Umweltschutz
EU-Kommission will Pestizide unbefristet zulassen
Für Glyphosat und ähnliche Pflanzenschutzmittel soll die Pflicht zur regelmäßigen Neuzulassung wegfallen. Die Kritik an diesem Vorschlag aus Brüssel ist laut.
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Die EU-Kommission will Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat in der EU künftig zeitlich unbefristet zulassen. Doch die Empörung nicht nur bei Umweltschützern ist groß.
Von Knut Krohn
Die EU-Kommission hat ihren brisanten Vorschlag taktisch klug platziert. Zwischen den in dieser Woche hitzig diskutierten Aufregerthemen Verbrenner-Aus und Ukraine-Hilfe erklärte die Brüsseler Behörde, dass Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat in der EU künftig zeitlich unbefristet zugelassen werden sollen. Die bisher erforderlichen regelmäßigen Neuzulassungen für Wirkstoffe würden abgeschafft. Die gefährlichsten Substanzen sollen davon ausgenommen werden. Erneuerungen und gezielte Neubewertungen sollen nach Willen der Kommission dann durchgeführt werden, wenn es wissenschaftliche Gründe dafür gibt.
Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus
Was im normalen Politikbetrieb der EU die Schlagzeilen dominiert hätte, fand angesichts des gedrängten Zeitplans und vieler wichtiger Entscheidungen vor Weihnachten im ersten Moment kaum Beachtung. Erst am Tag nach der Ankündigung bahnte sich die Empörung der Kritiker ihre Bahn. Der Europaparlamentarier Martin Häusling, Vertreter der Grünen-Fraktion im Umweltausschuss, erklärte, dass mit dieser Forderung der „Umwelt- und Gesundheitsschutz mit Füßen“ getreten werde. Unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus und der Deregulierung würden „zentrale Schutzregeln“ aufgeweicht – „mit gravierenden Folgen für Kinder, Verbraucher, Umwelt, Biodiversität und die öffentliche Gesundheit“. Häusling kritisiert, dass mit der unbegrenzten Zulassung der Wirkstoffe der wichtigste Sicherheitsmechanismus der EU ausgehebelt werde, „die regelmäßige, wissenschaftliche Neubewertung“. Im Moment wird die Zulassung eines aktiven Wirkstoffs in der Union nur für einen begrenzen Zeitraum bis zu 15 Jahren erteilt und muss danach neu bewertet werden. Ohne erfolgreiche Erneuerung läuft die Zulassung aus.
Den Kritikern widersprechen die beiden konservativen Europaabgeordneten Norbert Lins (CDU) und Stefan Köhler (CSU). Sie betonen, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagenen neuen Genehmigungs- und Kontrollverfahren entlang der Lebensmittelkette im sogenannten „Food-and-Feed-Omnibus“-Paket vor allem für die Landwirte notwendige Vereinfachungen bringen würden. „Zu viele Ressourcen fließen bislang in immer neue Prüfungen bewährter Pflanzenschutzmittel, während neue Lösungen auf den Feldern fehlen“, sagen sie. Zudem sorge die vorgeschlagene Vorgabe in der Praxis für „verlässlichere Rahmenbedingungen“.
Auch Glyphosat fällt unter die Regelung
Unter die neue Regelung fallen würde auch das umstrittene Pestizid Glyphosat, das die EU-Kommission nicht als gefährlich einschätzt. Glyphosat ist ein sogenanntes Totalherbizid, das nahezu alle grünen Pflanzen schädigt. Es wird seit Mitte der 1970er Jahre vor allem unter dem Handelsnamen „Roundup“ genutzt und ist heute in zahlreichen Pflanzenschutzmitteln verschiedener Hersteller enthalten. Die EU hat die Genehmigung für Glyphosat zuletzt bis Ende 2033 verlängert. In einem Teil der Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, sind Anwendungen in Haus- und Kleingärten sowie auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, verboten oder stark eingeschränkt.
Auch Maria Noichl, agrarpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten, ist angesichts der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Veränderungen besorgt und beklagt eine „gefährliche Abkehr“ vom Vorsorgeprinzip. Dabei sei die regelmäßige Überprüfung der Wirkstoffe besonders wichtig. Sie räumt ein, dass es aktuell im Zulassungs- und Genehmigungsverfahren Mängel gebe, die gingen aber eher auf die unzureichende personelle und finanzielle Ausstattung der zuständigen Behörden zurück. „Diese Mängel durch den Abbau von Sicherheitsstandards zu bekämpfen, ist für uns nicht akzeptabel“, betont Maria Noichl.
Umweltschützer kritisieren den Vorschlag scharf
Scharfe Kritik kommt auch vom Umweltinstitut München, das befürchtet, dass unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus zentrale Schutzmechanismen geschwächt würden. Dessen Geschäftsführer Fabian Holzheid erklärt: „Die wiederkehrende Überprüfung von Pestiziden ist ein zentrales Element des europäischen Verbraucherschutzes. Wird sie abgeschafft, erhöht sich die Gefahr deutlich, dass Pestizide über Jahrzehnte im Einsatz bleiben, obwohl sie untragbare Risiken für Umwelt und Gesundheit bergen.“
Dass der Vorschlag der EU-Kommission in allen Punkten umgesetzt wird, ist allerdings unwahrscheinlich. In der nächsten Phase müssen die EU-Staaten und das Europaparlament das Papier diskutieren, was vor allem bei umstrittenen Themen auch größere Änderungen nach sich ziehen kann.
