Ex-Frau des Angeklagten per Video befragt

Insgesamt vier Zeugen werden am sechsten Verhandlungstag im Allmersbacher Mordprozess am Landgericht Stuttgart angehört.

Vier Zeugen sagten gestern im Allmersbacher Mordprozess aus und sprachen über die Wesenszüge des Angeklagten. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Vier Zeugen sagten gestern im Allmersbacher Mordprozess aus und sprachen über die Wesenszüge des Angeklagten. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

ALLMERSBACH IM TAL/STUTTGART. Dass sie am 21. Juni des vergangenen Jahres ebenso ihr Leben hätte verlieren können wie die 41-jährige Frau in Allmersbach im Tal und deren neunjährige Tochter kurze Zeit zuvor, wurde ihr erst später bewusst. Als morgens die Polizei bei ihr in Gaildorf auftauchte und sie sowie die beiden zehn und zwölf Jahre alten Kinder in Schutzhaft nahm, begriff sie langsam, was sich in der Nacht zugetragen hatte. Wirklich glauben konnte sie es da immer noch nicht, wie die 40-jährige Zeugin gestern Morgen am Stuttgarter Landgericht sagte. Sie konnte letztlich nur die Spuren von Gewalteinwirkung schildern, die sich anderntags an ihrer Haustür zeigten.

Offenbar war es jemandem nicht gelungen, in die Wohnung einzudringen. Zudem waren die Reifen ihres Wagens vor dem Haus zerstört. Der Monteur sprach später davon, dass dabei ein Messer eingesetzt worden sei, wie die Frau es schilderte. An der Mitteilung der Polizei, dass es sich bei dem Täter um den Vater ihrer Kinder handeln soll, mit dem sie rund zwölf Jahre verheiratet war, hat sie mittlerweile keinerlei Zweifel mehr, im Gegenteil – für ihre Befragung vor Gericht bestand sie auf einer Videoübertragung. Dem Mann begegnen, mit dem sie längst in Scheidung lebt, wollte sie definitiv nicht. Die gelernte Werkzeugmacherin beschrieb den Angeklagten als bisweilen sehr eigenwillig bis rücksichtslos den Interessen anderer Menschen gegenüber. So hatte sie immer zu Hause zu sein, wenn er von der Arbeit kam, und sollte auch keine anderen Leute treffen. Das Interesse an seinen Kindern sei indessen nie sonderlich groß gewesen und über die Jahre sogar noch geringer geworden. Von echten Gewalttätigkeiten seinerseits berichtete sie nicht. Dennoch kam es im März 2018 endgültig zur Trennung. Erst schien der Mundelsheimer das zu auch selbst zu wollen, dann aber änderte er offenbar seine Meinung. Zwischenzeitlich erwirkte die Frau eine einstweilige Verfügung gegen ihn, um ihn fernzuhalten. Er wollte das Umgangsrecht mit seinen Kindern erwirken, die Kinder aber wollten laut der Zeugin keinen Kontakt zu ihm. Die 39-Jährige zog mehrfach um, ihr Mann fand aber irgendwie die Adressen heraus und tauchte auch einmal in Magdeburg auf, wo sie damals eine Wohnung bezogen hatte.

Der Bruder der getöteten Frau kam ebenfalls zu Wort.

Mit der Tochter und einem anderen Mann zog sie zuletzt nach Gaildorf. Seitdem hatte sie demnach nur noch einmal Kontakt mit dem Angeklagten. Von dessen Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in Heilbronn wusste sie nichts, wie sie gestern auf Nachfrage sagte. Ob sie sich habe vorstellen können, dass ihr Mann so eine Tat wie in Allmersbach hätte begehen können, wollte der vorsitzende Richter Norbert Winkelmann wissen. „Dass er mal jemandem eine knallt, ja. Aber gleich umbringen – nein“, so ihre Antwort. Zuvor hatte eine Zeugin aus Heilbronn ihre Erfahrungen mit dem Angeklagten als dessen Freundin geschildert. Die 40-Jährige war mit ihm zusammen gewesen, bis er das spätere Opfer aus Allmersbach kennenlernte. Nach mehrmaligen Ankündigungen, sich von ihr zu trennen, war es diesmal wirklich so weit. Er sei sehr verliebt gewesen in die neue Frau, so die Heilbronnerin, die daraufhin den Kontakt zu ihm einschränkte.

Sie traf ihn aber am 15. Juni 2020 noch einmal. Er hatte sich Zugang zu ihrer Tiefgarage verschafft und tauchte unvermittelt auf, als sie zur Arbeit fahren wollte. Er hatte ihr in den Wochen zuvor öfter auf der Baustelle ihres neuen Hauses geholfen. Nun forderte er ein Lasermessgerät zurück, das seinem Vater gehöre, und griff sich ihre Handtasche als Pfand, sofern sie ihm das Gerät nicht sofort übergebe. Zu einem weiteren Treffen kam es am Morgen nach der Bluttat in Allmersbach, wie der Angeklagte es in der vergangene Sitzung selber schon geschildert hatte. Er sei ganz ruhig gewesen, als er mit ihr in Neckarsulm ein Schnellrestaurant besuchte und mit ihr spazieren ging.

Dritter Zeuge war gestern ein 52-jähriger Mann aus Allmersbach, der das 41-jährige Opfer am Abend vor der Tat besucht hatte und dabei auch dem Angeklagten begegnet war, den er im Gerichtssaal aber nicht identifizieren konnte. Er hatte mit der 41-Jährigen auf deren Terrasse gesessen und Wein getrunken, als der Mundelsheimer dort auftauchte und sich „wie von der Tarantel gestochen und flegelhaft wie ein Macho“ aufführte, so der Zeuge. Der Angeklagte hätte eine Flasche Sprudel fast in einem Zug ausgetrunken, dann den Flaschendeckel aggressiv weggeschnippt und sei wieder verschwunden. Eine Viertelstunde später sei er wieder aufgetaucht und habe das seltsame Verhalten wiederholt, ohne sich groß an der Konversation beteiligen zu wollen. Dem Zeugen war es offenbar sehr unangenehm, in jener Nacht nicht länger bei der 41-Jährigen geblieben zu sein, um womöglich die schreckliche Tat zu verhindern. Richter Winkelmann zeigte Einfühlungsvermögen und beruhigte den Mann: Niemand im Saal mache ihm irgendeinen Vorwurf, so der Richter. Ebenfalls zu Wort kam gestern der Bruder der 41-Jährigen und Onkel des neunjährigen Opfers. Wie seine Partnerin in der vorigen Sitzung schilderte er, wie die Beziehung seiner Schwester mit dem Mundelsheimer nach dem anfänglichen emotionalen Hoch sich bald schon zusehends verschlechterte.

Unnötige Diskussionen seien an der Tagesordnung gewesen. Er habe sich häufiger als wohlmeinender Beziehungsretter versucht, habe dem Freund seiner Schwester auch klarzumachen versucht, dass er mehr auf die Wünsche seiner Mitmenschen, speziell aber seiner Partnerin eingehen müsse. Dieser habe sich dankbar für die Erläuterungen gezeigt. Geändert habe er sich aber letztlich nicht, so der 36-jährige Physiotherapeut, der den Mundelsheimer auch behandelt und währenddessen viel mit ihm gesprochen habe. Er habe ihn mitunter auch gegenüber seiner Schwester in Schutz genommen. Denn der Angeklagte habe immer wieder von der Bösartigkeit und Niedertracht seiner Ex-Frau, seines Chefs und seines Vaters gesprochen. Auch von der Hilfsbereitschaft des Angeklagten berichtete der Bruder des Opfers. Es handle sich bei ihm aber wohl um eine doppelgesichtige Persönlichkeit, so die Meinung des Zeugen.

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Erstellt:
27. Januar 2021, 06:00 Uhr

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