Tipps von einer Expertin
Fehler beim Zähneputzen: Oft genug, aber nicht sauber genug
Die Mehrheit der Bundesbürger putzt täglich die Zähne. Allerdings gelingt es den meisten nicht, mit dem Zähneputzen auch weitgehende Plaquefreiheit zu erreichen. Dann ist eine Gingivitis die Folge, die oft in eine Parodontitis übergeht.
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Beim Zähneputzen kann man mehr falsch machen als man denkt.
Von Markus Brauer
Zuerst gibt ein dickes Lob von jemanden, der es wissen muss: „Ich kenne kein anderes Gesundheitsverhalten, das vom überwiegenden Teil der Bevölkerung mit einer vergleichbar großen Konsequenz gezeigt wird wie das Zähneputzen. Das ist großartig und das muss man auch würdigen“, lobt Renate Deinzer die Bundesbürger und die Zahnmedizin.
Die Medizinpsychologin ist Professorin am Institut für Medizinische Psychologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen.
Gut gemeint ist schlecht geputzt
In Laborstudien mit weit über 1000 Probanden hat das Forscherteam um Deinzer jedoch herausgefunden, dass es der überwiegenden Mehrheit nicht gut gelingt, die Zähne von Plaque zu befreien.
Dieses Defizit bei der Mundhygiene ist die entscheidende Ursache für eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis), die in eine Entzündung des als Parodont bezeichneten Zahnhalteapparats übergeht (Parodontitis), wenn sich an der Mundhygiene nichts ändert.
Hälfte der Zähne am Zahnfleischrand noch von Plaque besiedelt
Aus diesen Untersuchungen wissen die Forscher, dass auch nach bestmöglichem Putzen bei den Probanden in allen Altersgruppen etwa die Hälfte der Zähne am Zahnfleischrand noch von Plaque besiedelt ist.
„Viele Menschen sind sich der Bedeutung des Putzens am Zahnfleischrand offensichtlich nicht bewusst“, kommentiert Deinzer den Befund. Der Fokus liege beim Putzen oft noch auf den Kauflächen, was viele Menschen zur Karies-Prävention bereits in der Kindheit gelernt haben.
Zahnputz-Technik ist oft unsystematisch
Video-Analysen zeigen darüber hinaus, dass viele Menschen unsystematisch putzen. Sie wechseln unregelmäßig zwischen den Mundbereichen und vergessen dabei ganze Zahnreihen und vor allem die Innenflächen, die schwerer zu erreichen und zu sehen sind.
„Selbst motivierte Personen und Probanden in Studien schaffen es oft nicht, ihre Zähne vollständig zu reinigen“, erklärt die Medizinpsychologin. „Es denn, sie sind Zahnärzte oder wurden speziell dafür geschult.“
Man müsse den Menschen vermitteln, dass nicht eine bestimmte Putzdauer, etwa zwei oder drei Minuten, das Ziel sei, sondern die vollständige Sauberkeit der Zähne speziell auch am Zahnfleischrand. Und dies mindestens einmal täglich.
Kaum Unterschiede bei Alter, Geschlecht und Bildungsgrad
Die Studie hat schließlich bestätigt, was sich im Labor bereits abzeichnete: Auch nach bestmöglichem Putzen ist bei Alt und Jung, Männern und Frauen und unabhängig vom Bildungsgrad die Hälfte der Zähne am Zahnfleischrand noch von Plaque besiedelt.
Defizite beim Putzen registrierten die Forscher auch, wenn die Probanden elektrische Zahnbürsten verwendeten. Die Defizite betrafen alle Bereiche des Gebisses, selbst wenn an den Backenzähnen mehr Plaque vorhanden war als im Frontzahnbereich.
Wie eine professionelle Zahnreinigung besonders hilft
„Eine professionelle Zahnreinigung (PZR) sollte eine individuelle Mundhygiene-Unterweisung beinhalten, die sich auf die tatsächlichen Defizite des Patienten konzentriert“, fordert Deinzer.
Idealerweise sollten Patienten vor der PZR die Zähne putzen, gefolgt vom Anfärben nicht gereinigter Stellen am Zahnfleischrand. Die Putz-Defizite seien dann klar erkennbar. Es sei ebenfalls wichtig, auch Hygienehindernisse zu beseitigen, etwa schlechte Kronenränder und lockere Füllungen.
Langfristiges Ziel der Forscher ist es, effektives Zähneputzen zu einer gut verfestigten Gewohnheit zu machen. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man richtiges Zähneputzen lernen kann“ konstatiert Deinzer. „Das ist wie Schönschreiben in der Schule. Man hat es gelernt doch selbst wenn man es einmal gut konnte, muss man es immer wieder üben, um gut zu bleiben.“
