Holzernte beginnt: Fällen für die nächste Generation Wald

Damit der Wald besser auf den Klimawandel vorbereitet wird, müssen schon jetzt die Weichen gestellt werden. Das heißt: Risikobäume und angeschlagene Bäume werden zugunsten von resistenteren Baumarten gefällt. Das sorgt immer wieder für Konflikte mit Waldbesuchern.

Mit einem sogenannten Harvester ist ein Baum schnell gefällt, entastet und auf die richtige Größe geschnitten. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Mit einem sogenannten Harvester ist ein Baum schnell gefällt, entastet und auf die richtige Größe geschnitten. Fotos: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Backnang/Auenwald. Seit einigen Wochen brummt und surrt und kracht es im Wald bei Oberbrüden: Ein Forstunternehmer erntet hier im Auftrag des Forst BW das Holz aus dem Staatswald. Auf einer Fläche von etwa 50 Hektar wird eine Menge von etwa 3000 Festmeter Holz geerntet. Eine Arbeit, die auf dem unwegsamen und zum Teil auch steilen Gelände nicht ganz ungefährlich für die Forstarbeiter ist. Noch erschwert wird die Arbeit immer wieder von Spaziergängern und Wanderern, die selbst quer über die Wege gespannte Banner ignorieren oder sogar durchschneiden. „Wir wollen die Bevölkerung schützen, aber es wird immer schwerer, die Hiebe sicher abzusperren“, berichtet Revierleiter Hans-Joachim Bek von Forst BW. Immer wieder marschieren Wanderer trotz der Plakate, die den Durchgang klar verbieten und auf die Lebensgefahr hinweisen, einfach weiter. Am vergangenen Wochenende seien 70 bis 80 Menschen durch das abgesperrte Gebiet gekommen, berichtet der Forstunternehmer Marc Klunzinger aus Sechselberg. Das sorgt für Unmut. Zum einen seien die Arbeiter dadurch ständig angespannt, zum anderen ist es gefährlich für die Spaziergänger. „Selbst wenn man keine Sägen hört oder gerade in dem Moment niemand arbeitet, können Äste herunterfallen“, erklärt Bek. Deswegen wird der Bereich erst nach Aufräum- und Prüfungsarbeiten wieder freigegeben. Noch etwa bis Ende Oktober werden die Arbeiten in der Nähe des Utzenhofs auf dem Gebiet Oberbrüden dauern.

Vorwürfe und Anschuldigungen gegen die Forstarbeiter nehmen zu

Spaziergänger sind aber nicht die einzigen, die den Holzhieb erschweren. Immer wieder gebe es Anfeindungen, zum Teil würden sogar Geräte beschädigt, berichtet Klunzinger. Auch die Banner des Forst BW, die vor den Gefahren warnen, werden immer wieder abgehängt oder sogar durchgeschnitten. „Das ärgert einen und ist nicht nachvollziehbar“, sagt Klunzinger. Er und sein Team seien schließlich auch unter schwierigen Bedingungen im Wald, weil ihnen viel an der Arbeit und dem Wald liegt. „Hier in Baden-Württemberg betreiben wir mit die naturnahste Holzernte und sorgen für nachhaltigen Rohstoff.“ Schließlich könne man mit dem Holz in verarbeitetem Zustand, zum Beispiel in einem Dachstuhl, Parkettboden oder auch in Papierform, nachhaltig CO2 binden. Trotzdem wird vorgeworfen, es werde zu viel Holz geerntet, um Geld zu machen. „Natürlich wird mit dem Holz auch Geld verdient, das ist immerhin ein Wirtschaftswald“, sagt Bek, doch das sei lange nicht das einzige Kriterium für die Fällung eines Baumes. Vielmehr versuche man, die Weichen für einen klimaresistenten und zukunftsfähigen Wald zu stellen. So werden gezielt klimaresistentere Baumarten, wie zum Beispiel die Douglasie, die Buche und die Eiche, gefördert. Damit diese allerdings genug Licht, Wasser und Platz bekommen, werden Konkurrenzbäume in der Nähe gefällt. Im Wald bei Oberbrüden betrifft das besonders Fichten, der Wald bestehe hier zu etwa 80 Prozent aus Nadelholz. Die Fichten seien aber die Verlierer des Klimawandels und extrem anfällig für Trockenheit, Hitze und die damit einhergehenden Borkenkäfer.

Trotzdem müssen Waldarbeiter in den Bereichen ran, an die der Harvester nicht hinkommt. Die Bäume werden mit einer Seilwinde zu den Rückegassen gezogen.

© Alexander Becher

Trotzdem müssen Waldarbeiter in den Bereichen ran, an die der Harvester nicht hinkommt. Die Bäume werden mit einer Seilwinde zu den Rückegassen gezogen.

„Der Klimawandel holt uns mit einer Wucht ein, mit der wir nicht gerechnet hatten“, so Bek. Es sei wichtig, auf verschiedene Arten zu setzen, schon jetzt einen jungen Wald nachzuziehen und zu fördern. Die fast reinen Fichtenwälder, die nach Sturm Lothar gewachsen sind, haben laut den Förstern keine Zukunft mehr. Auch gefällt werden außerdem Bäume mit Käferbefall, Krankheiten oder Trockenschäden. Auch einem weiteren Vorwurf will der Förster widersprechen: „Das Holz geht zu großen Teilen an regionale Sägewerke im Umkreis von höchstens 50 bis 60 Kilometern, vieles kommt zu einem Sägewerk nach Oberrot.“

Bevor es mit der Holzernte überhaupt losgeht, begeht der Revierleiter – in diesem Fall Bek – das Gelände. Etwa drei Wochen lang wird der Bereich genau angeschaut, eingeteilt, markiert: Welche Bäume will man fördern? Welche müssen dafür weichen? Welche sind krank oder angeschlagen, welche könnten zur Gefahr für Fußgänger werden? Hierbei werden auch die Rückegassen genau markiert, damit für den Forstunternehmer klar ist, wo er mit dem schweren Gerät fahren kann. „Wir sind uns bewusst, dass wir mit den Gefährten eine gewisse Wirkung auf den Waldboden haben, diese versuchen wir zu minimieren“, erklärt Bek. Durch die schweren Fahrzeuge kommt es zu einer Bodenverdichtung und zur Abnahme von Sauerstoff im Boden. Knapp hundert Jahre brauche es, bis sich der Boden durch Würmer und Mäuse wieder auflockert. Gefahren wird deshalb nur auf den Rückegassen, die meist schon seit Jahrzehnten für diesen Zweck angelegt sind. Sie befinden sich in einem Abstand von etwa 40 Metern zueinander, die notwendige Befahrung wird damit auf etwa 10 Prozent der Waldfläche konzentriert. Trotzdem werde ihnen immer wieder vorgeworfen, dass sie viel im Wald zerstörten. „Natürlich sieht es auf den ersten Blick wild aus, wenn der Harvester durchgegangen ist. Besonders, wenn in den vergangenen 15, 20 Jahren nichts in dem Waldstück geerntet wurde und sich das gewohnte Waldbild auf einmal ändert“, sagt Bek. Dass es aufgrund von Trockenheit oder Käferbefall zum Teil auch zu kahlen Stellen komme, sieht auch er als nicht optimal an, meint aber: „In einem Jahr sieht das schon wieder ganz anders aus, und dann gibt es genug Licht und Platz, damit die nächste Generation Wald wachsen kann.“

Hans-Joachim Bek (links) und Marc Klunzinger erklären, welche Bäume gefällt werden.

© Alexander Becher

Hans-Joachim Bek (links) und Marc Klunzinger erklären, welche Bäume gefällt werden.

Aber nicht überall im Wald wird geerntet. So gibt es Habitat- und Totbäume, die dauerhaft stehen bleiben, um Tieren Lebensraum zu bieten. Auch in sogenannten Waldrefugien wird gar nicht eingegriffen. „Aber das können wir gar nicht im gesamten Wald machen“, bekräftigt auch Simon Weise, stellvertretender Forstbezirksleiter. Nicht nur aufgrund des Klimawandels und wegen des Holzverkaufs, sondern auch aus Sicherheitsgründen. „Bleiben zu viele Bäume stehen, werden sie im Kampf um das Licht zu dünn und hoch. Dadurch werden sie insgesamt instabil“, erklärt Weise. Nach einigen Wochen Waldarbeit stapeln sich dann die Stämme am Wegesrand und warten auf Abholung. „Wenn die Leute die großen Haufen sehen, erschrecken sie oft nochmal“, meint Bek. Insgesamt werde aber deutlich weniger als zehn Prozent des Bestands gefällt. Auch sei der betroffene Bereich nur deshalb so groß, damit dann in den nächsten Jahre wieder Ruhe ist.

Die Holzernte

Rückegassen Da der Harvester nur auf den Rückegassen fahren kann und lediglich eine Reichweite von etwa zehn Metern hat, müssen Waldarbeiter Vorarbeit leisten. Sie fällen die Bäume und werfen sie entweder in die Richtung des Vollernters oder ziehen sie mit Seilwinden zur Rückegasse.

Harvester Mit dem 800000 Euro teuren Gerät kann per Knopfdruck ein Baum gefällt, entastet und auf die richtige Länge zugeschnitten werden.

Tragschlepper Zuletzt werden die Stämme an den Wegrändern gelagert, bis sie von den Käufern abgeholt werden. Gerade in steileren Bereichen braucht es auch dafür ein spezielles Gerät, den Tragschlepper.

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Erstellt:
5. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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