Europa sitzt am kurzen Hebel
Ohne schnelle Reformen wird die EU im Wettbewerb gegen Peking und die USA nicht bestehen können.
Von Knut Krohn
Brüssel - Zu normalen Zeiten wäre das Jubiläum ein Grund zum Feiern. Vor fünfzig Jahren haben China und die Europäische Union politische Beziehungen aufgenommen. Doch die Weltlage ist nicht normal, weshalb beim Gipfel in Peking keine Feststimmung angesagt war – im Gegenteil. Das Verhältnis zwischen Brüssel und Peking ist so schlecht wie seit Jahren nicht – und es sieht nicht so aus, dass sich dieser Zustand schnell ändern könnte. Dabei sind die Probleme klar umrissen und lassen sich an einer Hand aufzählen: Krieg in der Ukraine, Seltene Erden, Handelsbeziehungen, Klima.
Noch komplizierter wird die angespannte Lage dadurch, dass bei allen Verhandlungen im Hintergrund immer eine dritte Person mit am Tisch sitzt: Donald Trump. Dabei hätte der Amtsantritt des unberechenbaren US-Präsidenten der Startschuss für eine Annäherung zwischen Europa und China sein können. Der von Trump angezettelte Zollstreit sollte als gemeinsame Basis für eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit dienen. Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht, zu grundsätzlich sind die Differenzen.
Nach dieser Enttäuschung ist der Ton auf beiden Seiten merklich rauer geworden. Die Meinungsverschiedenheiten werden längst nicht mehr hinter verschlossenen Türen ausgetragen, sondern in aller Öffentlichkeit – wie auch auf dem Gipfel wieder zu hören. Dazu zählt etwa die scharfe Kritik Brüssels an der Unterstützung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine durch Peking. Zuletzt hat die EU sogar chinesische Firmen mit Sanktionen belegt.
Doch die Europäische Union sitzt gegenüber China am wesentlich kürzeren Hebel – und Peking nutzt das skrupellos aus. Die kürzlich verhängten Exportbeschränkungen für kritische Rohstoffe ist ein deutliches Signal an Europa. Ohne Lieferungen von Seltenen Erden müssten deutsche Industriebetriebe etwa in der Autobranche oder im Maschinenbau ihre Produktion einpacken. Gleichzeitig überschwemmt China die Welt mit subventionierten Waren.
Doch statt die Lehren aus der fatalen und soeben überwundenen Energieabhängigkeit von Russland zu ziehen, wiederholt Europa die Fehler. So nimmt etwa das Ungleichgewicht im Handel mit China stetig zu. Dabei müsste die EU dringend daran arbeiten, die Abhängigkeit zu reduzieren, ansonsten droht eine gefährliche Schräglage. Angesichts dieser Entwicklung muss Europa schnell und konsequent an den eigenen Stärken arbeiten. Zu lange hat die EU zugesehen, wie China die Handelspolitik für geopolitische Ziele genutzt und gezielt Abhängigkeiten geschaffen hat.
Es ist in dieser Situation richtig, etwa mit EU-Zöllen auf importierte Elektroautos dem chinesischen Dumping auf diesem umkämpften Markt zu begegnen. Abschottung, wie sie auch Donald Trump predigt, ist aber nicht die Lösung der Probleme. Deshalb ist es wichtig, dass sich die EU endlich aufmacht, an der lange vernachlässigten Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsförderung zu arbeiten. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass Pekings Erfolg nicht allein auf Staatshilfen und unfairem Wettbewerb basiert. China ist innovativ, wie etwa die Patentanmeldungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz zeigen.
Doch die notwendigen Reformen der EU stehen bisher allenfalls auf dem Papier. Noch immer verliert sich Brüssel zu oft in Kleinstaaterei. Es kann nicht sein, dass eine kleine Gruppe französischer Bauern Handelsabkommen mit anderen Regionen dieser Welt blockieren kann, mit denen Märkte jenseits von China und den USA erschlossen werden sollen. Europa muss alte Gewohnheiten über Bord werfen, will es nicht zum häufig zitierten Industriemuseum verkommen.