Freies Schulessen für ärmere Kinder

Bundesminister Giffey und Heil stellen „Starke-Familien-Gesetz“ vor – Finanzielle Besserstellung für Millionen von Eltern

Kinder aus einkommensschwachen Familien sollen von höheren Sozialleistungen und mehr Geld für Schulessen und Nachhilfe profitieren. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg brachte.

Berlin /DPA - Familien mit kleinem Einkommen sollen bald jeden Monat mehrere Hundert Euro mehr in der Tasche haben. Mit dem „Starke-Familien-Gesetz“ sollen sie höhere Zuschläge zum Kindergeld, gebührenfreie Kitaplätze und kostenlose Schulmittagessen bekommen. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat das von ihr und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erarbeitete Gesetz am Mittwoch vorgestellt.

Frage: Wie viele ärmere Kinder gibt es?

In Deutschland leben laut Familienministerium rund 13,4 Millionen minderjährige Kinder. Bei etwa neun Millionen läuft finanziell alles rund, vier Millionen Kinder aber leben in Familien, bei denen das Geld knapp ist. Darunter sind zwei Millionen Kinder in Hartz-IV-Familien und zwei Millionen Kinder, deren Eltern arbeiten, aber trotzdem nicht genug Geld für die Familie verdienen. Künftig sollen alle aus dieser letzten Gruppe vom Kinderzuschlag profitieren können, rund 1,2 Millionen Kinder erhalten durch das neue Gesetz erstmals Anspruch darauf.

Frage: Was ist der Kinderzuschlag?

Antwort: Der Kinderzuschlag wird zusätzlich zum Kindergeld gezahlt und unterstützt Eltern, die arbeiten, aber trotzdem finanziell kaum über die Runden kommen. Wer weniger als 2000 Euro brutto verdiene, habe grob gesagt eine Chance, ihn zu bekommen, sagte Heil. Zum 1. Juli soll der monatliche Höchstbetrag von 170 Euro pro Kind auf 185 Euro angehoben werden. Zusammen mit dem Kindergeld, das um zehn Euro steigt, und dem Bildungs- und Teilhabepaket soll das Existenzminimum des Kindes gedeckt sein.

Frage: Wie wird das Einkommen der Eltern verrechnet?

Antwort: Wenn Eltern etwas mehr verdienen, als sie für den eigenen Bedarf brauchen, erhalten sie etwas weniger Kinderzuschlag. Das Einkommen wird anteilig verrechnet. Bisher fiel die Leistung schlagartig weg, wenn man mehr als einen bestimmten Betrag verdiente. Das soll sich ändern: Künftig soll der Zuschlag langsam auslaufen, bis die Eltern selbst genug verdienen. So lohne es sich für Eltern eher, mehr zu arbeiten, und mehr Familien werden die Unterstützung erhalten.

Frage: Gibt es Besonderheiten für Alleinerziehende?

Antwort: Einkommen der Kinder, also zum Beispiel Unterhaltszahlungen, werden auf den Zuschlag angerechnet – künftig aber nicht mehr voll, sondern anteilig. Dadurch können 100 000 Kinder den Zuschlag bekommen, die bisher leer ausgehen. Ein Beispiel: Erhält ein Kind 210 Euro Unterhalt, werden 110 Euro vom Kinderzuschlag abgezogen. Der beträgt statt 185 Euro dann 75 Euro.

Frage: Was ändert sich beim Beantragen?

Antwort: Das soll einfacher und weniger bürokratisch werden. Denn die Bürokratie halte derzeit viele Familien davon ab, sich den Kinderzuschlag zu holen, sagte Giffey. Die Formulare sollen einfacher werden, bis Ende 2020 soll man die Unterstützung auch digital beantragen können. Außerdem soll das Geld künftig für sechs Monate am Stück bewilligt werden. Wenn sich das Einkommen der Familie in der Zeit ändert, muss sie nichts neu beantragen oder gar zurückzahlen.

Frage: Was bringt das „Starke-Familien-Gesetz“ noch?

Antwort: Alle Familien, die den Kinderzuschlag bekommen, müssen keine Kitagebühren mehr zahlen. Das allein sei ein guter Grund, den Zuschlag zu beantragen, sagte Giffey. Außerdem haben alle Familien mit Kinderzuschlag automatisch auch Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket.

Frage: Welche Änderungen gibt es da?

Antwort: Ab dem Schuljahr 2019/2020 soll die Unterstützung etwa für Schulranzen, Hefte oder Lernsoftware von jährlich 100 auf 150 Euro erhöht werden. Mittagessen in der Schule und Fahrkarten für Bus oder Bahn werden kostenlos – der Eigenanteil, der bisher noch gezahlt werden muss, wird abgeschafft. Nachhilfe können Kinder künftig auch dann bekommen, wenn sie noch nicht kurz vor dem Sitzenbleiben sind.

Frage: Was kostet das alles?

Antwort: Für die Reform des Kinderzuschlags ist bis Ende 2021 eine Milliarde Euro eingeplant. Die Verbesserungen im Bildungs- und Teilhabepaket kosten nach Ministeriumsangaben rund 220 Millionen Euro pro Jahr. Bevor das Geld fließt, wird der Gesetzentwurf erst im Bundestag beraten, auch der Bundesrat muss zustimmen.

Frage: Wie kommt das neue Gesetz an?

Antwort: Sozialverbände bezeichnen es als guten ersten Schritt, äußern aber auch Kritik. Der Kinderschutzbund bezeichnete es als „Starke-Bürokratie-Gesetz“, Linke-Chefin Katja Kipping als „bürokratischen Albtraum“ mit vielen Ausnahmen und Schlupflöchern. Sozialverbände befürchten, dass weiterhin wenige Familien den Kinderzuschlag beantragen werden, da sie ihn nicht kennen oder es ihnen zu kompliziert ist.

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Erstellt:
10. Januar 2019, 03:14 Uhr

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