Nahost-Politik

Europa macht Druck auf Israel wegen Gaza

Die humanitäre Situation im Gazastreifen spitzt sich seit Monaten zu. Auch ein Hilfsabkommen bringt keine Entlastung, nun wird der Ruf nach EU-Sanktionen gegen Israel immer lauter.

Gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu liegt ein internationaler Haftbefehl vor.

© Maya Alleruzzo/AP/dpa

Gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu liegt ein internationaler Haftbefehl vor.

Von Knut Krohn

Hadja Lahbi gibt sich keine Mühe, ihre Frustration zu verbergen. Israel halte sich nur teilweise an das Versprechen, die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen besser zu versorgen, sagt die zuständige EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel. Erst vergangene Woche hatte die Europäische Union ein Abkommen mit Israel über die Ausweitung der humanitären Hilfe verkündet.

Es sollten mehr Grenzübergänge geöffnet werden, damit Hilfs- und Lebensmittel-Lastwagen in den Gazastreifen gelangen, lebenswichtige Infrastruktur sollte repariert und Helfer sollten besser geschützt werden. Doch nun konstatierte Hadja Lahbib am Dienstag, dass es zwar einige Fortschritte gebe, aber es stehe fest, dass Israel die Vereinbarung nur ungenügend umsetze. Noch immer würden etwa die Hilfslieferungen an der Grenze zurückgehalten.

EU ringt um eine gemeinsame Position

Sehr deutlich kritisierte die EU-Kommissarin auch die anhaltenden israelischen Luftangriffe in Gaza. Wegen dieser Bombardements könnten Hilfsorganisationen nicht vor Ort arbeiten. Am Wochenende seien mehr als 100 Menschen gestorben – hauptsächlich Kinder und Frauen – während sie auf die Verteilung von Nahrung und Wasser gewartet hätten.

Seit Monaten ringt die Europäische Union um eine gemeinsame Position angesichts des Krieges im Nahen Osten. Zuletzt wurde unter der Regie der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas ein Papier ausgearbeitet, auf dem mögliche Maßnahmen aufgelistet sind, um die israelische Regierung in Richtung einer Verhandlungslösung zu drängen. Erwähnt werden Handelsbeschränkungen oder auch das Aussetzen des EU-Forschungsprogrammes Horizon mit Israel. Auch der Stopp von Waffenlieferungen wird aufgelistet. Zudem könnten Einreisebestimmungen für israelische Staatsbürger verschärft und Sanktionen gegen Politiker verhängt werden, die eine Verantwortung für die katastrophale humanitäre Situation im Gazastreifen tragen.

Dass alle Optionen umgesetzt werden, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn für die meisten Punkte bedarf es der Zustimmung aller 27 EU-Mitglieder. Einige Staaten lehnen aber Sanktionen ab. Dazu gehört auch Deutschland. Aber selbst in Berlin, das immer wieder die besondere geschichtliche Verantwortung gegenüber Israel betont, schwindet der Rückhalt.

Kritische Töne von Kanzler Merz

Selbst Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spart inzwischen nicht mehr mit Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs im Gazastreifen. „Mir gefällt, was die israelische Regierung tut, schon seit vielen Wochen nicht mehr“, sagte Merz im ARD-Sommerinterview am Wochenende in Berlin. Die Palästinenser hätten einen Anspruch auf einen Platz, an dem sie leben könnten. Die derzeitige Situation im Gazastreifen sei nicht akzeptabel.

In diesen Tagen macht auch ein offener Brief von 27 ehemaligen Botschaftern und Botschafterinnen der Europäischen Union die Runde. Darin fordern sie die EU auf, „angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen“ den Druck auf Israel zu erhöhen. Auch sie sehen die Uneinigkeit Europas als zentrales Problem, doch schreiben die Ex-Diplomaten, dass nicht alle Sanktionen eine einstimmige Entscheidung erfordern würden. So könnten etwa Handelsbeschränkungen oder das Einfrieren des Horizon-Forschungsprogramms mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Gleiches gelte für ein „vollständiges Verbot der Einfuhr aller Güter und Dienstleistungen aus illegalen israelischen Siedlungen im Westjordanland“. Auch EU-Kommissarin Lahbib betonte am Dienstag bei dem Treffen der Außenminister in Brüssel, dass Europa Sanktionen gegen Israel in Erwägung ziehen müsse, sollte sich die Regierung nicht an die Hilfsvereinbarungen halten. „Es ist wichtig, den Druck aufrechtzuerhalten“, sagte die Belgierin, sonst bewege sich nichts.

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Erstellt:
15. Juli 2025, 15:44 Uhr

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