Ermordeter Polizist Rouven Laur
Frau des mutmaßlichen Messerangreifers sagt aus
Im Verfahren um den Mord an dem Polizisten Rouven Laur sagte die Ehefrau des mutmaßlichen Mörders als Zeugin aus – doch viele Fragen bleiben offen.

© Marijan Murat/dpa
Der mutmaßliche Mannheimer Mörder Sulaiman A. vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
Von Franz Feyder
Fast neun Meter und eine Panzerglasscheibe trennen sie: Die Frau, die ein milchkaffeebraunes Kopftuch modisch um ihren Hals drapiert hat. Und der Mann mit dem lockigen schwarzen Haaren und gepflegten Bart. Er, Sulaiman A., soll am 31. Mai 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz mit einem Messer vier Menschen verletzt und den Polizisten Rouven Laur erstochen haben. Sie ist seit 2019 seine Frau – „eine Jugendliebe“, wie die 24-jährige sagt, die hier Yalaz heißen soll.
Und jetzt im Saal 1 des Stuttgarter Oberlandesgerichtes in Stammheim vor den Richtern des 5. Strafsenates sitzt. Nach Rücksprache mit dem sie begleitenden Anwalt beteuert, im Prozess gegen ihren Mann aussagen zu wollen. Obwohl ihr als Ehefrau, belehrt sie der Vorsitzende Herbert Anderer, ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Sie erzählt, wie sie Sulaiman mit 12, 13 in der Schule kennenlernte, als der gerade aus Afghanistan nach Deutschland geflohen war. Liebe auf den ersten Blick – obwohl ihre Eltern dagegen waren.
Auch gegen die Hochzeit, am 8. Dezember 2018 nach islamischem Ritus, zwei Monate später standesamtlich: „Als ich 18 war, konnte mir keiner mehr was sagen.“ 2020 kommt die Tochter zur Welt, 2024 der herzkranke Sohn. Sulaiman arbeitet gelegentlich, sie baut ihr Abitur. Das Paar finanziert sich über Arbeitslosengeld und Hartz IV, wohnt in der Eigentumswohnung ihres Vaters. Sie begeistert ihn, abends die Realschule zu besuchen.
Kein Krieg in Herat
Manchmal habe Sulaiman vom früheren Leben in Afghanistan erzählt: vom schlagenden Vater, vom Krieg. Vom Krieg? In seiner Heimatstadt Herat? Der Metropole im Westen Afghanistans, in der 650.000 Menschen lebten und leben? Eine Lebenslüge. Unter dem tadschikischen Kriegsherrn Ismail Khan galt die Stadt seit 2001 als sicherste in Afghanistan. Kampflos hatten sich die Taliban zurückgezogen. Weder Krieg noch Terror erlebte die Stadt. Erst recht nicht der Anfang Februar 1999 geborene Sulaiman: zwei Anschläge sind 2013 und 2014 dokumentiert – also nachdem A. Afghanistan bereits verließ.
Ansonsten Ruhe: „Stadt und Provinz sind für die vor Jahrhunderten etablierten Schmuggelrouten das Tor Afghanistans in den Iran. Aktuell werden illegal Menschen und Rohopium in den Iran, vor allem westliche Konsumgüter nach Afghanistan gebracht. Kontrolliert werden Routen und Schwarzmarkt von Ismail Khan, der ein hohes Interesse an Stabilität und Sicherheit in der Region hat“, heißt es zwischen 2002 und 2018 wiederkehrend in den vertraulichen Sicherheitsberichten der Nato-Friedenstruppe, die unserer Zeitung vorliegen.
Getrennte Schlafzimmer
Die Geburt des herzkranken Sohnes habe das Paar zusammengeschweißt, beteuert Yalaz A. Sulaiman schilderte dem psychiatrischen Sachverständigen, er habe sich von seiner Frau distanziert. Das Paar schlief getrennt – er im Kinderzimmer bei der Tochter, sie mit dem Sohn im Elternschlafzimmer. Er war in sozialen Medien aktiv, sah Videos des terroristischen Islamischen Staates, vom Krieg in Gaza, radikalisierte sich – sie will davon nichts mitbekommen haben, verneint das Tun ihres Mannes sogar. Er überwies wenige Tage vor dem Messerangriff 610 der 1000 gesparten Euro an einen dubiosen Gelehrten in Afghanistan – sie will das einfach akzeptiert haben, obwohl die Familie nach Österreich in den Urlaub wollte. „Er hat gemacht, was ich gesagt habe“, räumt Yalaz auf die Frage eines Opferanwalts ein. Und auch, dass sie sehr eifersüchtig war.
Viele Fragen will Yalaz A. nicht beantworten: ob sie nach der Bluttat das google-Konto ihres Mannes löschte, ob ihre Tochter einen Kindergarten besucht, ob sie mit ihrem Mann über den IS sprach. Als Yalaz den Gerichtssaal verlässt, winken sie und ihr Mann sich schüchtern zu. Für Sulaiman einzige Reaktion, die er an diesem Tag für seine Jugendliebe übrig hat.