Landwirtschaft

EU-Kommission will Umweltregeln für Bauern lockern

Die Lebensmittelpreise steigen und es drohen Engpässe bei der weltweiten Versorgung. Nun soll die Lebensmittelproduktion angekurbelt werden.

In Deutschland soll die Lebensmittelproduktion angekurbelt werden. Dazu sollen auch für einige Zeit die Umweltstandards für die Landwirte gesenkt werden.

© dpa/Julian Stratenschulte

In Deutschland soll die Lebensmittelproduktion angekurbelt werden. Dazu sollen auch für einige Zeit die Umweltstandards für die Landwirte gesenkt werden.

Von Knut Krohn

Jürgen Maurer ist nicht immer zufrieden mit den Entscheidungen aus Brüssel in Sachen Agrarpolitik. „Die EU-Politiker sollten weniger untereinander diskutieren, sondern sich mehr an den Realitäten der Bauern orientieren“, fordert der Landwirt aus Kupferzell, einer kleinen Gemeinde in Baden-Württemberg. Dass nun aber angesichts der weltweit steigenden Lebensmittelpreise und drohender Engpässe in der Versorgung etwa mit Weizen in der Europäischen Union die Umweltregeln für Landwirte gelockert werden sollen, findet Jürgen Maurers ungeteilten Beifall. Konkret will die EU-Kommission für ein Jahr Ausnahmen für sogenannte Fruchtfolgeregeln und Stilllegungen von Ackerflächen gewähren, um so die Lebensmittelproduktion zu erhöhen. Die Ukraine ist einer der wichtigsten Weizenexporteure. Wegen des russischen Kriegs können Millionen Tonnen nicht ausgeführt werden.

Ungewöhnliche Wege in ungewöhnlichen Zeiten

„In dieser außergewöhnlichen Situation mit dem Krieg müssen auch ungewöhnliche Wege gegangen werden“, sagt der Landwirt und liegt damit auf einer Linie mit Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk. „Dies ist ein wichtiges Signal, dass die EU auf die aktuelle Lage auf den Weltgetreidemärkten geschlossen reagiert, um drohende weitere Hungerkrisen einzudämmen“, erklärte der CDU-Politiker.

Geplant hatte die EU, dass ab dem Jahr 2023 für Landwirte höhere Umweltstandards gelten sollten. Darin sind auch Vorgaben enthalten, dass die Bauern nicht die gleichen Ackerpflanzen hintereinander anbauen sollen, um die Böden zu schonen. Zudem sollten eigentlich vier Prozent der Ackerfläche nicht mehr bewirtschaftet werden, um dort etwa mit Brachflächen, Blühstreifen oder Hecken dem Artensterben etwas entgegenzusetzen. Diese Regelungen sollen nun mindestens für ein Jahr ausgesetzt werden.

Minister Özdemir ist in der Frage gespalten

Bundesagrarminister Cem Özdemir ist in dieser Frage gespalten. Er unterstützt Ausnahmen für die Fruchtfolge. Berechnungen des Agrarministeriums zeigten, dass durch den Anbau von Weizen auf Weizen deutlich mehr Getreide geerntet werden könne, sagte der Grünen-Politiker vor wenigen Tagen in Brüssel. Dies bringe in Deutschland voraussichtlich 3,4 Millionen Tonnen mehr ein.

Özdemir sieht eine Aussetzung der Flächenstilllegung aber sehr kritisch. Es gebe „deutlich größere Hebel, die Brüssel aber leider nicht gezogen hat“, so der Bundesminister. Er verwies darauf, dass auf 14 Prozent der Ackerfläche allein in Deutschland Pflanzen angebaut würden, die später in der Biosprit-Produktion verwendet würden. „Es gibt gerade keinen guten Grund für Getreide im Tank. Das muss runtergefahren werden“, forderte Özdemir.

Gegenwind für Özdemir aus der eigenen Partei

Mit seinen Äußerungen zur Fruchtfolge stößt der Bundesagrarminister aber in der eigenen Partei auf Widerspruch. Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, sagt dazu: „Mit dieser nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich unsinnigen Entscheidung verabschiedet sich die EU-Kommission endgültig von ihren vollmundigen Ankündigungen zum Schutz der Artenvielfalt. Wer glaubt, mit einer solchen Aussetzung nennenswerte Zusatzerträge zu produzieren, irrt.“ Die Kommission sei bei der Lockerung der Umweltstandards vor der Agrar-Lobby „jämmerlich eingeknickt“, poltert der Umweltschützer.

Linderung des Hungers in der Welt

Ganz anders sieht das Norbert Lins von der CDU. „Die Europäische Kommission hat eine richtige und dringend notwendige Entscheidung getroffen“, sagt der Agrarexperte im Europaparlament. Der verstärkte Anbau von Ackerfrüchten in Europa sorge nicht nur für die eigene Versorgung, sondern trage auch zur Linderung des Hungers in der Welt bei.

Ob die Lockerungen der Umweltstandards in den kommenden Monaten tatsächlich umgesetzt werden, wird am Ende aber nicht von der EU-Kommission entschieden, sondern in den einzelnen Mitgliedstaaten. In Deutschland treffen sich deswegen die Agrarminister der Länder, um über den weiteren Weg zu beraten.

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Erstellt:
25. Juli 2022, 18:14 Uhr
Aktualisiert:
25. Juli 2022, 21:14 Uhr

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