Kroatien-Unwetter
Fallwind mit Düseneffekt: So entsteht die Bora
Heftige Unwetter haben die Küste Istriens verwüstet. War es die Bora, ein berüchtigter Fallwind mit extremer Kraft?

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Bora-Sturm vor der kroatischen Küste (Archiv).
Von Michael Maier
Die kroatische Küste, ein Sehnsuchtsort für viele Urlauber, zeigte sich Mitte Juni 2025 von ihrer rauen Seite. Heftige Unwetter mit Sturmböen von bis zu 110 km/h haben vor allem die Westküste Istriens heimgesucht und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Besonders die bei Urlaubern beliebte Stadt Rovinj war stark betroffen. Aus der Partnerstadt Leonberg kamen Solidariätsbekungen.
Berichte über entwurzelte Bäume, beschädigte Häuser, auf Grund gelaufene Boote und sogar eine gesunkene Fähre vor Zadar werfen ein Schlaglicht auf die gewaltige Kraft, die in den Winden dieser Region steckt. Verantwortlich für solche extremen Wetterereignisse ist oft ein berüchtigtes Phänomen: die Bora. Doch wie entsteht dieser heftige Wind?
Die Bora: ein Fallwind der Superlative
Die Bora ist ein kalter, trockener und extrem böiger Fallwind, der aus nordöstlicher Richtung über die Dinarischen Alpen auf die Adriaküste zustürzt. Sie gehört zu den stärksten Winden der Welt und kann in den Wintermonaten Orkanstärke mit Spitzengeschwindigkeiten von über 200 km/h erreichen. Im Gegensatz zu einem Föhnwind erwärmt sich die Luft beim Herabstürzen kaum, weshalb die Bora als kalter Wind empfunden wird.
Bora, Kaltluft und Gebirge
Die Entstehung der Bora ist ein faszinierendes meteorologisches Schauspiel, das auf dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren beruht.
Kaltluft aus dem Hinterland: Die primäre Ursache ist das Aufeinandertreffen verschiedener Klimazonen. Polare Kaltluft strömt aus Nord- bis Nordosteuropa in Richtung Balkan und sammelt sich im Landesinneren hinter dem hohen Küstengebirge. Diese kalte Luft ist deutlich dichter und schwerer als die milde, feuchte Luft über der wärmeren Adria.
Das Dinarische Gebirge als Barriere und Beschleuniger: Das bis zu 1.800 Meter hohe Gebirge wirkt zunächst wie eine Barriere. Wenn sich jedoch ein ausreichend großes Kaltluftpolster aufgebaut hat, stürzt diese schwere Luftmasse wie eine Lawine die steilen Hänge zur Küste hinab.
Der Düseneffekt: Täler und Gebirgspässe, wie etwa in der Kvarner Bucht oder am Velebit-Kanal bei Senj, wirken wie Düsen. Sie kanalisieren die herabstürzende Luft, was zu einer enormen Beschleunigung und den berüchtigten, extrem starken Böen führt.
Hoch- und Tiefdruckgebiete: Die Intensität der Bora wird oft durch die großräumige Wetterlage bestimmt. Besonders starke Bora-Ereignisse treten auf, wenn ein stabiles Hochdruckgebiet über Osteuropa liegt und gleichzeitig ein Tiefdruckgebiet über Süditalien oder der südlichen Adria positioniert ist. Das Tief saugt die Kaltluft aus dem Hochdruckgebiet förmlich an und verstärkt den Fallwind erheblich.
„Weiße“ und „schwarze“ Bora
- Die „weiße Bora“ (antizyklonale Bora): Sie entsteht bei Hochdruckwetter, bringt strahlend blauen Himmel und trockenes, aber eiskaltes Wetter.
- Die „schwarze Bora“ (zyklonale Bora): Diese ist mit einem Tiefdruckgebiet über der Adria verbunden und bringt zusätzlich Wolken, Regen oder im Winter sogar Schnee mit sich.
Bora-Unwetter in Istrien?
Die jüngsten Ereignisse vom Juni 2025 an der Westküste Istriens sind ein eindrückliches Beispiel für die Naturgewalten, die an der Adria auftreten können. Eine Gewitterfront zog mit voller Wucht über die Region und verursachte schwere Schäden. In Rovinj wurden Windgeschwindigkeiten von über 110 km/h gemessen. Die Folgen waren verheerend.
- Zahlreiche Notrufe: Innerhalb kürzester Zeit gingen rund 180 Notrufe bei den Einsatzkräften ein.
- Verletzte Personen: Mehrere Menschen wurden durch herabfallende Äste oder umgestürzte Bäume verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden – eine deutsche war in kritischem Zustand.
- Schäden an Eigentum: Campingplätze wurden verwüstet, zahlreiche Boote liefen auf Grund und Dächer wurden abgedeckt.
- Dramatische Szenen auf See: Vor Zadar geriet eine Fähre mit 38 Passagieren an Bord in Seenot und sank infolge eines plötzlichen Wassereinbruchs. Glücklicherweise konnten alle Personen gerettet werden.
Obwohl die Nachrichten im Juni 2025 von einer „Gewitterfront“ sprechen, zeigen die Heftigkeit und die Windgeschwindigkeiten deutliche Parallelen zur Charakteristik der Bora, die oft plötzlich und ohne lange Vorwarnzeit auftritt.
Gefährliche Bora formt die Adriaküste
Solche Ereignisse verdeutlichen, warum die Bora bei Seeleuten und Küstenbewohnern seit jeher gefürchtet ist und als einer der gefährlichsten Winde am Mittelmeer gilt.
Die Bora ist somit mehr als nur Wind. Sie ist eine prägende Kraft, die die Landschaft formt – so sind die kahlen Inseln vor der kroatischen Küste teilweise eine Folge der Bora, die den nährstoffreichen Boden abgetragen hat. Sie ist eine ständige Erinnerung an die unberechenbare und beeindruckende Kraft der Natur an der wunderschönen, aber wilden Adriaküste.