Verbraucherschutz

EU will Regeln für Gentechnik lockern

Bestimmte gentechnisch veränderte Lebensmittel sollen in Zukunft nicht mehr gekennzeichnet werden müssen. Das gilt auch für die Produkte im Supermarkt.

Lebensmittel, bei deren Hersetllung Gen-Technik verwendet wurde, müssen in der EU gekennzeichnet werden. Das könnte sich zu Zukunft in Teilen ändern.

© Sina Schuldt/dpa

Lebensmittel, bei deren Hersetllung Gen-Technik verwendet wurde, müssen in der EU gekennzeichnet werden. Das könnte sich zu Zukunft in Teilen ändern.

Von Knut Krohn

In Deutschland machen die Verbraucher einen großen Bogen um gentechnisch veränderte Lebensmittel - zu groß ist die Skepsis. Nun aber will die EU die Regeln für den Einsatz sogenannter Neuer Genomischer Verfahren (NGT) deutlich lockern. Das heißt, dass diese Produkte in Zukunft auch ohne spezielle Prüfung und ohne Kennzeichnung den Weg in die Supermarktregale finden könnten. Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich in der Nacht zu Donnerstag in Brüssel darauf, entsprechende Züchtungen von den strengen EU-Gentechnikregeln auszunehmen. Völlig gentechnikfrei soll in Zukunft aber weiterhin die Biolandwirtschaft bleiben.

Bessere Pflanzen für die Zukunft

Befürworter erhoffen sich durch die NGT eine gezielte Weiterentwicklung von Pflanzen, die sich angesichts zunehmender Trockenheit besser an klimatische Veränderungen anpassen können, weil sie etwa weniger Wasser benötigen. Ziel ist es auch die Pflanzen unempfindlicher gegenüber Krankheiten zu machen. So besteht die Hoffnung, etwa eine Weizensorte zu entwickeln, die gegen die Pilzkrankheit Mehltau resistent ist. Die Wissenschaftler argumentieren, dass die Eingriffe mithilfe der sogenannten Gen-Schere Crispr-Cas die Entwicklungen lediglich beschleunigen, die bisher durch herkömmliche Züchtungsmethoden erreicht worden sind.

Die Kritiker der Neuen Gentechnik schlagen hingegen die Alarmglocken. Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling glaubt, dass „die Agrar- und Gentechnikindustrie heute wohl die Sektkorken knallen lässt“. Für ihn ist die Entscheidung nicht nur eine Bedrohung der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft, sondern auch für die gesamte Umwelt und den Verbraucherschutz in Europa. Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband bezeichnet die Brüsseler Entscheidung als eine „herbe Enttäuschung“. Die Verbraucherorganisation Foodwatch spricht von einem Geschenk an die Agrar-Lobby. Die Kritiker befürchten auch einen gewissen Missbrauch, dass etwa in den Pflanzen deutlich mehr Veränderungen vorgenommen werden, als durch natürliche Mutationen entstehen könnten.

Zwei Kategorien von veränderten Pflanzen

In Zukunft soll es zwei Kategorien für genetisch veränderte Pflanzen geben. In die erste Kategorie fallen die Neuen Züchtungstechniken. Die strengen EU-Regeln für Gentechnik gelten aber weiter für Pflanzen, bei denen artfremde Gene eingebracht werden. Diese sogenannte Transgenese fällt unter die genau vorgeschriebene Zulassungsregeln und muss auch für den Verbraucher deutlich sichtbar ausgezeichnet werden. Das entsprechende Verfahren dauert in der Regel mehrere Jahre.

Gestritten wurde in den vergangenen Monaten auch über die Frage der Patente, mit denen in Zukunft die neuen Sorten und Technologien geschützt werden könnten. Geplant ist eine öffentliche Datenbank, in der alle Patente auf Gentechnik-Methoden und Saatgut hinterlegt werden sollen. So soll die Gefahr für Saatguthersteller verringert werden, unabsichtlich Patente zu missachten und Gerichtsverfahren zu riskieren. Kritiker warnen, dass große Agrarkonzerne sich die zentralen Patente sichern könnten und die mittelständische Saatguthersteller leer ausgehen.

Viel Kritik von Umwelschützen an der Regelung

„Künftig werden Großkonzerne immens von ihren Patenten profitieren und sich nicht mehr an das Vorsorgeprinzip der EU halten müssen“, klagt Thomas Waitz, Agrarkoordinator der Grünen im Europaparlament. Er warnt, dass diese Entwicklung „die Ernährungssicherheit Europas“ gefährden könnte. Auch der Deutsche Bauernverband sieht Patente auf neue Züchtungen kritisch. „Wenn zentrale Pflanzeneigenschaften von einzelnen Unternehmen monopolisiert werden, verlieren unsere Landwirte und kleine und mittelständische Züchter den Zugang zu wichtigem genetischem Material“, sagte die Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbandes, Stefanie Sabet.

Begleitet wurde der Streit über die Neue Gentechnik auch von einer heftigen politischen Auseinandersetzung. Abgeordnete von Grünen und Sozialdemokraten werfen der zuständigen Verhandlungsführerin - der konservativen Schwedin Jessica Polfjärd – vor, die ursprünglich gemachten Vorgaben des Parlaments während der Verhandlungen einfach ignoriert zu haben. Das konnte sie sich allerdings erlauben, weil ihr Mandat noch aus der vergangenen Legislaturperiode stammte und teils mit einer Mitte-Links-Mehrheit beschlossen worden war, die im aktuellen Parlament nicht mehr genügend Stimmen hat. Aus diesem Grund ist der nächste große Streit im Europaparlament bereits programmiert. Denn die Mehrheit der Abgeordneten muss dem Kompromiss noch zustimmen. Der Grünen-Abgeordnete Martin Häusling geht davon aus, dass der Deal im Europaparlament nur mit Unterstützung der Fraktionen vom extremen rechten Rand eine Mehrheit bekommt. Das wird die Diskussion um die sogenannte Brandmauer erneut befeuern.

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Erstellt:
4. Dezember 2025, 16:32 Uhr

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