nur eingeschränkt von Russland mit Gas beliefert würden.

Private Haushalte sind besonders geschützt

Die EU-Kommission unterstrich in ihrem Notfallplan, dass private Haushalte keine Angst haben müssen, dass ihnen zuerst das Gas abgedreht werde. Sie zählten zu den „geschützten Kunden“ und wären im Notfall die letzten, die von Gaskürzungen betroffen wären. Es wird aber auch hervorgehoben, dass sie eine herausgehobene Rolle beim Sparen spielen. Private Haushalte werden daher in dem Papier „ermutigt“, Klimaanlagen und Heizungen runter zu drehen, Häuser zu isolieren und keine Energie zu verschwenden.

Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer, begrüßte am Mittwoch den Notfallplan. „Die EU-Kommission ist mit ihrem Gasplan auf dem richtigen Weg: nur durch schnelle und pragmatische Gaseinsparungen kommen wir durch den nächsten Winter“, erklärte er. Dercks fordert allerdings auch, dass die Unternehmen entschädigt werden müssten, die schon im Sommer ihren Gasverbrauch ganz oder teilweise drosseln.

Rückendeckung aus dem Parlament

Rückendeckung bekommt Ursula von der Leyen auch aus dem Europaparlament. „Es ist richtig, dass die Europäische Kommission die Maßnahmen der Mitgliedstaaten für den Gas-Notstand koordiniert“, erklärt Angelika Niebler, Vorsitzende der CSU-Europagruppe im Europaparlament. Sie setzte auf die Solidarität unter den EU-Mitgliedern und hofft, dass die Union die Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen hat, „als EU-Staaten einfach ihren Grenzen geschlossen haben“.

Ob und in welchem Umfang Deutschland seinen Gasverbrauch weiter senken muss, um das von der EU-Kommission vorgegebene 15-Prozent-Ziel zu erreichen, war zunächst unklar. In den ersten fünf Monaten des Jahres war der Gasverbrauch in Deutschland gut 14 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte.

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Erstellt:
20. Juli 2022, 15:06 Uhr
Aktualisiert:
20. Juli 2022, 15:26 Uhr

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