Felix Neureuther quält sich zurück

Der Slalom-Spezialist findet nicht so richtig in die alpine Skisaison

Felix Neureuther war lange verletzt – die jungen Burschen im Skizirkus drängen ihn immer mehr in Richtung Altenteil. Aber der 34-Jährige will diesen Winter noch mal ein Ausrufezeichen setzen.

Kitzbühel Das deutsche Kitzbühel-Aufgebot ist eine überschaubare Rumpftruppe. Vorjahressieger Thomas Dreßen und sein Speed-Kollege Andreas Sander kurieren ihre Kreuzbandrisse aus. So lag die einzige Hoffnung auf dem 30 Jahre alten Traunsteiner Josef Ferstl, dessen Vater Sepp Ferstl vor exakt 40 Jahren auf der Streif gewann. Immerhin raste der Sohnemann im spektakulärsten Abfahrtsklassiker des Skizirkus am Freitag auf den sehr respektablen siebten Platz. Dann hockte da noch bei der offiziellen Kitzbühel-Pressekonferenz der deutschen Mannschaft Felix Neureuther. Der ist so was Ähnliches wie die ewige Hoffnung.

Obwohl der Bayer schon stramme 34 Jahre alt ist, denkt sich die Skiwelt: Vielleicht haut der Felix ja mal wieder einen raus. Zweimal gewann er schon dem Slalom im Reich der Kitzbühler Pelzmantel-Fraktion, doch im Hinblick auf den Wettbewerb an diesem Samstag bleibt nur die Erkenntnis, dass schon ein kleines Wunder passieren müsste, sollte Neureuther siegen. Dass er überhaupt seinen Mann steht und anwesend ist, grenzt ohnehin an ein Wunder. Kreuzbandriss, Fingerbruch, und dann gibt es da auch noch dieses chronische Rückenleiden des Athleten. Man ist geneigt, ihm zuzurufen, die Karriere doch besser zu beenden. Es gibt ja noch anderes im Leben als den Sport.

Diese andere Erscheinung im Leben klopfte beherzt an die verglaste Tür und konnte nicht verstehen, dass der Papa da vorne rumsitzt und reden muss. Es war Matilda, Neureuthers 15 Monate altes Töchterchen, das auf dem Arm von Mama Miriam Neureuther wartete und mit großen Augen durch die Scheibe guckte. Neureuther Blick zurück war geprägt von unfassbarer Verliebtheit, so soll es auch sein. Und wo der DSV-Auftritt schon innerlich geprägt war von familiären Zusammenhängen, wunderte sich der Slalom-Spezialist über die nicht gestellte Frage nach den alten Helden der Rennsause in Kitzbühel. „Sagt mal, warum stellt ihr dem Peppi und mir nicht die Frage zu unseren Vätern, die vor 40 Jahren hier gewonnen haben?“ Ach ja, er hatte ja so recht.

Auch Christian Neureuther, ältere Semester wissen es noch, gewann 1979 den Slalom von Kitzbühel, also zeitgleich mit Sepp Ferstls Sieg in der Abfahrt. „Das gibt es doch eigentlich gar nicht so oft“, meinte Neureuther noch und verwies damit auf den Seltenheitswert solch einer erfolgreichen Vater-Sohn-Kombination. Dann klopfte Matilda noch mal an die Scheibe. Neureuther schaute wieder ganz verliebt zu ihr hin. Vielleicht gewinnt sie in 20 Jahren ja einen Weltcup in Garmisch. Sie ist die Zukunft.

Je älter man wird, desto wichtiger wird der Blick zurück in die Vergangenheit, auch Felix Neureuther geht es so. In diesem Winter hat er noch nicht richtig in die Spur gefunden, er fuhr auf belanglosen, seiner nicht würdigen Plätzen umher. In Madonna di Campiglio und Zagreb wurde er noch Achter, ansonsten gab es die Ränge 21, 27, 15 und 17. Was sich liest wie die Lottozahlen vom Samstag sind die Ergebnisse einer schwierigen Neureuther-Saison – und das im Spätherbst seiner Karriere. „Ich glaube, dass wir als Mannschaft besser dastehen müssten, da sind saublöde Sachen zusammengelaufen“, sagte der Rennläufer und verlegte sich gekonnt in die Mehrzahl. Warum es bei ihm selbst nicht klappt, liegt aber wohl an den Verletzungen, die ihn übel zurückgeworfen haben.

„Wenn du ein Jahr verletzt bist, siehst du, wie sich die anderen weiterentwickelt haben – ich konnte das ja gar nicht“, sagte Neureuther mit dem Verweis auf die essenzielle Zusammenarbeit mit den Ski-Technikern. Die jungen Burschen der Slalom-Zunft, sie haben den alten Recken überholt, Neureuther wundert sich, mit welcher Frische sie sich durch die Slalomstangen werfen. Sein Fokus liegt nun auf der WM im schwedischen Are, egal, was für ihn in Kitzbühel rausspringt. „Da will ich zu 100 Prozent abliefern, aber der Weg dahin ist nicht einfach“, sagt er, als bliebe ihm noch genügend Zeit, wieder die Kurve zu kriegen. Die WM ist im Februar.

In Are gelang Neureuther 2007 eines seiner ersten Meisterstücke. Nicht im Blick auf das WM-Ergebnis, wo er als Zweitschnellster des ersten Durchgangs im zweiten Slalom-Lauf ausfiel, doch bei der Show danach. Nachdem er locker abgeschwungen hatte, kletterte er auf die Tribüne und schenkte der schwedischen Kronprinzessin Victoria sein Nummern-Leiberl. Im Ziel wieder angekommen, fragte ein Teamkollege den Bayern, ob er noch bei Sinnen sei. Er, meinte der Kumpel, hätte unbedingt seine Telefonnummer draufgeschrieben. Seine große Liebe hat Neureuther später gefunden – es ist die ehemalige Biathletin Miriam Gössner. Aber vor allem Matilda. Neureuthers Zukunft.

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Erstellt:
29. Januar 2019, 11:21 Uhr

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