Fragezeichen hinter Quoten für Pflanzenschutz

Landwirtschaftsamtsleiter Michael Stuber sieht Betriebe in ihrer Existenz gefährdet und die Kulturlandschaft bedroht

Fragezeichen hinter Quoten für Pflanzenschutz

© Fabian Sommer

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Mehr Ökolandbau ist sinnvoll und erforderlich. Eine entsprechende Entwicklung müsse aber mit einer höheren Verbrauchernachfrage einhergehen und könne nur kontinuierlich und marktkonform erfolgen. So die Botschaft von Michael Stuber, Leiter des Landwirtschaftsamts, an die Kreisräte. Feste Quoten oder gar ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln könnten hingegen, so seine Warnung, die Existenz bäuerlicher Betriebe gefährden und den Bestand der Kulturlandschaft bedrohen.

Anlass zu Stubers Ausführungen war das Volksbegehren Artenschutz „Rettet die Bienen“, für das landesweit Unterschriften gesammelt wurden und das große Diskussionen auslöste. Mit Blick auf diese Aktion hatten die Fraktionen von FDP/FW und CDU der Kreisverwaltung einen Fragenkatalog vorgelegt. Die Unterschriftensammlung ist zwar ausgesetzt worden, nachdem die Landesregierung ein Eckpunktepapier als Alternative vorgelegt hat. Dennoch wollte Amtsleiter Stuber eine umfassende Antwort geben und damit Informationen aus landwirtschaftlicher Sicht liefern.

Zunächst ein paar nackte Zahlen: Landwirtschaftlich genutzt wird im Rems-Murr-Kreis eine Fläche von 36364 Hektar – bei einer Gesamtfläche des Landkreises von 85742 Hektar. Unter Schutz stehen 36272 Hektar, wobei sich die unterschiedlichen Gebiete – Natur-, Landschafts- und Vogelschutz, FFH-Gebiete und flächenhafte Naturdenkmale – teilweise überlappen. Netto bleiben dann 30931 Hektar. Von den landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen 14090 Hektar in Schutzgebieten, das sind 38,7 Prozent. Der höchste Anteil betrifft den im Remstal landschaftsprägenden Weinbau mit fast 95 Prozent.

„Bauern müssten Einbußen in Qualität und Ertrag hinnehmen“

Ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten hätte, so warnte Stuber, „erhebliche Erschwernisse sowie deutliche Qualitäts- und Ertragseinbußen“ zur Folge. Betroffen wären alle Betriebszweige, insbesondere aber Obst- und Weinbau. Probleme ergäben sich aber auch im ökologischen Landbau, denn auch da würden Kupfer- und Schwefelpräparate zum Pflanzenschutz eingesetzt und Pflanzenstärkungsmittel angewendet. Schwächere Erträge, unter Umständen auch Totalausfälle sowie eine geringere Qualität, beispielsweise durch Schorf an Äpfeln, seien zu befürchten.

Die Betriebe seien aber jetzt schon dahinter her, den Pflanzenschutz zugunsten von alternativen Strategien zu reduzieren, etwa Anbau resistenter Sorten oder Einsatz von Nützlingen. Den Pflanzenschutz noch weiter zu reduzieren, werde daher unterstützt und befürwortet.

Gleichzeitig warnte Stuber vor möglichen wirtschaftlichen Folgen, falls es zu radikalen Einschnitten kommen sollte: Einbußen in Menge und Qualität würden die Einkommen der Familienbetriebe noch weiter schmälern. Schon im vergangenen Wirtschaftsjahr sei beispielsweise der durchschnittliche Gewinn der Obstbaubetriebe im Land bei nur noch 45552 Euro und damit deutlich unter dem Sollwert von 60000 Euro gelegen.

Eine weitere Verschärfung sei zu befürchten, sagte Stuber, viele Betriebe wären in ihrer Existenz gefährdet. Und: Flächen, auf denen sich der Anbau nicht mehr lohnt, blieben zunehmend brach liegen. Wildwuchs stellt sich ein, Sträucher und Gehölze dringen vor, es entsteht Wald. Das hätte Auswirkungen aufs Landschaftsbild – nicht nur im Remstal mit seinen Weinbergen, sondern auch in Gegenden, die von Streuobstwiesen geprägt sind. Dann könnten Ausflügler und Touristen ausbleiben, was nicht nur die Weingärtner zu spüren bekämen, sondern auch Gastwirte und Hoteliers und sogar Landwirte, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten.

Die Akzeptanz ökologisch erzeugter Produkte lässt jedoch zu wünschen übrig: Die Tendenz an der Ladentheke gehe mehr in Richtung preisgünstiger Ware. Deshalb setzte Stuber ein Fragezeichen hinter den Ruf, den Anteil des ökologischen Landbaus – im Landkreis derzeit 10 Prozent – auf 50 Prozent zu erhöhen.

Bei den Kreisräten erntete Stuber viel Anerkennung. „Artenschutz geht nur in Verbindung mit der Landwirtschaft“, resümierte Jochen Haußmann (FDP/FW). Gleichzeitig konstatierte Christoph Jäger (CDU): „Das Thema muss aktuell bleiben.“ Schließlich hat, wie Astrid Fleischer (Grüne) sagte, eine Studie gezeigt, wie dramatisch das Artensterben ist.

In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage der Vernetzung von Biotopen mit Ausgleichsmaßnahmen der Kommunen angesprochen. Wie Stuber dazu sagte, arbeitet der Landschaftserhaltungsverband Rems-Murr (LEV) gerade daran. Ziel sei es dabei auch, Landwirtschaft und Naturschutz zusammenzubringen.

Der Landkreis selbst sei „extrem vorbildhaft unterwegs“, ergänzte Landrat Richard Sigel und wies auf die vier Hektar Blühflächen hin, die entlang von Straßen anlässlich der Remstal-Gartenschau angelegt wurden.

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Erstellt:
18. November 2019, 11:30 Uhr

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