Expedition in die Fungi-Wunderwelt

Dritte Pilzausstellung lockt Besucherscharen aus dem Großraum Stuttgart und Hohenlohe in die Graber Schwalbenflughalle

Eine Pizza Funghi kennen wohl alle. Aber wenn’s an die Gebilde geht, die aus dem Waldboden sprießen, wissen nur wenige Liebhaber und Experten gleich auf Anhieb Bescheid, welches Exemplar sie gefunden haben. Dabei wachsen auch im Schwäbischen Wald Fungi, also Pilze, in Hülle und Fülle, was die dritte Pilzausstellung eindrucksvoll zeigt.

Ein Fest fürs Auge: In der Pilzausstellung in der Graber Schwalbenflughalle ist eine große Auswahl an Exemplaren zu sehen. Foto: E. Klaper

Ein Fest fürs Auge: In der Pilzausstellung in der Graber Schwalbenflughalle ist eine große Auswahl an Exemplaren zu sehen. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

GROSSERLACH. Die Lebewesen, die weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren gehören, sondern ein eigenes Reich bilden, werden in der Graber Schwalbenflughalle entsprechend der wissenschaftlichen Systematik präsentiert und genau so, wie sie draußen in der Natur wachsen. Für Besucher wirkt es, als ob sie auf Entdeckungsreise in eine faszinierende Wunderwelt gehen: Optisch attraktiv sind die sorgfältig mit Kärtchen gekennzeichneten Pilze angeordnet in Gruppen mit großen und kleinen Exemplaren auf Waldboden mit Moos, Laub und Baumteilen sowie dekorativen Präparaten verschiedener Wildtiere wie Fuchs oder Marder.

Eine große Schar interessierter Besucher aller Altersgruppen ist aus der Region, dem Großraum Stuttgart und Hohenlohe angereist und nimmt die Prachtexemplare genau unter die Lupe, viele machen gleich Fotos mit ihren Smartphones. Zahlreiche Gäste haben selbst gesammelte Pilze im Gepäck und nutzen die Möglichkeit, diese durch das Team der Pilzfachleute bestimmen und sich beraten zu lassen. 2018 musste die Ausstellung wegen der Trockenheit ausfallen, dagegen ist 2019 dank des Regens ein ideales Pilzjahr, freuen sich Professor Manfred Krautter und Beate Siegel.

Über 200 Arten vom Pfifferling bis zur Krausen Glucke

Krautter und Siegel sind die Initiatoren der Schau, Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) und Naturparkführer. In diesem Jahr präsentieren sie weit über 200 Arten bei der Pilzausstellung, die sie gemeinsam mit der Gemeinde Großerlach und dem Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald veranstalten. Sie ist zugleich krönender Abschluss des Jubiläumsjahrs 40 Jahre Naturpark. Das überaus breite Spektrum umfasst viele bekannte Arten wie Steinpilze, Pfifferlinge oder Rotkappen. Ebenso Lamellenpilze wie Reizker und Täublinge, aber auch weniger oder kaum bekannte Exemplare.

Ein Fest fürs Auge sind die Riesen-Prachtkerle verschiedener Arten wie Parasole, Krause Glucken aus der Familie der Korallenpilze oder imposante Porlinge, die Totholz zersetzen. Aber auch die tödlich giftigen weißen und grünen Knollenblätterpilze sind vertreten.

„Der giftigste Pilz überhaupt ist der spitzkegelige Raukopf, der auch in unserer Region vorkommt, wir haben ihn aber nicht gefunden“, berichtet Krautter. Er schmecke angeblich gut, sei aber „absolut tödlich“: Schon geringste Mengen reichten aus, wobei die Vergiftung zum Teil erst nach bis zu drei Wochen eintrete und nicht nachweisbar sei, verdeutlicht der Pilzsachverständige dessen enormes Gefahrenpotenzial.

Es gibt einen guten Grund, warum die Pilzausstellung in Großerlach stattfindet: Die Wälder rings um die Gemeinde seien echte Pilz-Schatzkammern und die Schwalbenflughalle der „perfekte Ort“ dafür, hebt Bürgermeister Christoph Jäger hervor. Bereits die beiden vorherigen Ausstellungen seien sehr erfolgreich und gut besucht gewesen. Dabei werden die Veranstalter tatkräftig unterstützt vom Musikverein und der Ortsgruppe Grab des Schwäbischen Albvereins, die mit leckeren Gerichten inklusive Pilzsoßen zum Mittagessen sowie großem Kuchenbuffet fürs leibliche Wohl sorgen.

Die Pilzausstellung soll auch in den kommenden Jahren jeweils am zweiten Oktoberwochenende stattfinden, vorausgesetzt, es wachsen genügend Pilze. Denn: „Hier werden nur echte Pilze ausgestellt, keine künstlichen Nachbildungen“, betont der Rathauschef. Dies stellt indes eine große Herausforderung für das Team der Pilzsachverständigen dar. „Wir müssen die Pilze feucht halten, damit sie in Form bleiben, und darum regelmäßig mit Wasser besprühen, damit sie über die beiden Ausstellungstage halten“, erklärt Manfred Krautter.

„Einige Arten, die sehr rasch verderben, wie der Schopftintling, müssen wir am Abend des ersten Ausstellungstages entsorgen und durch frische ersetzen.“ Das heißt, das Expertenteam muss am Sonntagmorgen nochmals raus in den Wald, Pilze suchen und vorsichtig ernten, indem sie mit einem Messer abgeschnitten werden, damit das Pilzgeflecht, aus dem die Fruchtkörper herauswachsen, nicht beschädigt wird.

Die ersten Lebewesen, die vom Wasser aufs Land gefunden haben

Während der Ausstellung informiert das Pilzsachverständigen-Team, darunter auch Manfred Klitzner aus dem Großerlacher Teilort Liemersbach, über alles Wissenswerte rund ums Thema. „Pilze sind entwicklungsgeschichtlich älter als Tiere, sie waren die ersten Lebewesen, die den Weg aus dem Wasser aufs Land fanden“, erklärt Beate Siegel, aus deren Fundus die Wildtierpräparate stammen. Sie stellt auch das spannende Thema Zuchtpilze und ihre Substrate vor. Da ist die Auswahl groß: Neben Champignons und Austernpilzen gibt’s Kräuterseitlinge sowie diverse exotische Arten aus Asien wie Shiitake.

Pilze werden auch „das Fleisch des Waldes“ genannt, denn sie sind sehr gesund, da sie mehr Eiweiß enthalten als die meisten Gemüsesorten, zudem etliche wertvolle Vitamine und Mineralstoffe. Doch gibt’s bei Wildpilzen ein paar wichtige Regeln zu beachten: „Sie dürfen nicht roh verzehrt werden, sondern müssen frisch zubereitet und mindestens 15 Minuten gekocht oder gebraten werden“, betont Manfred Krautter. So bestehe auch keinerlei Gefahr durch Viren, Bakterien oder Parasiten.

Zwar sind 30 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz manche Wildpilzarten noch immer mit radioaktivem Cäsium belastet, „aber nicht in unserer Region“, stellt der Pilzsachverständige klar. Auch könne man nicht feststellen, dass sich der Klimawandel auf die Pilze auswirke: Deren Wachstum hänge nach wie vor von der Witterung ab – je feuchter, desto besser.

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Erstellt:
14. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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