Fast 60 Millionen Euro Drogengeld gewaschen

Geldwäscheprozess gegen Schorndorfer Paar und zwei Helfer hat begonnen – Mittelsmänner sollen in den Niederlanden sitzen

Fast 60 Millionen Euro Drogengeld gewaschen

Von Bernd S. Winckler

SCHORNDORF/DUBAI. Knapp 60 Millionen Euro Drogengeld soll ein 45-jähriger Türke aus Schorndorf zusammen mit seiner 44-jährigen Ehefrau und zwei 35- und 51-jährigen Männern aus Schorndorf, Dubai und Ankara 2017 kriminell gewaschen haben. Dabei soll das Quartett von Mittelsmännern aus den Niederlanden unterstützt worden sein. Vor der 18. Großen Staatsschutz-Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts sitzen die vier jetzt auf der Anklagebank – lassen aber durch die Verteidiger vortragen, dass der Vorwurf absolut falsch und „nicht ernst zu nehmen“ sei.

Die Anklage von Oberstaatsanwalt Michael Wahl gegen die drei Männer und eine Frau ist gewaltig. Es geht um angeblich bis zu 60 Millionen Euro Bargeld und um bis zu 300 Kilogramm Gold in Barren: gemeinschaftliche gewerbsmäßige und auch bandenmäßige Geldwäsche, so der Vorwurf. Der hauptbeschuldigte 45-jährige Türke soll zusammen mit den drei Mitangeklagten diverse Dienstleistungen mit kriminellem Hintergrund einer niederländischen Rauschgiftbande angeboten haben. Dazu sollen Goldgeschäfte zwischen Deutschland, den Niederlanden und einigen arabischen Staaten bis Nordafrika, die regulär beim Zollamt Winnenden angemeldet waren, vorgetäuscht worden sein, um den Geldfluss gegenüber Ermittlungsbehörden als unverdächtig erscheinen zu lassen.

Ankläger Wahl hat zunächst 56 Einzelfälle für die Stuttgarter Staatsschutzkammer aufgelistet, wobei das Gericht jedoch nur 30 Fälle zur Hauptverhandlung zugelassen hat. Der Rest wurde aus prozessökonomischen Gründen vorläufig eingestellt. Immerhin sind für das Mammutverfahren 13 Verhandlungstage bis Ende September dieses Jahres angesetzt. Die Rolle des Hauptbeschuldigten, der lediglich seine Nationalität und seinen Wohnort angibt, sonst aber schweigt, sei im Zusammenhang mit großen Waffengeschäften zwischen den Geheimdiensten verschiedener arabischer Staaten zu sehen. Er habe die Sammlung der durch Drogengeschäfte eingenommenen Gelder im zweistelligen Millionenwert organisiert und mittels eines Goldkreislaufs (Blutgold) quer durch europäische Staaten so kompensiert, dass die Gelder schließlich gewaschen bei zwei Firmen in Dubai landeten, so der Ankläger. Logistisch geholfen hätten ihm dabei die drei anderen Angeklagten.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte Interpol in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Zollbehörden, darunter das Zollamt Winnenden, den angeblich florierenden Geldwäschedeal auffliegen lassen. Die drei männlichen Angeklagten befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Lediglich die Ehefrau des Hauptangeklagten ist auf freiem Fuß. Alle vier machen von ihrem Recht des Schweigens Gebrauch. Der gestrige erste Prozesstag begann mit der umfangreichen Anklageverlesung – und der Erklärung der Verteidiger zu den Vorwürfen. Darin werden die Geldwäschevorwürfe energisch bestritten. Bei den Goldgeschäften habe es sich um echte Geschäfte und nicht um verschleierte Aktivitäten zum Zweck der Geldwäsche gehandelt. Die Stuttgarter Schwerpunktstaatsanwaltschaft habe, so die Verteidigung, äußerst schlecht und „fahrlässig“ ermittelt. Die Rüge an die Ermittler geht so weit, dass ihnen Unkenntnis der realen und auch legalen Goldgeschäfte vorgeworfen wird. Es sei „beschämend“, dass die Staatsanwaltschaft diese Anklage erstellt hat, sagt der Verteidiger des 45-Jährigen. Die Anklage sei „nicht ernst zu nehmen“. Dennoch wird die Strafkammer eine umfangreiche Beweisaufnahme durchführen und dabei zahlreiche Zeugen, darunter auch Zeugen aus dem Ausland, vernehmen. Am 19. Juli wird der Prozess weiter fortgeführt.

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Erstellt:
12. Juli 2019, 06:00 Uhr

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