Rechte Parteien in der EU

Europas steter Weg nach rechts

Rechtskonservative Parteien sind im Aufwind. Das hat Auswirkungen auf die politische Arbeit in der EU, belegt eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Die rechtspopulistische Politikerin Marine Le Pen hat große Chancen, nächste Präsidentin von Frankreich zu werden. Das würde auch die EU vor große Herausforderungen stellen.

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Die rechtspopulistische Politikerin Marine Le Pen hat große Chancen, nächste Präsidentin von Frankreich zu werden. Das würde auch die EU vor große Herausforderungen stellen.

Von Knut Krohn

Die Mickey-Mouse-Bar ist ein beliebter Treffpunkt der Europaabgeordneten. Seinen Namen hat das Café im Brüsseler Altiero-Spinelli-Gebäude, dem Sitz des Parlamentes, wegen der knallbunten Sessel. In den Pausen zwischen den oft stundenlangen Sitzungen plaudern hier die Politiker selbst über tiefste Parteigräben zwischen links und rechts hinweg miteinander. Bisweilen werden auch in strittigen Fragen erste informelle Kontakte geknüpft.

Dieser entspannte Umgang verdeutlicht den weiten Weg, den die EU im vergangenen Vierteljahrhundert gegangen ist. Nichts erinnert mehr an die Verwerfungen in der demokratischen Mitte der EU, als in Österreich im Jahr 2000 die rechtspopulistische FPÖ zum ersten Mal an der Regierung in Wien beteiligt wurde. Das hatte einst auch Auswirkungen auf den Ton in Brüssel, damals kippte das persönliche Miteinander von freundlich auf förmlich, Vorschläge österreichischer Kollegen wurden oft mit eisigem Schweigen bedacht.

Schrittmacher der Normalisierung

Genutzt hat diese Strategie der Isolation wenig. Inzwischen gehört es in Europa zum Alltag, dass Rechtsaußenparteien in EU-Mitgliedstaaten mit am Ruder sitzen – was auch starken Einfluss auf die Politik in Brüssel hat. Zu diesem Schluss kommen die Autoren einer Untersuchung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Spätestens seit den Europawahlen 2024 seien Vertreter von extrem-rechten Parteien in nahezu allen EU-Entscheidungsprozessen präsent, ist dort zu lesen.

Ob im Europäischen Rat, der Vertretung der Nationalstaaten, oder auch im nach rechts gerückten Europaparlament. Im Gegensatz zur früheren Mitte-Links-Lastigkeit sind dort inzwischen alternative Mehrheitskonstellationen rechts der Mitte möglich. Das zeigt sich vor allem am Rückbau der umstrittenen Klimagesetzgebung, wie etwa dem Verbrenner-Verbot.

Die SWP-Wissenschaftler konstatieren auch, dass die Integration von Teilen des Rechtsaußenspektrums in das politische System der EU bereits weit fortgeschritten ist und noch zunehme. Die Abstimmungslisten im Parlament offenbaren: vor allem die Zusammenarbeit mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ist in vielen Bereichen bereits Alltag. Die Gruppe vertritt vorrangig nationalkonservative und „weiche“ euroskeptische Positionen.

Rechte Parteien dienen als Mehrheitsbeschaffer

Als Schrittmacher für diese Normalisierung im Europaparlament identifizieren die SWP-Autoren die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören. Die Konservativen ließen in industrie- oder klimapolitischen Fragen zunehmend inhaltliche Schnittmengen mit der EKR erkennen, zu der auch die postfaschistische, italienische Fratelli d’Italia gehört. Deren Partei- und Regierungschefin Giorgia Meloni hat schnell erkannt, dass sie ihren politischen Einfluss auf EU-Ebene wesentlich ausweiten kann, wenn sie sich der konservativen Mitte um die EVP im Parlament als verlässliche Mehrheitsbeschafferin anbietet.

Veränderung des politischen Diskurses

Die SWP-Wissenschaftler haben beobachtet, dass sie mit dieser Taktik in der aktuellen Legislaturperiode bei Fragen der Wirtschafts- und Klimapolitik und bei der Migrationspolitik zunehmend erfolgreich ist. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale sehen diese Aufweichung des Cordon Sanitaire zu Rechtsaußen mit Entsetzen, können dem allerdings wenig entgegensetzen.

Nicht nur im Parlament, sondern auch im Rat, der Vertretung der EU-Mitgliedstaaten in Brüssel, ist eine Verschiebung nach rechts zu verzeichnen. So sind extreme Rechte etwa in Schweden, Finnland, den Niederlanden, Belgien und natürlich Italien an der Regierung beteiligt. Die SWP-Experten betonen in ihrer Analyse, dass die rechten Parteien auf nationaler Ebene nicht einmal in der Regierungsverantwortung sein müssen, um Druck auf den Rat auszuüben. „Insbesondere in jenen Mitgliedstaaten, in denen sie nach Umfragen oder aufgrund ihrer parlamentarischen Stärke die führende Oppositionskraft darstellen, wie etwa in Frankreich oder Deutschland, üben Rechtsaußenparteien erheblichen Einfluss auf die Diskurse zur Europapolitik aus“, schreiben die Autoren.

Wichtige Wahlen in 2027

Spannend für die Zukunft der EU wird das Jahr 2027. Drei einflussreiche EU-Staaten erwartet ein Rechtsruck. In Frankreich stehen Präsidentenwahlen an und angesichts der chaotischen Zustände in Paris werden der rechtsextremen Marine Le Pen (Rassemblement National/Patrioten) äußerst gute Chancen vorausgesagt. In Polen liegt die national-konservative PiS (EKR) in den Projektionen wieder gleichauf mit der Bürgerkoalition von Donald Tusk (EVP). Das wichtige Amt des Staatsoberhauptes konnte das rechtsnationale Lager mit Karol Nawrocki in diesem Jahr bereits erobern. Und in Spanien peilt die rechtsextreme Vox (Patrioten), derzeit drittstärkste Kraft im Land, eine Regierungsbeteiligung an.

Die SWP-Wissenschaftler sehen angesichts der möglichen Politikwechsel in diesen Staaten massive Probleme auf die EU zukommen. Der weitere Rechtsruck fiele in die kritische Phase der spannungsgeladenen Verhandlungen über den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR). Sollten die EU-kritischen Stimmen an Gewicht gewinnen, würde das die politische Stabilität auf EU-Ebene zusätzlich beeinträchtigen.

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Erstellt:
13. Oktober 2025, 16:52 Uhr

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